Werte Uhrenliebhaber,
die Geschichte zu meinem Zeitmesser aus dem Hause Seiko ist schnell erzählt. Ich wollte schon immer eine Grand Seiko haben. Keine mechanische, sondern eine quarzbetriebene. Zu sehr war ich von dieser Technik fasziniert, um der "üblichen" Mechanik wieder verfallen zu können. Ein helles Zifferblatt sollte sie haben - zur Auswahl standen lediglich die Farben Weiß und Champagner - und am liebsten einen Gehäusedurchmesser von weniger als 40,00 mm. Die Entscheidung fiel mir angesichts des recht spärlichen Sortiments nicht schwer - eine SBGX063 sollte meine werden, denn der Sonnenschliff des Zifferblatts hat es mir besonders angetan. Diejenige, die ich ursprünglich unbedingt haben wollte, war bedauerlicherweise längst vergriffen.
So machte ich mich an einem herrlich sommerlichen Samstag, nachdem ich mich 24 Stunden zuvor mit einem der wenigen GS-Händler in Deutschland fernmündlich verabredete, auf den Weg in die 200 Km entfernte Hauptstadt Bayerns - München, ich komme! Verdeck auf , Sonnenbrille auf , schon sah ich mich auf der Rückfahrt mit meiner neuen Errungenschaft am Handgelenk. Überraschenderweise war der Verkehr auf der dreispurig ausgebauten Autobahn sehr moderat, so dass ich mich nach wenigen Monologen, welche hauptsächlich von meiner "Grand Seiko" handelten, am nördlichen Rand Münchens sah. Aber München ist groß, auch an einem Samstag, und ich war sehr froh darüber, als ich eine Stunde und gefühlten 100 Radarfallen später einen Parkplatz direkt vor dem von mir gesuchten Laden finden konnte.
Per Knopfdruck wurde mir Einlass gewährt, ich wurde von den Geschäftsinhabern herzlich begrüßt, etwas Smalltalk und da war sie plötzlich, die Grand Seiko, die ich nur von Bildern und aus einigen Videos kannte. Schön ist sie, gar keine Frage, jedoch so zart, so filigran. Fast verzweifelt befreie ich mein linkes Handgelenk von der Uhr mit der gelben Krone, die mich hierher begleiten durfte. Ich stelle beide nebeneinander - 3 mm Unterschied sind es, die mir allerdings wie 3(0) cm vorkommen. Am Handgelenk genauso. Verrückte Welt! Ich will sie mir keinesfalls größer einreden als sie ist, sie passt einfach nicht. Vor meinem geistigen Auge sehe mich bereits auf der Rückfahrt nach Hause, ohne eine (quarzgetriebene) Grand Seiko, weder am Handgelenk, noch auf dem Beifahrersitz. Ich schaue nach links, ich schaue nach rechts, ich schaue nach hinten und nach vorne. IWC, Cartier, Omega, Patek Philippe, Breitling soweit das Auge reicht. "Was haben Sie noch alles da, von Grand Seiko?", frage ich, mit ganz leiser Stimme. Ich werde von der entzückenden Geschäftsinhaberin in einen anderen Raum geführt, aus einem der Schaufenster holt sie ein paar Stücke heraus und erzählt mir während dessen von dem schlimmen Überfall, der sich einige Wochen davor ereignete. Sie zeigt mir ein paar Bilder, die unmittelbar danach aufgenommen wurden, ich kann meinen Augen einfach nicht trauen. "Die Uhren von Grand Seiko" haben sie alle mitgenommen, das, was Sie hier, auf dem Tisch, sehen, ist frische Ware."
Instinktiv greife nach etwas Hellem (nein, es sind keine Sterne! ), innerhalb weniger Millisekunden erkenne ich einen blauen Sekundenzeiger sowie einen Kronenschutz. Ticktack. Ticktack. Seconde morte. Quarz. Nein! Doch! Ich drehe es um, ein Glasboden, eine perfekt zentrierte Batterie. Ist das wahr? Ja, das ist wahr! Eine von den sechshundert, die ich unbedingt haben wollte, halte ich in meiner Hand. Die SBGV019, meine SBGV019! Ein Entkleben entfiel, eine mühsame Diskussion darüber, ob mit oder ohne Namenseintrag ebenso. Bezahlt, eingepackt, eine sehr nette Zugabe begleitet von einem äußerst freundlichen Gespräch mit den beiden Geschäftsinhabern gab es obendrauf. 35 Minuten nach offiziellem Ladenschluss war ich wieder draußen, die Sonne schien und ich war erleichtert.
Welch ein wunderbarer Sommertag, der mir für immer im Gedächtnis bleiben wird!
Die Verarbeitung meiner Grand Seiko ist in allen Belangen tadellos, der Tragekomfort ist über jeden Zweifel erhaben. Das mit einem Sonnenschliff versehenen Zifferblatt ist einfach nur traumhaft und lässt sich perfekt ablesen, auch bei ungünstigen Lichtverhältnissen.
Ein Higonokami gehört wohl zu jedem echten Japaner.
Von Zeit zu Zeit wird sie abgelichtet, eine gewisse Fotogenität kann man ihr gewiss nicht absprechen.
Allein die Herstellung der Zeiger und Indizes stellt ein Stück höchster Handwerkskunst dar. So werden beispielsweise die stahlblauen Zeiger nicht wie üblich "haufenweise" gebrannt, sondern auf einer Kupferplatte einzeln von Hand erhitzt. Die Minuten- und Stundenzeiger werden mit speziellen Diamantschneidern bearbeitet, genauso wie die aus Messing hergestellten Indizes. Jeder Index wird mehrmals mit einem Diamantenschneider bearbeitet, in der letzten Verarbeitungsphase werden fünf Mikrometer der Oberfläche abgetragen. Interessant auch, dass die Herstellung eines jedweden Index, inklusive der Vorbereitungen, bis zu drei Wochen dauert.
Perfektion bis ins kleinste Detail.
Grand Seiko ist auch für die "Zaratsu"-Polissage bekannt, sie kann schwer in ein paar Sätzen beschrieben werden. Man muss sie einfach gesehen und bestaunt haben. Am besten unter einer Lupe.
Das Manufakturwerk 9F82 - High End der besonderen Art.
Oder wie Grand Seiko es selbst nennt: Der Rolls-Royce unter den Quarzwerken. Zurecht, wie ich finde. Dessen Farbe changiert je nach Lichtintensität zwischen Gelb- und Rosegold. Aufgrund seiner einmaligen Bauweise und des darin eingesetzten Öls muss es "nur" alle 50 Jahre zur Revision. Und präzise ist es, sehr präzise. Gangabweichung? Etwa +/-0,0137 Sekunden pro Tag. Diese Präzision ist in erster Linie den von Seiko in Eigenregie gezüchteten und gealterten Quarzen zu verdanken.
Deren Alterungsprozess dauert ungefähr drei Monate, dabei werden die Quarze bei konstanten 25 Grad Celsius und 50 Prozent Luftfeuchtigkeit einer elektrischen Spannung ausgesetzt, das Schwingungsverhalten stabilisiert sich und die Temperaturabhängigkeit wird minimiert. Obwohl eine Temperaturanpassung im 9F nicht zwingend notwendig wäre, wird trotzdem 540 mal am Tag die Temperatur gemessen und gegebenenfalls korrigiert, die Ergebnisse werden fortlaufend im integrierten Schaltkreis gespeichert. Erwähnenswert auch die Dauer des Datumwechsels: 1/2000 Sekunde - das ist schnell, sehr schnell.
Freilich, es gäbe viel, sehr viel mehr über dieses Kleinod, im Allgemeinen, und Grand Seiko, im Speziellen, zu schreiben. Ich kann jedem Uhrenliebhaber empfehlen, sich mit der Philosophie und der Kunstfertigkeit dieser echten Manufaktur näher zu befassen. Das lohnt sich wirklich.
Seit dem Einzug dieser GS in meine bescheidene Uhren(an)sammlung, gilt sie, zumindest in Sachen Ganggenauigkeit, als absolute Referenz. Sechs Monate lang ohne jedwede Abweichung, wobei ich etwas Anderes von ihr auch nicht erwartet hatte (auf eine Atomuhr konnte ich zwischenzeitlich übrigens gänzlich verzichten ), sind ein Wort.
Und das Beste kommt wie immer ganz zum Schluss.
Danke für Eure Aufmerksamkeit, bis zur nächsten Uhr!