Grundsätzliche Frage zu Radiomirs

  • Hallo Leute,

    Die Radiomir war doch die erste Taucheruhr des Militärs. Aber 100 m Wasserdichte ist doch viel zu wenig zum Tauchen oder?

    Oder waren die Ansprüche was Dichtheit anging damals nicht so hoch oder nicht anders möglich?

    Kann ich mit meiner 992 bedenkenlos im Pool plantschen theoretisch?

    Mfg,

  • Der Bügel war m.W. nur dafür da, um sicherzustellen, dass die Kronen nach dem - auch aus Filmen bekannten - Uhrenvergleich vor dem Einsatz auch wieder verschraubt wurden.

    Denn bei Einsätzen von Kampftauchern war jedem Taucher klar, dass nicht alle sicher wieder zurückkommen würden und daher i.d.R. entsprechende Nervosität vorhanden mit der Konsequenz das eben teilweise vergessen wurde, die Krone zu verschrauben. Dafür wurde dann der Bügel entwickelt.


    Insofern waren es zunächst Luminor, bis dann eben der Bügel kam.

  • Es handelte sich damals um Kampfschwimmer, nicht um Kampftaucher, denn das Tauchen war noch nicht geboren. Panerai griff damals auf die wasserdichten Uhren von Rolex (Gehäuse und Werk) zurück und stattete die Uhren für die italienischen Kampfschwimmer mit Radiomir Leuchtmasse aus. Daher der Name.


    Da es den Begriff „Taucheruhren“ damals noch nicht gab und auch keine Zertifizierung was die Wasserdichte betrifft, kann man nur mutmaßen bis zu welcher Tiefe diese Uhren im Einsatz dem Wasserdruck standgehalten haben und meines Wissens geht man von ca. 30 Metern aus.


    Deine Uhr ist auf 10atm zertifiziert, damit kannst du problemlos Schwimmen. Für das Tauchen werden mindestens 20atm empfohlen.

    Gruß, René



    Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.

    Friedrich Nietzsche

  • Die Uhren waren damals so ziemlich das "bestmögliche" aber eben nicht ausfallsicher. Genau wie ein Panzer einen Getriebeschaden erleiden oder eine Waffe einen Klemmer haben konnte wird auch die eine oder andere Uhr abgesoffen sein aber es werden reichlich Uhren getan haben was sie sollten.

  • Die Angabe in m ist so oder so irreführend, da man eigentlich von bar sprechen muss. Eine Uhr die 100m Wasserdicht ist, taucht keine 100m sondern hält 10bar Wasserdruck aus, den man theoretisch in 100m tiefe hat. Diese 10bar kannst du aber bei einem Köpper ins Wasser um ein vielfaches überschreiten.


    Letztendlich muss man sich mal die Anforderungen der NASA an die Omega Speedmaster durchlesen. Danach war mir eigentlich klar - die Uhr bekommst du nur durch Fehlverhalten kaputt. Meine Speedmaster geht mir duschen und auch schwimmen. :G

  • Die Rolex 3646 war wasserdicht bis zu 30 Meter. Das geht aus einem Brief von 1955 hervor, in welchem Giuseppe Panerai zitiert wird:


    "...ho parlato personalmente col Sig. Panerai e mi ha assicurato che puoi lavorare fino a 30 metri di profondita..."


    Übersetzung: Ich habe persönlich mit Herrn Panerai gesprochen und er hat mir versichert, dass du bis zu 30 Meter Tiefe arbeiten kannst.


    Details hier:

    https://perezcope.com/2019/05/…ervice-invoice-from-1955/



    30 Meter waren für die italienischen Taucher aus dem zweiten Weltkrieg mehr als genug. Diese benutzten nämlich Kreislaufatemgeräte mit purem Sauerstoff. Unterhalb von 12 Metern ist Sauerstoff toxisch und kann zu tödlichen Unfällen führen. Die Italiener bewegten sich entsprechend zwischen 5 und 10 Metern Wassertiefe.


    Es ist vielleicht interessant zu erwähnen, dass das 3646 Gehäuse als es 1940 eingeführt wurde, bereits komplett veraltet war. Es war nämlich baugleich mit dem ersten Oyster Gehäuse aus 1926. Bereits 1932 hatte Rolex ein neues Gehäuse entwickelt, welches dazu noch über richtige Hörner verfügte, die aus dem gleichen Stahlblock gestanzt waren wie das Gehäuse selbst (Rolex Bubbleback). Diese neuen Gehäuse waren wasserdicht bis zu 60 Meter ( 6 ATM). Nachstehend eine italienische Rolex Werbung aus 1939.


    220223-rolex-oyster-ad-1939-italy.jpg



    Hier noch ein weiteres interessantes Detail. Eine Rolex Bubbleback aus Stahl war damals doppelt so teuer wie eine 3646.


    LG, Jose

  • Wie wurde das damals getestet?

    Wie viel hat das mit den heutigen 3ATM gemein?

    Soweit ich weiss hat das damals Giuseppe Panerai persönlich getested indem er in sein Schwerwasserreaktor getaucht ist, den er seit 1949 im Keller hatte um Tritium für Luminor herzustellen :bgdev:


    Aber Spass beiseite, die haben das damals wohl mit handelsüblichen Drucktestgeräten überprüft.


    220225-panerai-testing-water-resistance.jpg




    LG, Jose

  • Anfang des 20. Jahrhunderts, als noch mit Helmen getaucht wurde, gewann man die Erkenntnis, dass Tauchtiefe und Tauchzeit in direktem Zusammenhang mit der Tauchkrankheit/Caissonkrankheit stehen, was zur Entwicklung der ersten Tauchtabellen führte.


    Damit wurde es notwendig, die Zeit unter Wasser abnehmen zu können. Um das zu gewährleisten wurden im inneren des Helms Halterungen für Taschenuhren angebracht, doch bis zu einer Uhr, die man tatsächlich für das Tauchen einsetzen konnte, sollte es noch ein weiter Weg sein.


    Da es damals noch keine zertifizierte Testverfahren gab, bewiesen die Hersteller die Wasserdichte ihrer Uhren wohl in der Praxis. Rolex werbewirksam mit Mercedes Gleitze, was bewies dass die Uhr zumindest zum Schwimmen getragen werden konnte, aber nichts über die tatsächliche (und reproduzierbare) Wasserdichte aussagte.


    Omega lancierte 1932 mit der Marine eine der ersten Uhren, die man zum Tauchen tatsächlich einsetzen konnte, da sie nachweislich einer Tauchtiefe von 14 Metern standhielt. 1937 wurden mit einem solchen Modell sogar stattliche 135 Meter erreicht. Dem Doppelgehäuse mit Handaufzug war ob der Konstruktion jedoch kein nachhaltiger Erfolg beschieden.


    Aus meiner Sicht haben die Hersteller damals ihre Uhren einem mehr oder weniger praxisnahen Test unterzogen und ihnen, soweit sie diesen bestanden, eine entsprechende Wasserdichte bescheinigt. Mehr war es wohl nicht und ob, unter welchen Umständen und wie lange die Uhren dann wirklich einer entsprechender Tiefe standhielten lässt sich heute nur schwer nachvollziehen.

    Gruß, René



    Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.

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