Im Stealth-Modus mit der H. Moser & Cie. Endeavour Small Seconds

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    "Wenn Sie etwas kaufen möchten, nur um die Zeit abzulesen, sind Sie nicht unser Kunde." Georges-Henri Meylan



    Werte Uhrenliebhaber,


    die Geschichte zu meinem neuen Zeitmesser aus dem Hause H. Moser & Cie. ist schnell erzählt, obwohl sie sich über mehrere Jahre erstreckt. Angefangen hat sie, als ein Freund von mir sich eine Endeavour Small Seconds in Gelbgold kaufte und ich sie in regelmäßigen Abständen bestaunen konnte. Zu sehr war ich von deren Machart fasziniert, von dem einzigartigen Fumé-Zifferblatt und dem wunderschönen Uhrwerk mit der Gangreserveanzeige. Das alles sorgte bei mir abermals für Schnappatmung, es war keine flüchtige Liebe, die nach wiederholtem Anfixen auch mal vergehen kann und ich wusste, dass eines Tages auch zu mir eine Endeavour finden wird.


    Vor viereinhalb Jahren lief mir meine Endeavour das erste Mal über den Weg. Damals wollte ich unbedingt die JLC Master Calender haben. Im Zuge des stattfindenden Verkaufsgesprächs wurde mir auch eine unscheinbare, in Weißgold gehaltene Endeavour gezeigt. Das Problem, aus damaliger Sicht, bestand allerdings darin, dass mir ein bisschen Gelbgold am Handgelenk eher zugesagt hätte. Das kennt Ihr vielleicht auch - wenn schon Gold, dann "richtig" Gold. :zwitscher:


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    Die JLC kam, die Moser blieb im Geschäft. Und in meinem Kopf. Die Jahre vergingen, mehrmals erkundigte ich mich danach, ob die Moser noch da ist, stets mit der Hoffnung, dass sie nicht verkauft wurde. Als ich Mitte Februar dieses Jahres fernmündlich nach der Uhr fragte, hieß es, dass sie für einen anderen Kunden reserviert und so gut wie verkauft sei. Mein Herz rutschte mir in die Hose, mein Gefühl sagte mir, dass ich mich beruhigen soll. Das tat ich auch und traf nach dem Telefonat die Entscheidung, in vier Wochen nochmal anzurufen und mein Glück erneut zu versuchen, mit der festen Absicht, die Endeavour zu kaufen, sofern sie tatsächlich noch zu haben sein sollte.


    Dann, am 15. März, war es soweit. Verkäuferin, inmitten des Telefonats, total gelassen: "Ja, der Kunde ist abgesprungen." Ich, ziemlich aufgeregt: "Okay, ich nehme sie, bloß nicht an jemand anderen verkaufen!" Sie wartete auf mich, ich wartete auf sie. Wir waren füreinander bestimmt, die Endeavour und ich. Nicht, dass man jetzt noch auf den Gedanken kommt, ich wollte auch mit der netten Dame am anderen Ende der Leitung eine Liaison eingehen. Weitere zwei Wochen später, bei einem freundlichen Tête-à-Tête mit der Verkäuferin, wurden sämtliche Formalitäten erledigt. Aber so sehr ich mich auf das Widersehen freute, so schnell durfte ich mich von ihr, noch am gleichen Tag, wieder verabschieden, denn wer rastet, der rostet. Obwohl die Endeavour neu war, entschieden wir uns dazu, nach einer Absprache mit Chefuhrmeister des Hauses, dem Uhrwerk eine Vollrevision zu spendieren.


    Frisch revisioniert, nach einem mehrwöchigen Aufenthalt im Mutterhaus, frei von jedwedem Kratzer und mit exzellenten Gangwerten durfte ich neulich meine Endeavour in Empfang nehmen. Oder in anderen Worten ausgedrückt: Was lange währt, wird endlich gut.


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    Die Kunstfertigkeit der kreativen Köpfe und Hände in Schaffhausen sieht und spürt man auf Anhieb. Das klassische Design der Endeavour Small Seconds, das von den traditionellen Taschenuhren inspiriert wurde, bewahrt die eigene Identität auf behutsame Weise. In einer Zeit, in der immer und immer wieder, nicht nur in der Uhrenwelt, versucht wurde, das Rad neu zu erfinden, ist das bestimmt keine Selbstverständlichkeit. Wie so oft im Leben, steckt auch bei dieser Uhr der Teufel im Detail - angefangen bei der konkaven Lünette, über die skulpturähnlichen Gehäuseseiten bis hin zum fabelhaften Fumé-Zifferblatt, das eine beruhigende Ordnung ausstrahlt.


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    Konsequenterweise entschied sich H. Moser und Cie. dafür, auch dem Uhrwerk die nötige Individualität zu verpassen. Mit dem Manufakturkaliber HMC 321 entstand etwas Besonderes - unbedingt erwähnenswert sind die austauschbare Moser Hemmungsbaugruppe, die eine vereinfacht Regulierung, Reinigung und Wartung der Uhr ermöglicht, die Straumann Spirale mit stabilisierter Breguet-Endkurve, der ausgeklügelte Sekundenstopp sowie der Anker und das Ankerrad aus gehärtetem Massivgold. Dass das Uhrwerk und dessen Bestandteile von Hand veredelt und verziert wurden, zeigt darüber hinaus, dass wir hier mit einer veritablen Uhrmacherwerkstatt zu tun haben.


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    Für mich persönlich war H. Moser & Cie. schon immer eine exquisite Mischung aus Hunderten von Jahren traditioneller Handwerkskunst und selbstbewusster Originalität. In einer Welt, die mittlerweile von einer belanglosen Monotonie beherrscht wird, ist das ein Umstand, der wirklich "very rare" ist.


    Die technischen Daten im Schnelldurchlauf: Ø 38,8 mm, 9,3 mm hoch, Wasserdichtigkeit nicht wirklich der Rede wert, darin tickt das Manufakturkaliber HMC 321 mit Handaufzug, Gangreserve > 72 Stunden.


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    Meine heutige Vorstellung möchte ich mit einem kurzen Exkurs in die Geschichte von H. Moser & Cie. abschließen, weil sie genauso spannend ist, wie die Uhren selbst.


    Der in Schaffhausen geborene Heinrich Moser zog 1827, im Alter von zarten 22 Jahren, nach Russland und eröffnete nur ein Jahr später sein eigenes Verkaufshaus in St. Petersburg. 1829 folgte eine Produktionsstätte in Le Locle. Er war in der Lage, nicht nur die feine Gesellschaft davon zu überzeugen, dass man ohne eine Moser am Handgelenk, das Haus gar nicht mehr verlassen könne. Und so kam es dazu, dass er aus seinem Namen die begehrteste Uhrenmarke der Zeit machte, nicht nur in St. Petersburg, Moskau, Nowgorod oder Kiew, wo er seine eigenen Geschäfte betrieb. Mit seinen in der Schweiz produzierten Uhren beherrschte er mithilfe unabhängiger Einzelhändler den gesamten russischen Markt, zudem lieferte er Uhrwerke an den berühmten russischen Juwelier Fabergé. Damit sein Uhrenimperium, das während seines Lebens insgesamt 500.000 Uhren verkaufte, gesichert werden kann, reiste er kontinuierlich zwischen St. Petersburg, Le Locle und Moskau. Diese ganzen Details kennt man heute deshalb so genau, da Heinrich Moser ein sehr akkurater Chronist seiner zahlreichen Reisen, Geschäftserfolge und nicht zuletzt seiner Abenteuer war.


    Die operative Leitung seines Uhrenimperiums übergab Heinrich Moser im Jahr 1848 an seine Stellvertreter und kehrte, im Alter von 43 Jahren, schwerreich nach Schaffhausen zurück. Als Unternehmer bestand sein Lebensziel darin, die Schaffhauser Wirtschaft durch Innovation in Schwung zu bringen. Er war Mitbegründer der Schweizerischen Industriegesellschaft (SIG) in Neuhausen, der Rheinfallbahn sowie der Dampfschifffahrtgesellschaft.


    Bis heute bleibt sein Name vor allem mit dem Moserdamm verbunden, der nicht minder als der Schlüssel zur Industrialisierung war und zum ökonomischen Aufstieg der ganzen Region diente. Mit viel Geld und viel mehr Beharrlichkeit gelang es Moser, dieses Großprojekt in die Tat umzusetzen. Zwischen 1863 und 1866 entstand somit eines der weltweit ersten Wasserkraftwerke, welches 1960, nach fast einhundert Jahren Betriebszeit, durch ein neues ersetzt wurde.


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    Quelle: http://www.schaffhausen-foto-archiv.ch


    Und es war der gleiche Heinrich Moser, der 1868 den Amerikaner Florentine Ariosto Jones mit finanziellen und ideellen Mitteln bei der Gründung der International Watch Company (IWC) in Schaffhausen unterstützte. Die ersten Werkstätten von IWC befanden sich in den Fabriken von Moser und man kann heute lediglich mutmaßen, welchen Lauf die Geschichte von IWC genommen hätte, wären Jones und Moser nicht zusammen gekommen.


    1874 starb Moser. Seine Witwe überließ das Unternehmen - nach wie vor in Russland ansässig - dem Uhrmacher Cornelius Winterhalter, der, um das Geschäft am Laufen halten zu können, die Hilfe eines gewissen Octave Meylan in Anspruch nahm. Octave Meylan war kein anderer als der Urgroßvater von Edouard Meylan, der derzeitige CEO von H. Moser & Cie., dessen Familie das Unternehmen 2012 kaufte.


    Drei Jahre später entschied sich Henrich Mosers Witwe schließlich zu einem Verkauf des gesamten russischen Handelsgeschäfts mitsamt der Uhrenfabrik in Le Locle. Die Oktoberrevolution von 1917 führte zu der Verstaatlichung des Unternehmens, ein Weiterbestehen war nicht möglich. Ende der 1970er Jahre wurde der Geschäftsbetrieb vollständig eingestellt.


    Wir schreiben mittlerweile das Jahr 2002. Das ist das Jahr, in dem Roger Nicholas Balsiger, der Urenkel von Heinrich Moser, das Unternehmen neu gründete. Er brauchte jedoch Hilfe, und wer hätte diese besser leisten können als der Mann, der als langjähriger CEO von Audemars Piguet das kometenhafte Wachstum der Marke durch die Einführung einer der bekanntesten Uhren - der Royal Oak Offshore - inszeniert hat. Sein Name: Georges-Henri Meylan, der Enkel von Octave Meylan, dem Mann, der half, H. Moser & Cie. zu leiten, nachdem Mosers Witwe die Kontrolle über das Unternehmen übergeben hatte. Der Kreis schloss sich, zum wiederholten Male.


    Georges-Henri Meylans Erfahrung war bei der Neugründung sehr wichtig. Unter anderem muss er wohl erkannt/gewusst haben, dass ein Uhrenproduzent, der im Jahr weniger als 1500 Uhren herstellt, sehr leicht in finanzielle Probleme geraten kann. So entstand, neben H. Moser & Cie., auch die Precision Engineering AG, die 2012 als eigenständige Firma in die damals neu gegründete Moser Watch Holding integriert wurde. PEAG ist in der Uhrenindustrie für die Entwicklung und Produktion von Präzisionsbauteilen im Hemmungsbereich bekannt, die an andere Uhrenhersteller verkauft werden. Es gibt beispielsweise nur eine Handvoll Unternehmen, die in der Lage sind, eine Unruhspirale herzustellen und H. Moser & Cie. gehört dazu.


    200 Jahre nach der Geburt Heinrich Mosers (übrigens, die Zahl 200 wird vor jeder Seriennummer am Gehäuseboden wiederzufinden sein), im Jahr 2005, wurde das erste Modell der Neuzeit aus dem Hause H. Moser & Cie. präsentiert, nämlich der von Andreas Strehler entwickelte Ewige Kalendar, der bereits im darauf folgenden Jahr den Grand Prix d’Horlogerie de Genève in der Kategorie "Beste Komplikation" gewann. Aber erst als das Haus 2012 an die Familie Meylan verkauft wurde, sorgte H. Moser & Cie. richtig für Aufsehen. Unvergessen bleiben die Swiss Alp Watch sowie die Swiss Mad Watch mit den dazugehörigen Werbespots.


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    Danke für Eure Aufmerksamkeit, bis zur nächsten Uhr! ;)

  • Wunderbare recherchiert und was für eine schöne Geschichte, die dich und deine Moser zusammengeführt hat. Danke dafür Alexander.


    Und Glückwunsch zur Schönheit. :blume:

    Gruß, René



    Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.

    Friedrich Nietzsche

  • Fulminante Vorstellung, grandiose Aufnahmen, exquisite Uhr!

    Ein Beitrag der Superlative!

    Herzlichen Glückwunsch dazu, und natürlich zum ganz außergewöhnlichen Zeitmesser aus dem Hause Hans Moser ( kleiner Insider Witz, den nur ältere Herrschaften noch kennen dürften)

    :blume:

  • Alex, Armin, René, Volker, Lord-B., Wilhelm, Michaela, vielen lieben Dank Euch allen! :blume:


    Wünsche Dir auch viel Spaß mit der Lektüre, ist sehr interessant.


    Bin schon sehr gespannt darauf. :lolly:


    ... ( kleiner Insider Witz, den nur ältere Herrschaften noch kennen dürften)


    Bitte her mit dem Witz, bin weder Insider, noch alt genug. :(:G


    Ach so, den obligatorischen Wristshot habe ich glatt vergessen.


    :nick:


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  • Herzlichen Glückwunsch zu diesem wunderbaren Zeitmesser. :blume:

    Und die kurzweilige Lektüre habe ich sehr genossen, ebenso die tollen Bilder. :gut:

    Ich wünsche dir viel Spaß an der schönen Uhr.


    LG Volkmar

  • Nicht drüber nachdenken Thilo....sagt viel über die Masse der 'Uhrenliebhaber' aus und Moser ist mal definitiv kein Mainstream.....:gut:

    Umso schöner, wenn sich ein Liebhaber nach so langer Zeit noch genau auf und über die ursprüngliche Uhr, die das Feuer entfacht hat, freuen kann. :blume:

  • Meinen Glückwunsch, Alexander. :blume:


    Eine tolle Uhr. :gut:


    Danke schön, Bernd!

    :blume:

    Glückwunsch zu diesem Kleinod der Uhrmacherkunst, die Geschichte dazu ist auch toll geschrieben :gut: . Aber just dieses Exemplar lag mindestens 4,5 Jahre unverkauft beim Händler?


    Genauso war das, Thilo. Was mit dem Rest passierte, entzieht sich leider meiner Kenntnis. ;) Danke Dir! :blume:


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    Und es ist noch gar nicht so lange her, dass man dazu noch eine schnöde OP gleich hätte mitnehmen können. Heute, so munkelt man zumindest, gibt es sogar dafür meterlange Wartelisten. :prust:


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    Herzlichen Glückwunsch zu diesem wunderbaren Zeitmesser. :blume:

    Und die kurzweilige Lektüre habe ich sehr genossen, ebenso die tollen Bilder. :gut:

    Ich wünsche dir viel Spaß an der schönen Uhr.


    LG Volkmar


    Das freut mich sehr, Volkmar, vielen Dank! :blume:


    Umso schöner, wenn sich ein Liebhaber nach so langer Zeit noch genau auf und über die ursprüngliche Uhr, die das Feuer entfacht hat, freuen kann. :blume:


    Ähnliche Gedanken hatte auch ich, und ich habe mich wirklich seeehr darüber gefreut. ;)