Liebe IWC-Freunde,
ein Fokus meiner bescheidenen Uhrenansammlung sind ja moderne IWC-Taschenuhren, die alle eine Gemeinsamkeit haben: klassische Brückenwerke der Kal. 9x Generation (also Kal. 97 als Lepine, Kal. 98 als Savonnette, Kal. 95 als ultra-flache Variante oder Kal. 67 als einfache Version). Diese Werke bestehen durch geschwungene Brücken, die viel vom Räderwerk preis geben und die eine klassisch elegante vernickelte Dekoration mit Genfer Streifen und Goldchatons ziert.
Nur eine Taschenuhr weicht davon ab - ein Familienerbstück, die Uhr meines Urgroßvaters, eine silberne Lepine mit dem Kaliber 65:
Die Uhr hatte ich hier schon mal vorgestellt:
Wie alles begann: IWC Cal. 65 Taschenuhr
Wie man auf dem Foto schnell sieht, stammt dieses Werk aus einer anderen Generation: Das Kaliber 65 (auch als "Lutetia" bekannt) wurde ab 1893 in diversen Varianten produziert, stammt also aus der gleichen Zeit wie das Brot-und-Butter Kaliber der IWC, die Kal. 52/53, die zusammen fast eine halbe Millionen mal produziert wurden. Das Kal. 65 ist wesentlich seltener (ca. 26.500 Stück), fast alle in der oben gezeigten Variante mit dem körnig vergoldeten Werk.
Auch technisch ist dieses Kaliber aus einer anderen Zeit, was man anhand des kleinen Drückers links neben der Krone erkennen kann:
Um die Uhr zu stellen musste dieser Drücker betätigt werden, dann wechselte die Krone vom Aufzugs- in den Verstell-Modus. Daran lassen sich heute noch schlecht gemachte Marriage-Uhren erkennen, bei denen unvermittelt ein Drücker aus dem Gehäuse ragt. Dieses Drücker-System wird "à poussette" genannt.
In Sammlerkreisen tauchen ab und an auch von diesen Fingerbrücken-Werken Varianten mit einem modernen vernickelten Finish auf - meistens sind das dann Werke der 7x-Generation (Kal. 73/74, 77). Bei den Kal. 65/66 war mir dagegen bisher nur eine Uhr bekannt - Heiko (C.95) hatte Anfang des Jahres eine solche Kaliber 66 TU vorgestellt:
http://www.iwc.com/forum/en/discussion/43307/?page=1
Doch manchmal hilft der Zufall und so entdeckte ich letzte Woche auch eine "moderne" Kaliber 65 Taschenuhr, die gleich drei Besonderheiten aufweist:
Die Uhr stammt aus einer Sonderserie für den Züricher Juwelier Beyer - der älteste Juwelier der Schweiz (seit 1760) und auch heute noch eine der größten Konzessionäre. Der Laden hat übrigens auch ein eigenes Uhrenmuseum:
Diese TU stammt ungefähr aus den Jahren 1936/37, zu einem Zeitpunkt, als Beyer dem Ende nahe war durch Weltwirtschaftskrise, Währungsverfall und den Wegfall der deutschen Kundschaft. Sie kamen nochmal davon, u.a. auch durch solche Taschenuhren (aus der gleichen Zeit gibt es auch eine Beyer Zürich TU von Patek).
Die zweite Besonderheit fällt sofort ins Auge, wenn man das Gehäuse öffnet: Ein Kaliber 65 in einem absolut perfekten Nickel-Finish mit Genfer Streifen - da musste ich zuschlagen
Die dritte Besonderheit ist mir auch erst später aufgefallen: Es fehlt der Drücker neben der Krone - und die TU lässt sich wie eine normale Armbanduhr durch das Ziehen der Krone verstellen.
Ein Abgleich der Werknummer bestätigt das: Es handelt sich um ein Kaliber aus der allerletzten Produktionscharge von 1930 - und die letzten 2400 Werke wurden nach einer 8jährigen Pause in einer technisch aktualisierten Version hergestellt, als Kaliber 65T - das "T" steht dabei für "tirette", markiert also die Verstellung über das Herausziehen ("tirer") der Krone. Wie viele dieser Werke in einem Nickel-Finish hergestellt wurden, konnte ich nicht feststellen - es dürften nicht allzu viele davon existieren.
Und so hat dann die "moderne" Variante der Taschenuhr, mit der alles begann, den Weg in meine Sammlung gefunden .
Das war jetzt viel Text und Detail-Gewälze - sicher nicht jedermanns Sache . Als Entschädigung dafür gibt es gleich noch ein paar Bilder - und damit sollten dann auch die Lesemuffel etwas anfangen können
Gruß,
Christian