@ Heiko: Ja, die Goldgehäuse sind tatsächlich schlanker, was gerade bei mehrfachen Gehäuseaufarbeitungen zum Problem werden kann - da sieht man doch manchmal schon arg dünne Hörner. Mitte des Jahres tauchte bei eBay auch öfters eine 18k YC I auf, die sogar unterhalb der Hörner "Ösen" angelötet hatte, um die Federstege aufzunehmen.
Das ist auch gleich eine gute Überleitung zum letzten Exemplar dieser Serie (dann ist es überstanden
#5: IWC Yacht Club I Ref. 1811 AD, Stahl, "NOS":
Gerade bei Vintage-Uhren ist ja der Zustand immer ein wichtiges Thema - anders als bei Neuuhren aus dem Laden, gibt es im Gebrauchtmarkt dramatische Unterschiede, wie Gehäuse aussehen, wie gut erhalten Zifferblätter sind oder wie gangfähig ein Werk ist. In Verkaufsanzeigen fliegen dabei oft spannende Begriffe durch die Beschreibungstexte: "wie neu", "neuwertig", "ungetragen", "New old stock" und der gleichen mehr. Nicht immer entspricht dies der Realität und ganz gruselig wird es, wenn Verkäufer scheinbar objektive Zustandsbeschreibungen in Noten gießen: "Zustand 1", "sehr gut", "99%". Da gibt es häufig ein Problem mit der Normierung der jeweiligen Skala - manch ein Händler findet eine Uhr mit gebrochenem Saphir-Inlay in der Lünette "sehr gut", andere ziehen diese Note für erkennbar nachgemalte Zifferblätter. Entsprechend vorsichtig wird man mit der Zeit...
Gerade die Bezeichnung "NOS / New old stock" hat es mir da besonders angetan, übertroffen eigentlich nur noch durch "Über Full Set" (ein Synonym für überzogene Preiserwartungen ). Der Gedanke bei NOS ist ja im engeren Sinne: Ladenneu, nie verkauft, aber lag halt ewig im Regal. Das ist tatsächlich bei Uhren nicht gar so selten, insbesondere wenn die Referenz kein Schnelldreher ist. Ein Uhrmacher einer größeren Kette erzählte mir mal von einer großen Komplikation, die nicht weniger als 12 Jahre im Schaufenster (bzw. Tresor) lag und erst dann einen Käufer fand. Und mir sind auch selbst schon öfters solche Ladenhüter untergekommen, z.B. ein Flieger-Doppelchrono oder eine JLC Master Compressor Memovox, die jeweils mehr als 5 Jahre nach Auslaufen der Produktion noch beim Konzi lagen.
Wenn man jetzt ein paar Jahre zurückgeht, waren diese Probleme oft noch wesentlich dramatischer: Durch den Schwenk hin zur Quarz-Uhr hatten viele Juweliere plötzlich eine Vielzahl an alten mechanischen Referenzen in den Tresoren, die lagen wie Blei. Die meisten haben dann irgendwann in den sauren Apfel gebissen und die Uhren verramscht. Aber es gibt dann doch auch jene, die es einfach aussitzen, manchmal aus Prinzip oder manchmal auch nur, weil sie die Uhr schlicht vergessen haben.
Der Produktionszeitraum der Yacht Club I endete im Modelljahr 1979/80, als die traditionelle Schweizer Uhrenindustrie gerade ihren Tiefpunkt erreicht hatte. Wer sich damals eine 1832 oder eine 1811 in den Laden gelegt hat, muss ganz viel Gottvertrauen gehabt haben. Und das dürfte sich nur selten ausgezahlt haben...
Vor einiger Zeit hatte ich die Gelegenheit eine Yacht Club I zu kaufen, "Zustand NOS". Entsprechend kritisch gestimmt habe ich diese Uhr unter die Lupe genommen - und habe sie am Ende gekauft. Warum? Das lässt sich besser im Bild darstellen :
Die Uhr stammt aus dem letzten Produktionsjahr 1979 und lag danach viele Jahre bei einem Juwelier, bis sie von einem Sammler erlöst wurde - der sie dann auch gleich weggelegt hat. Entsprechend perfekt ist das Gehäuse - Yacht Clubs werden ja mit der Zeit gerne "rundgelutscht", die scharfen Kanten verschwinden, die Schliffe sind oft perdu. Wenn das gut gemacht ist, fällt es gerade dem nicht so geübten Auge gar nicht auf, insbesondere nicht auf qualitativ mäßigen Online-Fotos. Hier aber mal als Benchmark der Original-Zustand:
Gerade an den Hörnern wird oft viel Material abetragen, um Einschläge oder Macken glattzubügeln:
Auch von vorne kann die Uhr überzeugen:
Interessant ist dabei das Datumsfenster - der Rahmen ist nicht aufgesetzt oder gedruckt, sondern sieht "eingestanzt" aus:
Das ist mir sonst noch nicht untergekommen bei einer YC I.
Die Schließe passt natürlich auch:
Wirklich eine schöne Uhr
Da ja heute gerne "verklebte" Uhren weggelegt werden in dunkle Tresore, stellt sich die Frage - lohnt sich das? Bei einer Yacht Club vermutlich nicht. Der Preis lag nicht dramatisch über dem vergleichbarer, aber deutlich getragener Modelle. Am Ende gibt es ja nur einen sehr kleinen Kreis von bekloppten Sammlern, denen so etwas überhaupt wichtig ist.
Die zweite Frage ist: Was macht man nun mit so einer Uhr? Zumindest kann ich sie nicht mehr als "ungetragen" weiterverkaufen :
Wobei ich gestehen muss, dass ich diese Uhr wirklich nur ganz selten und überaus vorsichtig am Arm habe. Bei so einem Exemplar will ich dann auch nicht der Erste sein, der eine Macke reinhaut ...
Soweit mein etwas längerer Exkurs zum Thema "IWC Yacht Club I". Das ist jetzt natürlich nicht in allen Details für jeden ganz so spannend. Aber in den langen Jahren meiner Uhrenleidenschaft habe ich immer wieder die Erfahrung gemacht, dass man viele Modelle nicht kennt oder nicht gut einschätzen kann. Dann geht der erste Weg ins Netz und man sucht in den einschlägigen Foren und Blogs nach Rat und Informationen. Gerade bei IWC gibt es da ja so einige extrem umfassende und hilfreiche Quellen - mein Lieblingsbeispiel ist dabei die Ingenieur-Seite von Larry Seiden, Marco Schönenberger and David Ter Molen ( http://www.frizzellweb.com/larry/ingenieur/ ), aber auch Heiko hat schon viele spannende Übersichten für Interessierte zusammengestellt.
Und vielleicht guckt ja hier auch ab und an mal jemand rein, der gerade eine Yacht Club kaufen möchte und sich nicht sicher ist, ob bei der Uhr alles passt
Gruß,
Christian