Liebe IWC-Freunde,
zum SIHH 2015 wurde ja anfangs des Jahres halboffiziell verkündet, dass IWC bis 2018 bei den verwendeten Uhrwerken komplett auf Inhouse-Kaliber umstellen will. Damit findet auch bei IWC eine Entwicklung ihren Abschluss, die seit über einem Jahrzehnt mit anschwellendem Crescendo durch die Uhrenlandschaft tönen: "ETA doof - 'Manufaktur' gut!".
Über Sinn und Unsinn dieser Entwicklung ist viel gestritten worden, umkehrbar ist sie nicht. Zum einen rein praktisch nicht, da die Swatch Group (wie lange angekündigt) die Lieferungen an Fremdanbieter herunterfährt bzw. einstellt, und zum anderen, weil der geneigte Uhrenfreund dem Marketinggetrommel final erlegen ist, und alles abseits von "Manufaktur" nicht mehr akzeptieren mag.
Was hat diese Entwicklung gebracht? Sicherlich eine Vielzahl an neuen Werken, gerade im Chronographen-Bereich gab es wohl noch nie so eine Vielfalt wie heute. Unzweifelhaft aber auch deutliche Preissteigerungen und zwar unabhängig vom Ausgangssegment der jeweiligen Uhrenmarke. Und schließlich eine deutliche Veränderung der Service-Landschaft - unabhängige Uhrmacher schauen heute immer mehr in die Röhre, da parallel mit der Einführung eigener Werke die Verfügbarkeit von Ersatzteilen stark reglementiert (bzw. sogar komplett gestoppt) wurde.
Interessanterweise kann man heute beobachten, dass nicht wenige der lange geschmähten "ETA-Einschaler-Uhren" inzwischen ein bemerkenswertes Comeback feiern. Schaut man z.B. bei Omega, so sind (ETA-basierte) Modelle wie eine SMP 300 oder die erste Planet Ocean-Generation sehr gefragt - bei der PO ist der Abstand der alten und der neuen Version auf dem Gebrauchtmarkt sehr gering geworden (jeweils in einem sehr guten, gebrauchten Zustand), obwohl die neuen Inhouse-Modelle deutlich höhere Listenpreise haben (der Preissprung lag über 50%).
Auch bei IWC wird bei jedem Modellwechsel gezittert, ob der klassische Portugieser Chrono 3714 im Programm bleibt - trotz des verbauten ETA 7750. Warum? Einfach weil das eine ziemlich perfekte Uhr ist, die zudem preislich (zumindest gebraucht) noch durchaus für Normalverdiener zugänglich ist.
Dabei ist eigentlich schon die Grundprämisse Unsinn: Uhren mit ETA-Werken sind mitnichten immer langweilig, gleichartig oder ohne jede technische Finesse. Ganz im Gegenteil gibt es sogar genügend "Einschaler-Uhren", die ebenso wie eine 3714 unstrittig Klassiker sind oder die wie z.B. eine Ocean 2000 ein Uhrensegment komplett neu interpretiert haben.
Einen wesentlichen Anteil daran haben bei IWC selbst entwickelte Komplikationen, die sich einfach als Module auf die robusten (und kostengünstigen) ETA-Werke aufsetzen ließen. Beispiele für die vier bekanntesten Komplikationen möchte ich hier kurz vorstellen:
Zweite Zweitzone - IWC Fliegeruhr UTC Ref. 3251
Diese erste mechanische IWC mit einer zweiten Zeitzone kombiniert ein ETA 2892A2 Basiswerk mit einem UTC-Modul, das von Kurt Klaus und Jürgen Lange bei IWC entwickelt wurde. Ähnlich wie bei einer Rolex GMT oder Omega Seamaster "Great White", ist es eine Reise-GMT, d.h. der Stundenzeiger aus der Mitte lässt sich in Stundenschritten verstellen, ohne dass die Unruh gestoppt werden muss. Das Datum schaltet mit (vor und zurück), die Heimatzeit (bzw. UTC) wird auf der Stundenscheibe angezeigt.
Gebaut wurde diese Uhr von 1999 bis 2003, der Listenpreis lag zuletzt bei 3.300 Euro (Leder) bzw. 4.400 Euro (Stahlband).
Eine ausführliche Vorstellung dieser Uhr findet ihr hier:
IWC: Willkommen zurück - IWC Fliegeruhr UTC...
Schleppzeiger-Chronograph - IWC Top Gun Doppelchronograph Ref. 3799
Schleppzeiger (oder Rattrapante)-Chronographen sind zumindest in der Zeit nach der Quarzkrise erst durch IWC populär geworden - vor allem natürlich durch die beiden Klassiker 3712 (Portugieser Rattrapante) und 3711/3713 (Fliegeruhr Doppelchrono). Die Entstehung dieser Komplikation geht zurück auf den vielleicht größten IWC-Triumph der "ETA-Zeit", als man 1990 die erste Armbanduhr Grande Complication der Neuzeit vorstellen konnte - basierend auf einem VJ 7750 (obwohl das kaum noch erkennbar war). In der Folge gab es einen regelrechten Wettbewerb um die komplizierteste Uhr der Welt, in dem u.a. Blancpain (man ahnt es, mit JC Biver am Ruder) mitmischte. Deshalb wollte IWC nochmal nachlegen für die zum 125jährigen Jubiläum 1993 geplant Ultra-Komplikation "Il Destriero Scafusia" - die bekam zusätzlich noch ein Tourbillon und einen Schleppzeiger-Chronographen verpasst. Beide Module wurde zwischen 1990 und 1992 von Richard Habring entwickelt, der nach seiner Zeit bei IWC heute eine eigene Marke in Österreich aufgebaut hat.
Das Modul feierte dann 1993 Premiere und zwar nicht nur in der Il Destriero Scafusia, sondern auch im Flieger Doppelchrono 3711, liebevoll genannt "Doppelmoppel". Die Hintergründe dazu finden sich in diesem alten Interview mit Richard Habring bei Timezone:
http://people.timezone.com/lib…/tzints631685739687608484
Der Portugieser Rattrapante folgte dann 1995 und begründete (angestoßen durch den Erfolg der Jubiläums-Portugieser 5441) damit die heute erfolgreichste IWC Modellreihe. Der Doppelchrono ist bis heute im Programm und hat seinen Weg in die unterschiedlichsten Uhren gefunden. Stellvertretend hier die Kombination aus Keramik und Doppelchrono in der Top Gun 3799:
Gebaut wurde diese Uhr von 2007 bis 2011, der Listenpreis lag zuletzt bei 10.300 Euro.
Eine ausführliche Vorstellung der Uhr findet ihr hier:
Uhren-Hauptrollen in der IWC-Geschichte - Part 1: The Bad Guy...
Split Minute - IWC Aquatimer Minute Memory Ref. 3723
Unzweifelhaft der Außenseiter in dieser Aufzählung ist diese Komplikation, bei der selbst IWC nicht genau wusste, wie man sie nennen sollte. Vorgestellt wurde sie 2004 als "Minute Memory" - denn der aktivierte Schleppzeiger markiert einen Zeitpunkt auf der Minutenskala. Andererseits springt er bei Auslösung direkt wieder unter den laufenden Minutenzeiger - analog zur "Split Second" änderte man den Namen daher ab 2005 auf "Split Minute". Von außen erinnert der Schalter an eine Repetition, er wird jedoch gedrückt und nicht gezogen.
Wirklicher Erfolg war dieser Komplikation nicht vergönnt - es blieb bei einer Referenz und die hat sich auch nur in sehr überschaubaren Stückzahlen (<< 1000) verkauft. Trotzdem eine coole Uhr - und eine einmalige dazu:
Gebaut wurde diese Uhr zwischen 2004 und 2008, der letzte Listenpreis betrug 7.650 Euro (Kautschuk) bzw. 8.550 Euro (Titanband).
Eine ausführliche Vorstellung findet sich hier:
Neuzugang in Titan: IWC Aquatimer Split Minute
Ewiger Kalender - IWC GST Perpetual Calendar Ref. 3756
Zum Schluss dieser kleinen Übersicht darf natürlich die Komplikation nicht fehlen, die IWC in der Neuzeit definiert hat wie keine andere: Der Ewige Kalender. Dazu ist an anderer Stelle schon genug geschrieben worden, deshalb für alle Interessierte an dieser Stelle nur der Verweis auf ein Interview mit Kurt Klaus, in dem er die Entstehung sehr anschaulich beschreibt:
http://www.thepurists.com/watc…s/interviews/klauskapr03/
Der Ewige Kalender war ein Riesenerfolg in der Da Vinci, der heute vermutlich noch übertroffen wird durch die Verkäufe der Portugieser-Version mit dem 7-Tage-Werk als Basiskaliber. Aber auch in vielen anderen Modellreihen wurde das Modul verbaut (Romana, Novecento, Portofino, Ingenieur, zuletzt den Fliegeruhren), selbst "La Grande Maison" griff auf das Kurt Klaus-Modul zurück. Mein Favorit bleibt auch heute noch die GST-Variante - vielleicht einer der robustesten Ewigen Kalender, der je gebaut wurde. Und dazu noch in der klassischen Kombination aus Ewiger Kalender und Chronograph - quasi eine 5970 für BMX-Fahrer
Gebaut wurde dieses Modell nur von 2001 bis 2004 in Titan und Stahl mit vier verschiedenen Zifferblatt-Farben (2x schwarz, silber, weiß, saumon) und vier Sprach-Optionen (Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch). Der Listenpreis für beide Versionen (Titan/Stahl) lag zuletzt bei 13.300 Euro.
Eine ausführliche Vorstellung der Uhr findet sich hier:
Für die Ewigkeit - IWC 3756 GST Perpetual Calender
Soweit dieser kleine Überblick zur Vielfalt, die man auch mit scheinbar profanen "Standard-Werken" erreicht hat. Das ließe sich noch deutlich ergänzen, bis hin zu den oben erwähnten Modellen "Grande Complication" von 1990 oder gar der "Il Destriero Scafusia" von 1993. Und zu komisch das klingt, durch die Verwendung des VJ 7750 als Basis-Kaliber ist die IWC Grande Complication die mit Abstand günstigste Uhr ihrer Art und mit Preisen um ca. 60.000 Euro vermutlich die einzige Uhr dieser Kategorie, die man selbst in Uhrenforen findet - woanders kann man da einen Faktor 10 beim Preis ansetzen...
Gruß,
Christian