Meine erste IWC aus den 80er Jahren...

    • Offizieller Beitrag

    Liebe IWC-Freunde,


    nach Wochen des heiteren Geplänkels, mal wieder zurück zum Thema :grb: - Uhren :wink: .


    Wir haben ja nun an verschiedenen Stellen gelernt, dass die Motivation des Uhrenfreunds für den Erwerb seiner liebsten Stücke durchaus variiert. Der eine verlangt absolute Zuverlässigkeit, andere zielen auf Werterhalt, mancher mag es besonders individuell und wieder andere wollen am Handgelenk ein Statement abgeben. Interessanterweise ist dabei nicht jedem wirklich wichtig, was denn so in einer Uhr tickt - ob das handwerklichen Wert hat, ob es schön aussieht, ob es den Uhrmacher erfreut. Nicht ganz verwunderlich, bleiben doch heute oft - trotz penetrantem "Manufaktur"-Gesülze - viele U(u)r-Tugenden auf der Strecke.


    Will man nun auch beim Werk große Kunst oder zumindest akkurates Handwerk auf höherem Niveau, wird es heute schnell prohibitiv teuer - wer Finissage will, wird vielleicht bei A. Lange & Söhne glücklich, wenn es Barock sein soll, bei Patek oder Vacheron, wenn die klassische Moderne ruft, und vielleicht bei JLC oder GO, wenn man nicht gleich Kleinwagen zum Juwelier tragen möchte.


    Oder: Man geht in den Vintage-Bereich. Und hier lockt wieder - von mir immer gerne propagiert - die Taschenuhr. Da kriegt man noch was für sein Geld und oft was richtig feines. Und auch der Alltagsnutzen ist nicht geringer, als bei der 10. oder 20. Armbanduhr. Die kann man eh nicht tragen, sie liegt die meiste Zeit im Safe/Bankschließfach. Eine Taschenuhr kann man dagegen ganz zwanglos (und zur Freude der besseren Hälfte ;) ) in der Wohnung verteilen - da hat man immer was zum Angucken zur Hand.


    Mein Herz gehört ja bekanntermaßen einem eher engen Feld, nämlich den Nachkriegstaschenuhren von IWC. Die Schaffhausener waren (zusammen mit Patek) vielleicht die letzten, die die Fahne in diesem Bereich noch lange hoch hielten, als viele andere dem Anachronismus Taschenuhr bereits abgeschworen hatten. Bis 2007 gab es von IWC noch Taschenuhren ab Werk - den letzten Vertreter seiner Art, die IWC Ref. 5201 - hatte ich ja vor kurzem bereits vorgestellt .


    Und nun kam die Gelegenheit, einen weiteren besonderen Vertreter dieser Reihe hinzuzufügen: Nach ein paar (unerklärlichen) eBay-Fehlschlägen zeigte meine my-eBay-Notiz vor ein paar Tagen an "kaufen, egal wie teuer" - eher gefährliche Einstellung, war dann auch ein "Liebhaber-Preis". Aber: wat mut dat mut, wie der Friese sagt.


    War die Ref. 5201 die letzte Version des Kaliber 95, gilt das gleiche für das Kaliber 97 für die Ref. 5301 (die es noch bis 1992 gab) und deren großen Bruder, die Ref. 5305 - und die hat nun den Weg zu mir gefunden:



    Was ist nun das besondere an dieser Uhr? Betrachtet man den Durchmesser, fällt auf, dass die Uhr deutlich massiver ist, als die sehr zierlichen Referenzen mit Kal. 95. Das Gehäuse hat ziemlich genau die Maße, wie sie es die frühen Lépine-TUs z.B. mit dem Kal. 65 hatten. Und das hat einen Grund: Sehr ungewöhnlich für eine offene Taschenuhr verfügt die Ref. 5305 über einen Sprungdeckel - und zwar auf der Rückseite. Das ermöglicht den direkten Blick aufs Werk, das nochmal durch ein Mineralglas geschützt wird. Gerade für den Alltag eine schöne Sache, spart die Taschenmesser-Fummelei und vermeidet Kratzer am Gehäuse.


    Die zweite Sache ist das Werk an sich: Das Kaliber 9720 ist die dritte Ausbaustufe des Ursprungskalibers C.97 - die "2" bezeichnet die Incabloc-Stoßsicherung (seit 1967) und die "0" die Vergoldung - die klassischen 9X-Werke sind alle vernickelt, erst das "letzte Aufgebot" wurde vergoldet. Diese Uhrwerke stammen aus der Zeit während und kruz nach dem tiefsten Tief der Quarz-Krise, als viele (auch große Marken wie Breitling, Zenith, etc.) untergingen und auch IWC mehrfach am Abgrund standen. Neben Gold- und Brilli-Uhren für den Nahen Osten waren es damals Taschenuhren, die den Laden am Leben hielten - für eine Zeit Ende der 70er Jahre wurde sogar kurz überlegt, sich komplett auf die Nische Taschenuhr zurückzuziehen (es kam dann anders und mit der Kooperation mit Porsche Design begann die Renaissance der mechanischen Armbanduhr). Genau aus dieser Zeit stammt die Ref. 5305, die 1977 lanciert wurde und danach in kleinsten Stückzahlen gebaut wurde, bis sie 1984 schon wieder aus dem Katalog verschwand.


    Zu Beginn kostete dieser Uhr (in Sterlingsilber) 1.450,- DM (zum Vergleich: eine Ingenieur 1832 kostete 1977 2.350,- DM und eine Yacht Club I 1811 1.015,- DM), dieser Preis stieg rasant auf zuletzt 3.650,- DM im Jahr 1984, also ungefähr vergleichbar mit einer (für damalige Verhältnisse schon unverschämt teuren) Ocean 2000.


    Mein Exemplar wurde am 17.06.1986 verkauft, also rund 2 Jahre nach dem Auslaufen der Referenz. Verkäufer war ein auch heute noch aktiver Juwelier auf Deutschlands einziger Hochseeinsel, der den damaligen Rabattverboten zum trotz 20% gewährte - 2.920,- DM waren trotzdem noch ein stolzer Preis. Und nach mehr als zwei Jahrzehnten in der hintersten (südwestlichen) Ecke Deutschlands, hat es die Uhr nun wieder in den Norden verschlagen - komplett mit Box und allen Papieren und Gangwerten, bei denen die meisten aktuellen Chronometer die Waffen strecken müssten :G


    So, wer es bis hierher ausgehalten hat, darf jetzt auch ein paar Bilder anschauen:


    Die Box:



    Der Inhalt:




    Das Buch zur Uhr (kann ich nur wärmstens empfehlen):



    Von vorne:




    Die Rückseite:




    Über den Drücker in der Krone wird der Sprungdeckel gelöst:




    Die Referenz im Deckel:



    Und schließlich das Werk:




    Echte Schraubenunruh und am Schwanenhals erkennt man das Kaliber 97xx:



    Vergoldet und Incabloc-Stoßsicherung - deshalb C. 9720:




    Ein durch und durch goldiges Stück... :G


    Gruß,
    Christian


  • Meine erste IWC aus den 80er Jahren...


    Der Satz hat mich dann doch mal in meiner Excel-Tabelle nachsehen lassen, wann ich den das erste Mal gesagt hätte.
    Zu meiner Überraschung ist das gerade einmal rund 10 Jahre her, hat mich selbst gewundert, dass es nicht eher war.
    Vorher standen einfach die ganzen raren Sachen aus den Jahrzehnten vorher auf der Kaufliste.



    zeigte meine my-eBay-Notiz vor ein paar Tagen an "kaufen, egal wie teuer" -


    Tja, billig war die nicht, aber in dem Zustand unerhört rar, auch gesichts des ganzen Zubehörs. Allein für die goldene TU-Schachtel wollen andere schon 300 Ocken.
    War eigentlich noch ein Sterling Kette dabei?


    Wirklich eine schöne Uhr, muss ich neidlos sagen.
    Herzlichen Glückwunsch.


    Und danke für den tollen Bericht.


    Gruss


    Karl

    • Offizieller Beitrag

    ... danke, danke :wink:


    Auch bei Übermut ist man bei Taschenuhren meist auf der sicheren Seite - die absoluten Beträge sind halt selbst bei solchen Aktionen im Vergleich zu aktuellen Listenpreise von Armbanduhren noch einigermaßen im Rahmen. Und das beste ist: Die sehen sich (für Laien) alle so ähnlich, dass meine bessere Hälfte da komplett den Überblick verloren hat :G


    karl: Kette war bei der nicht dabei, ich habe aber noch eine von meinem Familienerbstück in der Hinterhand - wenn Not am Mann ist, ist die Uhr also tatsächlich einsatzbereit.


    Nochmal ein paar Bilder mit Lichteinfall:





    Jetzt habe ich von den Dreizeiger-Lépines schon die eine oder andere beisammen. Was noch eine schmerzliche Lücke darstellt, ist die Ref. 5205:


    http://www.iwcforum.com/Articles/PocketWatches/5205.jpg


    Sieht auf dem Katalogbild unscheinbar aus, hat aber in der Realität ein sehr schönes goldenes Zifferblatt mit Sonnenschliff. Vor zwei Jahren mal in der Bucht bei einem Händler, den ich fußläufig erreicht hätte - und leider schon weg, als er endlich mal ans Handy ging :( ...


    Wenn also mal jemand sowas bei Oma/Opa/Onkel auf dem Dachboden/in der Schublade etc. finden sollte: :wink:


    Gruß,
    Christian

    • Offizieller Beitrag

    ... mach mal bitte hinten einen Post-It mit meinen Kontaktdaten drauf ;)


    Die krieg ich auch noch irgendwann in die Finger... hast Du eigentlich mal Informationen zu den Stückzahlen der modernen Taschenuhren gesehen? Ich kenne nur die Aussage von GK, dass die Verkäufe zuletzt noch knapp zweistellig waren.


    Wäre schon interessant zu wissen, ob es z.B. von der 5205 so ca. 50 oder eher 500 Stück gibt :grb:


    Gruß,
    Christian

    • Offizieller Beitrag

    karl: Ich bin ja schon froh, dass Du es bei Sprüchen belässt und nicht wieder Bilder dazu einstellst ;) ...


    stefan: Ich war aber auch mal wieder dran, nachdem mir z.B. Heiko die 5205 weggeschnappt hatte.


    Hat sich eigentlich jemand von hier die Georg Fischer Cal. 67 von vor 2 Wochen gesichert? Die ist doch auch bestimmt bei einem der üblichen Verdächtigen gelandet...


    Gruß,
    Christian