Liebe Uhren-Freunde,
als alte Küchenpsychologen wissen wir, dass uns Erlebnisse aus der Jugend fürs Leben prägen - selbst bei so banalen Dingen wie Uhren . In meinen jüngeren Jahren gab es zwei solche prägende Uhrenereignisse (wenn ich den Vollgold-Brilli-Blatt-Rolex tragenden Onkel mit dubiosen Einnahmequellen einmal ausblende ) und beide fanden sich in den Schubladen des väterlichen Sekretärs: Zum einen die urgroßväterliche IWC-Taschenuhr, klassisches Stück und seit den 20er Jahren in Familienbesitz, und die traurigen Reste einer Omega Seamaster De Ville, die mein Vater zum Studienabschluss bekommen hatte und die Anfang der 80er Jahre nach knapp 15jährigem servicelosen Missbrauch festgefressen ihren Geist aufgab. Beide Uhren waren nüchtern betrachtet eher "einfache" Modelle und auch zu ihrer Zeit nichts wirklich besonderes (zumindest im Segment der "guten" Uhr). Aber die emotionale Bindung aus Kindertagen überstrahlt das locker.
Als Jahre später mein Interesse an Uhren sich richtig Bahnen brach (und auch mehr als das frühere Taschengeld zur Verfügung stand), war folglich eine meine ersten Taten, beide Uhren zur Revision zu geben. Die TU wurde beim Konzi vor Ort gemacht und war der Startpunkt für eine andauernde Zuneigung zu Uhren aus Schaffhausen. Die Seamaster De Ville ging nach Biel, horrend teuer im Vergleich zum Wert der Uhr, aber wat mut dat mut...
Der Seamaster De Ville folgten diverse andere Omegas (SMP, Speedy, PO etc.), aber sie blieb meine einzige "echte" Omega, auch wenn es nur ein ganz einfaches Kal. 601 Handaufzugwerk war. Nachdem zwischenzeitlich der Omega Bestand deutlich eingebrochen war (neben der De Ville hielt sich nur die Speedy), erwachte mit der Lancierung der neuen Inhouse-Kaliber-Generation mein Interesse neu.
Im Zuge des "Manufaktur-Hypes" haben ja alle möglichen Hersteller eigene Werke (wieder)entdeckt, sei es aus Tradition, dem Wegfall externer Zulieferer oder schlicht aus Marketingüberlegungen - denn "Manufaktur" treibt den Preis, selbst wenn die funktionale Qualität auf oder unter ETA-Niveau ist. Auch bei Omega wurde kräftig an der Preisschraube gedreht - meine SMP 300 (noch mit 1120) konnte man vor nicht allzu langer Zeit problemlos für 1.500,- Euro beim Konzi kaufen, eine PO liegt heute mit dem neuen Werk bei 4.600,- Euro Liste - und da ist die diesjährige Preiserhöhung noch nicht drin.
Die Frage ist: Lohnt sich das? Ich habe mir mit meinem überschaubaren technischen Sachverstand die 8xxx-Werke in den letzten Jahren immer mal wieder angeschaut und bin für mich zum Schluss gelangt: ja, lohnt sich. Denn abseits vom ganzen "Manufaktur-Gedöns" (bei einem Massenhersteller wie Omega leicht deplatziert) bringen diese Werke viele kleine greifbare Verbesserungen, die in der Summe richtig gute Werke ergeben: Ein schönes Layout mit ebensolchem Finish, technisch-elegant, stabile Unruhbrücke und rückerfreie Feinverstellung, Silizium-Unruh und Spirale, in Kombination mit der Co-axial-Hemmung nun längere Service-Intervalle und 4 Jahre Garantie. Zwei Federhäuser mit entsprechend längerer Gangreserve, ein Datum, das sich vor und zurück stellen lässt etc.
Die Frage war nur: Welche nehmen? In der engeren Wahl standen alle Dreizeiger der Aqua Terra und Planet Ocean-Serie (der Chrono ist einfach viel zu hoch). Es folgte eine ausgiebige Test-Session in der lokalen Boutique, die als großen Vorteil immer alles mögliche da haben:
Omega Aqua Terra Annual Calendar Ref.: 231.10.43.22.06.001
Die Wahl fiel am Ende auf die Seamaster Aqua Terra Annual Calendar - warum? Viele meiner vorherigen Omegas litten im Alltag darunter, dass sie nichts "besonderes" waren. Super Uhren, perfekt für den Alltag und wenn man nur 1 oder 2 Uhren hat, absolut erste Wahl. Wenn aber die Konkurrenz Boxen füllt und Komplikationen, große Namen oder bahnbrechende Designs auffährt, kriegen solche Uhren immer zu wenig Zeit am Arm. Einen Jahreskalender hatte ich dagegen noch nicht und diese Komplikation ist von Omega perfekt gelöst - ein "echter" Annual Calendar, also nur ein Eingriff Ende Februar nötig, dazu eine Schnellverstellung des Datums nur über die Krone und einen "springenden" Datumswechsel auch am Monatsende. Da wird die Konkurrenz (auch in anderen Preisklassen) sehr, sehr dünn.
Nachteil dieser Wahl: Natürlich wieder die Teuerste ausgesucht , dazu noch eine Randgruppen-Uhr, der man die inneren Werte auch erst auf den zweiten Blick ansieht. Nicht leicht zu bekommen und so habe ich am Ende eine ziemlich wagemutige Aktion im europäischen Ausland riskiert. Nicht ohne, aber die Ausweiskopie war offenbar echt und der Versand hat auch geklappt (angeblich auch voll versichert). Und nun trudelte das gute Stück vor kurzem ein - erster Eindruck:
Wie alle modernen Omegas kein Handgelenkschmeichler durch die etwas steifig geraden Hörner, aber trotz 43mm und 15mm Höhe gut tragbar. Passt sogar unter die Hemdmanschette. Auch das nun verschraubte Band lässt sich relativ leicht anpassen - selbst wenn die Feinverstellung fehlt (und halbe Glieder inzwischen 40 Euro kosten).
Und ein Vorteil für alle, die sich durch den Text gekämpft haben: Sie ist tierisch fotogen . Deshalb, back to the roots, vom Kal. 601 zum Kal. 8601 - Bilder:
Absolut eine Uhr für den zweiten Blick - viele schöne Details, die man erst nach und nach entdeckt und die Qualität der Uhr deutlich machen.
Gruß,
Christian