Handaufzugschronograph Ref. 5170R-001 - eine ganz besondere Patek

  • Der Grund sich eine neue Uhr zu kaufen kann vielfältig sein. Sei es ein besonderes Ereignis im Leben wie z.B. die Hochzeit, das Beenden des Studiums oder die Geburt des ersten Kindes. Für manche ist es einfach der Fakt, dass einem die Uhr gefällt oder die mögliche Aussicht auf Rendite. Alles legitime Gründe und solange man Spaß an der Uhr hat, immer ein richtiger Grund. Wer mich kennt weiß, dass es bei mir hauptsächlich die ausgefeilten Kaliber, symmetrische, aufgeräumte Zifferblätter und klassische zeitlose Gestaltung der Grund sind die Uhr zu kaufen. Ich bin kein Impulskäufer, gehe sehr gezielt und nach langer, intensiver Beschäftigung mit allen Details der Uhr an den Kauf. So kam es, dass ich schon häufiger beim Konzessionär oder Händler saß, das Modell der Begierde in den Händen hielt und gesagt bekommen habe „was erzähle ich Ihnen eigentlich noch, Sie wissen definitiv mehr über Uhren als ich.“ Leicht beschämt, aber dennoch geehrt nahm ich diese Komplimente entgegen.

    Bei dieser Uhr ist aber auch die Erinnerung an meine Mutter Grund des Kaufs gewesen. Aber dazu später mehr.



    Warum diese Uhr?

    Reine Handaufzugschronographen von Patek Phillipe sind selbst in der Historie dieser Maison ziemlich selten. In der Geschichte gab es bis 2009 nur drei Kaliber, die Patek Philippe für nur wenige Referenzen eingesetzt hat:

    - cal. 13-130 (Valjoux-Basis)

    - cal. 13 (Victorin Piguet-Basis)

    - cal. CH 27-70 (Lemania 2310-Basis)


    Insbesondere letzterer ist umfangreich veredelt worden, um aus dem Lemania Kaliber 2310, welches auch bekannt ist als Omega Kaliber 321, das Patek Kaliber CH 27-70 zu machen und u.a. in den Referenzen 3970, 5004 und 5970 zu arbeiten - allesamt eine Kombination aus Ewigem Kalender und (Schleppzeiger-) Chronographen.

    Die einzige reine Chronographenreferenz, in der dieses Kaliber verbaut wurde, ist die Ref. 5070 (1998-2002). Davor herrschte seit fast 40 Jahren Funkstille bezüglich einer derartigen Uhr bei Patek, denn der letzte Vorgänger war die Referenz 1463. Die Auswahl ist also eher überschaubar.


    Es sollte dann schließlich von der Gründung Patek Philippes bis 2010 dauern, bis man mit der Referenz 5170J den ersten Inhouse Handaufzugschronographen der Firmengeschichte präsentieren würde. Die Einführung des Datograph von A. Lange & Söhne 1999 wird daran sicherlich keinen unwichtigen Anteil gehabt haben. Die Entwicklung des Kalibers CH 29-535 dauerte etwa 9 Jahre. Uhrmacherisch ist das konstruieren eines kompletten neuen Chronographenkalibers neben dem Bau einer Minutenrepitition eine der größten Herausforderungen, die es gibt. Um so erfreulicher, dass mit dem Kaliber CH 29-535 Patek Philippe ein großer Wurf gelungen ist. Warum das so ist, erklärt sich in diesem ausführlichen Artikel von Revolution. (Link)

    Es ist schon erstaunlich, wie viel Detailarbeit Patek Philippe hier investiert hat. Beispielhaft sei hier nur das optimierte, patentierte Zahnprofil genannt.





    [revolutionwatch.com]



    Ebenfalls bemerkenswert ist für mich auch der Umstand, dass hier keine Siliziumspirale verbaut wurde, sondern eine traditionelle Stahlspirale mit Breguet-Endkurve. Warum? Im Sinne der Handwerkskunst ist diese von Hand wesentlich aufwändiger herzustellen, als eine vom Computer automatisch hergestellte Kunststoffspirale. Zudem ist diese im Zweifelsfall auch in Jahrzehnten im Reparaturfall noch von Hand herstellbar. Wer kann in 40-50 Jahren noch eine Siliziumspirale liefern oder bauen? Dies ist doch eher ungewiss. Schaut einfach mal, in welchen Kalibern noch Stahlspiralen verbaut werden und wo die Siliziumspiralen verbaut werden. Im Sinne des Slogans „für die nächste Generation“ würde ich daher immer eher eine Patek mit Breguet-Spirale erwerben, sodass diese dann ebenfalls in den Genuss kommt die wirklich hochklassige Finissage des Werkes und der kompletten Uhr erblicken und entdecken zu können.



    [watchesbysjx.com]



    Das Gehäuse ist mit 39,4mm Durchmesser und lediglich 11mm in der Höhe aus meiner Sicht perfekt für eine moderne, dennoch zeitlos klassische Uhr, die auch an größere Handgelenke passt. Die rechteckigen Drücker tragen ihren Teil dazu bei, dass sich die Uhr größer trägt als es der reine Durchmesser vermuten lässt. Die durchaus breite Krone liegt perfekt in der Hand, um die Uhr aufzuziehen. Der Aufzug ist natürlich absolut butterweich und geschmeidig. Die 5170 hat dazu ein Verhältnis aus Gehäusegröße und Kaliberdurchmesser, der zueinander passend ist - etwas was bei der Ref. 5070 stets bemängelt wurde. Die erste Version der 5170, die Ref. 5170J ist in meinen Augen zwar eine sehr schöne, klassische Referenz, mir jedoch wegen der römischen Ziffern und der Pulsometerskalierung zu unruhig und „kantig“ auf dem Blatt. Wir Uhrenmenschen haben schließlich immer was zu meckern.


    Dies sollte sich im März 2016 ändern, als ich auf Hodinkee den Bericht zur zweiten Überarbeitung des Modells zur Referenz 5170R-001 und -010 sah (Link). Ich wusste sofort, dass das einmal „meine“ Patek Philippe sein wird! Ein klares, offenes Blatt, die wunderschönen Breguet-Ziffern, die ich mit anderen Meilensteinen des Hauses, wie dem Kaliber 89 oder der Grandmaster Chime, verbinde. Dazu keine Skalierung mehr am Rande des Blattes, sodass die Totalisatoren größer sein können und die Breguet Ziffern nicht so gequetscht auf dem Blatt platziert werden. Hier gibt es wirklich nichts, an dem ich etwas auszusetzen habe.


    Seit 2016 habe ich die 5170 bei diversen Händlern oder (ehemaligen) Loungern in nahezu allen Variationen am Arm gehabt und wusste stets, dass es nur die 5170R-001 mit dem hellen Blatt sein wird. Aufgrund der Größe der Uhr ist sie für mich der perfekte Handschmeichler. Leicht, aber nicht zu leicht. Groß genug, um sie gut ablesen zu können, aber nicht zu aufdringlich. Das Roségold gefällt mir insgesamt besser als das eher kalte, schlichte Graugold.

    Diese Uhr oder keine.

    Meine Grail Watch.



    [hodinkee.com]



    In Erinnerung an meine Mutter

    In meiner Familie ist das Uhrenhobby durchaus verbreitet, sodass es mir über meine Eltern schon in den Genen liegt, wenngleich sie es nicht so exzessiv betreiben wie ich. Speziell meiner Mutter hat die Ref. 5170R auch stets gut gefallen und sie meinte zu mir, dass sie mich finanziell unterstützen würde, wenn „der Zeitpunkt gekommen“ sei. Dazu muss man im Kontext wissen, dass sie seit 1993 Brustkrebs hat und dieser Teufel zahlreiche Male an verschiedenen Stellen im Körper wieder kam. Sie stand mehr als nur einmal am Rande des Todes, hat aber stets gekämpft, ist immer wieder aufgestanden, obwohl die unvermeidlichen Begleiterkrankungen immer mehr wurden. Sie hat für ihre Ziele gekämpft und dabei auch viele davon erreicht. Seit 2017 gab es jedoch nur noch diesen Kampf um das Überleben, der Bewegungsradius wurde immer kleiner bis er schließlich nur noch wenige Meter um das eigene Bett klein war. Ich habe Sie jahrelang und bis zu ihrem letzten Atemzug zuhause unterstützt und gepflegt bis an den Rand der totalen Selbstaufgabe. So etwas bei der eigenen Mutter mit ansehen zu müssen wünsche ich wirklich keinem.


    Am 6. Dezember 2021 hat meine Mutter im Alter von nur 61 Jahren ihren Kampf verloren und ist von uns gegangen.

    Diese Uhr widme ich Ihr, dem Kampfgeist, den sie stets hatte und den ich von Ihr übernommen habe.



    Durch einen glücklichen Zufall des Himmels tat sich Ende Dezember die Möglichkeit auf, eine nagelneue 5170R-001 im Full Set erstehen zu können, obwohl diese Referenz leider vor gut 2 Jahren eingestellt wurde. Das Angebot einer solchen Referenz ist bei den einschlägigen Portalen mehr als nur überschaubar. Um so größer war daher die Freue. Der Prozess der Kaufabwicklung war wirklich erinnerungswürdig und ich bin gewiss, den netten Herrn in Wien zukünftig noch mal zu beehren. Die wirklich tolle physische und moralische Begleitung meines besten Freundes, um die Uhr schließlich persönlich in Wien abzuholen, möchte ich an dieser Stelle auch noch mal mit tausend Dankesgrüßen würdigen. Dies war wahrlich kein leichter Gang für mich, wenngleich der Anlass freudig war.









    Das braune originale Alligatorband der Uhr passt schon ganz gut an diese. Aber um die Uhr zu wirklich meiner Uhr zu machen, habe ich beschlossen, mal wieder bei Camille Fournet in Paris vorstellig zu werden, um mir ein maßgeschneidertes Armband fertigen zu lassen. In gewohnter Manier hatte ich alles perfekt vorbereitet: Maße, Farben, Art der Kanten, Ausschnitte für den speziellen Patek Schnellwechselfedersteg, usw. Dies fand wieder die sehr würdigende Anerkennung des Boutiqueleiters in der Pariser Maison, sodass der Bestellvorgang rasch abgewickelt war. Außen sollte klassischer schwarzer Alligator zum Einsatz kommen, sodass die ohnehin sehr klassische Uhr noch etwas mehr formellen Charakter bekommt. Da Lieblingsfarbe meiner Mutter stets rot war, entschloss ich auf der Innenseite des Bandes rotes Alligatorleder zu ordern und das Band mit ihren und meinen Initialen versehen zu lassen.

    So schafft das Band eine diskrete, aber sehr persönliche Verbindung von ihr zu mir und wird somit noch mehr zu einer ganz besonderen Uhr für mich als es eine solche Patek Philippe ohnehin schon ist.














    • Offizieller Beitrag

    Zuerst mein Beileid, und gleich im Anschluß meinen Glückwunsch zur PP.


    Ich kann das nachvollziehen, denn vor 1,5 Jahren ging meine Mutter, und eine spezielle Uhr habe ich seitdem als Erinnerung.


    Halte die Uhr in Ehren, und Du hast für ewig ein schönes Andenken.

  • Was ich noch hinzufügen wollte, denn ich stehe vor einer ähnlichen Situation: Auch wenn der Umstand, wie die Uhr zu dir gelangt ist, eher ein trauriger ist, so versinnbildlicht sie doch auch den Wandel der Zeit, den der Tod natürgemäss mit sich bringt und auch bedingt. So wird diese Uhr nicht nur ein reiner Zeitmesser für dich persönlich sondern dient auch als stete Erinnerung an einen geliebten Menschen. Das Bild hast du somit nicht nur im Kopf - in der Erinnerung - sondern in einer äusserst vollendeten Form auch am Handgelenk.

  • Sehr bewegende Vorstellung.
    Glückwunsch zu dieser wundervollen Uhr und zu dieser tiefen, über den Tod hinaus gehenden Liebe für Deine Mutter. Ich kann das gut verstehen…

    Das Problem dieser Welt ist, dass die intelligenten Menschen so voller Selbstzweifel und die Dummen so voller Selbstvertrauen sind. (Charles Bukowski)

  • Wow Thomas, was für eine emotionale Vorstellung! Ich hatte ja einen Teil deiner Geschichte mitbekommen. Das hast Du genau richtig gemacht. :gut:

    Viel Spaß mit dieser nicht alltäglichen Uhr, über die Du ja offensichtlich mehr weißt als die meisten Verkäufer. Eine tolle Erweiterung deiner Sammlung!:blume: