Die IWC Yacht Club I - Eine kleine Sammler-Historie

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    @ Heiko: Ja, die Goldgehäuse sind tatsächlich schlanker, was gerade bei mehrfachen Gehäuseaufarbeitungen zum Problem werden kann - da sieht man doch manchmal schon arg dünne Hörner. Mitte des Jahres tauchte bei eBay auch öfters eine 18k YC I auf, die sogar unterhalb der Hörner "Ösen" angelötet hatte, um die Federstege aufzunehmen.


    Das ist auch gleich eine gute Überleitung zum letzten Exemplar dieser Serie (dann ist es überstanden ;) :(


    #5: IWC Yacht Club I Ref. 1811 AD, Stahl, "NOS":


    Gerade bei Vintage-Uhren ist ja der Zustand immer ein wichtiges Thema - anders als bei Neuuhren aus dem Laden, gibt es im Gebrauchtmarkt dramatische Unterschiede, wie Gehäuse aussehen, wie gut erhalten Zifferblätter sind oder wie gangfähig ein Werk ist. In Verkaufsanzeigen fliegen dabei oft spannende Begriffe durch die Beschreibungstexte: "wie neu", "neuwertig", "ungetragen", "New old stock" und der gleichen mehr. Nicht immer entspricht dies der Realität und ganz gruselig wird es, wenn Verkäufer scheinbar objektive Zustandsbeschreibungen in Noten gießen: "Zustand 1", "sehr gut", "99%". Da gibt es häufig ein Problem mit der Normierung der jeweiligen Skala - manch ein Händler findet eine Uhr mit gebrochenem Saphir-Inlay in der Lünette "sehr gut", andere ziehen diese Note für erkennbar nachgemalte Zifferblätter. Entsprechend vorsichtig wird man mit der Zeit... :lupe:


    Gerade die Bezeichnung "NOS / New old stock" hat es mir da besonders angetan, übertroffen eigentlich nur noch durch "Über Full Set" (ein Synonym für überzogene Preiserwartungen :bgdev: ). Der Gedanke bei NOS ist ja im engeren Sinne: Ladenneu, nie verkauft, aber lag halt ewig im Regal. Das ist tatsächlich bei Uhren nicht gar so selten, insbesondere wenn die Referenz kein Schnelldreher ist. Ein Uhrmacher einer größeren Kette erzählte mir mal von einer großen Komplikation, die nicht weniger als 12 Jahre im Schaufenster (bzw. Tresor) lag und erst dann einen Käufer fand. Und mir sind auch selbst schon öfters solche Ladenhüter untergekommen, z.B. ein Flieger-Doppelchrono oder eine JLC Master Compressor Memovox, die jeweils mehr als 5 Jahre nach Auslaufen der Produktion noch beim Konzi lagen.


    Wenn man jetzt ein paar Jahre zurückgeht, waren diese Probleme oft noch wesentlich dramatischer: Durch den Schwenk hin zur Quarz-Uhr hatten viele Juweliere plötzlich eine Vielzahl an alten mechanischen Referenzen in den Tresoren, die lagen wie Blei. Die meisten haben dann irgendwann in den sauren Apfel gebissen und die Uhren verramscht. Aber es gibt dann doch auch jene, die es einfach aussitzen, manchmal aus Prinzip oder manchmal auch nur, weil sie die Uhr schlicht vergessen haben.


    Der Produktionszeitraum der Yacht Club I endete im Modelljahr 1979/80, als die traditionelle Schweizer Uhrenindustrie gerade ihren Tiefpunkt erreicht hatte. Wer sich damals eine 1832 oder eine 1811 in den Laden gelegt hat, muss ganz viel Gottvertrauen gehabt haben. Und das dürfte sich nur selten ausgezahlt haben...


    Vor einiger Zeit hatte ich die Gelegenheit eine Yacht Club I zu kaufen, "Zustand NOS". Entsprechend kritisch gestimmt habe ich diese Uhr unter die Lupe genommen - und habe sie am Ende gekauft. Warum? Das lässt sich besser im Bild darstellen :G :


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    Die Uhr stammt aus dem letzten Produktionsjahr 1979 und lag danach viele Jahre bei einem Juwelier, bis sie von einem Sammler erlöst wurde - der sie dann auch gleich weggelegt hat. Entsprechend perfekt ist das Gehäuse - Yacht Clubs werden ja mit der Zeit gerne "rundgelutscht", die scharfen Kanten verschwinden, die Schliffe sind oft perdu. Wenn das gut gemacht ist, fällt es gerade dem nicht so geübten Auge gar nicht auf, insbesondere nicht auf qualitativ mäßigen Online-Fotos. Hier aber mal als Benchmark der Original-Zustand:


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    Gerade an den Hörnern wird oft viel Material abetragen, um Einschläge oder Macken glattzubügeln:


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    Auch von vorne kann die Uhr überzeugen:


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    Interessant ist dabei das Datumsfenster - der Rahmen ist nicht aufgesetzt oder gedruckt, sondern sieht "eingestanzt" aus:


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    Das ist mir sonst noch nicht untergekommen bei einer YC I.


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    Die Schließe passt natürlich auch:


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    Wirklich eine schöne Uhr :jump:


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    Da ja heute gerne "verklebte" Uhren weggelegt werden in dunkle Tresore, stellt sich die Frage - lohnt sich das? Bei einer Yacht Club vermutlich nicht. Der Preis lag nicht dramatisch über dem vergleichbarer, aber deutlich getragener Modelle. Am Ende gibt es ja nur einen sehr kleinen Kreis von bekloppten Sammlern, denen so etwas überhaupt wichtig ist.


    Die zweite Frage ist: Was macht man nun mit so einer Uhr? Zumindest kann ich sie nicht mehr als "ungetragen" weiterverkaufen :G :


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    Wobei ich gestehen muss, dass ich diese Uhr wirklich nur ganz selten und überaus vorsichtig am Arm habe. Bei so einem Exemplar will ich dann auch nicht der Erste sein, der eine Macke reinhaut :eek: ...


    Soweit mein etwas längerer Exkurs zum Thema "IWC Yacht Club I". Das ist jetzt natürlich nicht in allen Details für jeden ganz so spannend. Aber in den langen Jahren meiner Uhrenleidenschaft habe ich immer wieder die Erfahrung gemacht, dass man viele Modelle nicht kennt oder nicht gut einschätzen kann. Dann geht der erste Weg ins Netz und man sucht in den einschlägigen Foren und Blogs nach Rat und Informationen. Gerade bei IWC gibt es da ja so einige extrem umfassende und hilfreiche Quellen - mein Lieblingsbeispiel ist dabei die Ingenieur-Seite von Larry Seiden, Marco Schönenberger and David Ter Molen ( http://www.frizzellweb.com/larry/ingenieur/ ), aber auch Heiko hat schon viele spannende Übersichten für Interessierte zusammengestellt.


    Und vielleicht guckt ja hier auch ab und an mal jemand rein, der gerade eine Yacht Club kaufen möchte und sich nicht sicher ist, ob bei der Uhr alles passt :wink:


    Gruß,

    Christian

    • Offizieller Beitrag

    Hat etwas gedauert, aber nun ist auch hier endlich Zeit für ein kleines Update - eine habe ich noch ;) ...


    #6: IWC Yacht Club I Ref. 1811 AD, 18k Weißgold, ZB silber:


    Wenn die Sammlung etwas angewachsen ist, wird es umso schwerer, noch neue Uhren zu finden, die die wenigen Lücken füllen können. Wer sich die vorherigen Teile angetan hat, bemerkt beim kritischen Lesen: Für "echtes" Gold hat es bisher nicht gereicht, es fehlt also noch eine klassische 18k Version.


    1811DealersBook.jpg


    Hierfür gibt es verschiedene Optionen: Die voll häufigste Variante ist 18k Gelbgold am Lederband - so eine Uhr stand auch im Fokus, aber bisher passte immer irgendetwas nicht. Die goldenen Modelle sind oft tot poliert und/oder preislich ziemlich abgehoben, dazu kommen Probleme im Detail. Zum Beispiel wird hier oft ein Service-Blatt verbaut, bei dem das Logo nur gedruckt und nicht appliziert ist. Oder bei einem anderen Kandidaten vor wenigen Wochen passte das Zeigerspiel gar nicht zur Uhr - was ich glücklicherweise noch rechtzeitig bemerkt hatte. Also nicht so einfach.


    Das gilt auch für die zweite Option, die Ref. 9205, also eine 18k Yacht Club mit einem massiven Goldband. Diese Uhren haben schon einen ziemlichen Rolex Datejust Vibe, aber komplett Gelbgold hat auch etwas, vielleicht gerade weil es aktuell so gar nicht Mode ist. Preislich sind diese Uhren oft gar nicht so verkehrt angesichts des Goldwertes. Aber leider sind die Bänder und noch öfter die (etwas sensiblen) Schließen in einem miesen Zustand - und das wird dann schnell teuer.


    Bleibt die dritte Option: Weißgold. Diese Uhren sind deutlich seltener als Gelbgold und wenn man sie findet, dann meist in der "Scheich-Version" - also 18k Gehäuse mit 18k Band und einem blauen Zifferblatt mit Brillanten-Indices. Dieses Modell war Anfang/Mitte der 1970er Jahre eine der teuersten IWC-Herrenuhren: Z.B. 1973 kostete diese Uhr 7.120 DM (zum Vergleich: Edelstahl/Kroko lag bei 720 DM, Stahl/Stahl bei 855 DM). Nur die Ur-Da Vinci mit ihrem brachialen Edelmetallband war teurer - satte 10.650 DM in Weißgold und unfassbare 46.250 DM in Platin. Tja, Quarz kostete damals noch extra...





    Die blauen Brilli-Blätter fanden nicht selten den Weg nach Arabien, deshalb gibt es die goldenen Yacht Clubs auch immer mal wieder mit Wappen und Insignien der lokalen Herrscherhäuser.


    Eine schöne WG-Version ist heute extrem selten und dann auch sehr teuer. Noch seltener ist dagegen die "einfache" Variante am Krokoband, von der offenbar gar nicht so viele gebaut wurden. Optisch sind diese Uhren von den Stahlmodellen kaum zu unterscheiden. Deshalb hätte ich meinen neuesten Zugang auch fast übersehen - denn auf den ersten Blick wirkte es nur wie eine überteuerte Stahl Yacht Club.



    Aber, Details machen den Unterschied :lupe:



    Die Kombination von Weißgold und silbernen Zifferblatt ist äußert selten, die findet sich nicht mal in den Katalogfotos über die vielen Jahre der Bauzeit. Es gab sie aber lange parallel zum mitternachtsblauen Blatt - diese Uhr hatte zur 18k Gelbgold-Version nochmal einen satten Aufpreis (1973 waren das 2.210 vs. 2.000 Euro).



    Meine Uhr wurde noch vor der Krise 1971 produziert, kam aber erst 1974 in den Verkauf - als das Elend schon seinen Gang nahm. Damals kam ja einiges zusammen, neben der Quarz-Technologie wurde die Uhrenbranche insbesondere durch den Zusammenbruch des Wechselkurssystems von Bretton Woods erschüttert, der zu massiven Sprüngen beim Franken- und Gold-Kurs führte. Das hatte ich hier mal näher beschrieben:


    Neues zur IWC-Unternehmensgeschichte: Warum die Quarzkrise keine Quarzkrise war


    Indizien für das damalige Chaos finden sich auch in der Preissetzung: Von 2.210 DM 1973 stieg der Preis der WG 1811 auf satte 3.700 Euro im Jahr 1975 (ein Plus von 67% :eek: ), nur um dann bis 1977 wieder auf 3.275 DM zu sinken. Wilde Zeiten und vielleicht ein Indikator dafür, was wir noch demnächst erleben können :lupe:


    Umso schöner, dass es diese Uhr heil bis heute überlebt hat - natürlich wieder komplett mit Original-Band und -Schließe (die sind sonst teuer...), eine Box war auch mit dabei.




    Nach so viel Text wird es wieder Zeit für Bilder :G:






    So scharfe Kanten sind gerade bei den goldenen Yacht Clubs inzwischen leider nur noch selten zu finden :lupe:







    Man kann auf den Fotos erkennen, dass das silberne Zifferblatt schon etwas Patina hat und leicht in Richtung Champagner geht - sieht live aber sehr schön aus. Das Glas hat in den Jahren schon deutlich gelitten, ist aber noch das originale Plexi. Auch die Tritium-Zeiger und Dots sind noch original und vollständig.


    Soweit dieses kleine Update. Mal gucken, ob und wann da noch was kommt... :wech:


    Gruß,

    Christian

  • Nachdem ich schon im Nachbarforum gefragt habe, bin ich grade auf diesen tollen Thread gestoßen, erstmal DANKE für den tollen und informativen Inhalt.



    Ich hätte da eine ganz konkrete Frage an die hier versammelten Experten:


    Ich habe eine Yacht Club Ref 911 A in sehr schönem Zustand für einen verhältnismäßig geringen Preis gekauft. Ähnlich der hier von Christian vorgestellten, nur ohne Datum.

    Eigentlich sollte das Gehäuse aus massivem 14k Gold, der Boden aus Stahl bestehen.

    Komischerweise kann ich an dem Gehäuse keine einzige Punze entdecken.


    Ist das richtig so, dass das Gehäuse der 585er Yacht Club keine Punze trägt?



    Gruß,



    Timo

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Timo,


    ja, meines Wissens haben die Ref. 911 keine Punzen außen am Gehäuse. Bei den 18k Modellen gibt es da ja verschiedene Positionen (z.B. unter/zwischen den Hörnern, an der 9 Uhr Seite), die gibt es bei den 14k Modellen nicht. Übrigens hatte meine Ingenieur 766 auch keine Punzen, das scheint sich also bei dieser Bauform durchzuziehen.


    Ich habe allerdings nie Innen nachgeschaut, ob sich da Punzen am Gehäusemittelteil befinden (im Deckel natürlich nicht).


    Gruß,

    Christian

  • Danke Christian das ist wirklich interessant, erklärt es doch auch in gewisser Weise die recht niedrigen Preise, welche für die 14k Modelle gezahlt werden.


    Unser Uhrmacher vor Ort (IWC zertifiziert) meint übrigens, es sei vergoldet. - Ich glaube an diese These nicht!

    Ich werde zur der Uhr natürlich auch noch einen Stammbuchauszug bestellen, mal sehen, was IWC selbst sagt.

    Vielleicht hat ja noch jemand einen alten Katalog oder ein Preisliste?



    Gruß,



    Timo

    • Offizieller Beitrag

    Guck mal oben in den Beiträgen, da siehst Du z.B. einen Auszug aus der Preisliste von 1973, der explizit 14k Gold mit Stahlboden erwähnt (Beitrag #21). ich habe noch 2-3 mehr solche Preislisten und Kataloge, wo das ebenfalls aufgeführt wird (auch für die Ingenieur 766). Und in den Garantieunterlagen von meiner Uhr ist auch explizit 14k Gold / Stahlboden eingetragen.


    Aber das ist tatsächlich ein Problem beim (Ver-)Kauf dieser Uhren, dass Händler grundsätzlich nur von einer Vergoldung ausgehen - würde ich auch machen, wenn ich mir nicht sicher wäre. Am Ende sind diese Modell natürlich auch ein wenig als "Sparbrötchen" positioniert gewesen, insofern sind die Abschläge nicht ungewöhnlich (hat man ja z.B. bei bi-color Uhren auch oft). Wobei mir der 14k Farbton fast besser gefällt (da nicht so hart) verglichen mit den 18k Gelbgold-Modellen.


    Gruß,

    Christian

  • Ich würde gerne persönlich mit dem Thema Yacht Club "weiter machen". Diese Uhr fasziniert mich nachdem ich sie angefasst und hinein gesehen habe wie schon lange keine andere Uhr mehr. Ich hoffe, es ist okay, wenn ich diesen wirklich tollen Faden dazu verwende. - Wenn nicht: Liebe Moderatoren, bitte löschen!


    Zuerst möchte ich auch hier ein paar Fotos der Uhr (REF. 911a)zeigen:





    Zuerst ist mir aufgefallen, dass es abgesehen von der Farbe der Zifferblätter auch weitere Unterschiede in der Gestaltung gibt. Während Christian hier sehr schöne Fotos von Blättern mit Sonnenschliff gezeigt hat, hat meine Uhr einen Strichschliff und da ist noch die Minuterie, die meisten Yacht Club Modelle haben hier runde Punkte, meine und andere der Ref 911a, welche ich im Netz gefunden habe, haben strich-förmige Indizes.

    Ist das ein typisches Merkmal der Ref. 911a (ohne Datum)?


    Dann ist da die Werkhalterung, ich habe auf verschiedenen Fotos mindestens zwei Versionen entdeckt, die eine gibt optisch etwas mehr vom Werk frei. Gibt es hier einen Rückschluss auf frühere oder spätere Modelle?


    Schließlich das Werk selbst, manche Modelle haben einen gravierten Vermerk bezüglich der Regulierung in verschiedenen Positionen, andere hingegen nicht. Ist das Zufall, liegt es nur daran, dass der Rotor oder der Haltering die Schrift verdecken oder wurde tatsächlich je nach Referenz oder Bauzeitraum anders verfahren?


    Und noch etwas ist mir aufgefallen, die Deckel sind sehr unterschiedlich graviert, ist das innerhalb einer Referenz immer gleich?


    Was genau charakterisierte eine Referenz bei IWC in dieser Zeit eigentlich, Gehäuse-Typ und Werk?


    Ich freue mich auf qualifizierte Antworten und wünsche euch einen schönen Sonntag!


    Gruß,


    Timo

    • Offizieller Beitrag

    @ Timo: Die Zifferblätter gibt es in der Tat in unterschiedlichen Varianten und ich bisher auch noch keine abschließende Meinung, was man daraus ableiten kann.


    Grundsätzlich ist es so, dass die Zifferblätter von Zulieferern stammen und nicht inhouse gebaut wurden - das war damals üblich und ist es heute bis auf wenige Ausnahmen auch noch (z.B. Rolex hat seinen Zulieferer gekauft, GO hat eine Schwesterfirma in Pforzheim). Es konnte deshalb durchaus vorkommen, dass innerhalb der Bauzeit einer Uhr der Hersteller gewechselt hat und damit auch Details bei der Herstellung - da ja weder Werkzeuge noch Pläne 1:1 übernommen wurden. Ich würde auch denken, dass gerade kleine Abweichungen einfach egal waren - auch heute noch sieht man ja solche kleinen Abweichungen zwischen Modelljahren.


    Strichschliff vs. Sonnenschliff ist natürlich schon eine deutliche Abweichung, das könnte z.B. ein Hinweis auf Kostenerwägungen sein. Bei den Ingenieuren der gleichen Ära (Ref. 866) ist das gesuchteste Blatt ja die "Sigma/Aprior"-Version mit der besonderen Oberflächenstruktur, das aber auch nur einen Bruchteil der Produktion ausmacht.


    Bei der YC I ist es nach meiner Beobachtung so, dass es die Strichschliffblätter in allen Varianten gibt - silber/blau/gold, mit oder ohne Datum. Gefühlt würde ich auch denken, dass eher späte Exemplare diese Blätter haben.


    Dann gibt es noch Service-Dials, die in jüngeren Jahren getauscht wurden. Da gibt es auch Abweichungen zu den Originalen, neben dem Wechsel von Tritium auf SL. Z.B. gab es Tauschblätter in Gold lange Zeit nur mit einem aufgedruckten Logo, nicht mit dem applizierten Logo, zudem fehlt der Rahmen um das Datum:


    Das wurde vermutlich einfach aus Kostengründen zu gemacht - sieht aber leider suboptimal aus...


    Die Gravuren der Werke sind dagegen meist der Zeit geschuldet, da ging gerade in der Krise ab 1974 so einiges durcheinander. Das sieht man auch an den Deckeln, bei denen die Referenznummer oft nicht zum tatsächlichen Modell passt - z.B. A (ohne Datum) vs. AD (mit Datum) ist eher zufällig. Bei den Taschenuhren ist das ähnlich, da variieren die Gravuren mit jedem Produktionslos, meist ohne dass es tatsächliche technische Abweichungen gibt.


    Viele dieser kleinen Details haben damals vermutlich niemanden groß gekümmert, die Prozesse waren auch wesentlich weniger professionell als heute.


    Gruß,

    Christian

  • Zunächst vielen Dank für diese tollen Beiträge, die mir letztlich sehr beim Kauf meiner Yacht Club geholfen haben! In dem Zusammenhang aber auch gleich eine Frage an den Experten: Ich habe sehr schmale Handgelenke: Gibt es eine Möglichkeit, beim 13er Armband einzelne Glieder herausnehmen zu lassen?

    Beste Grüße
    Torben

    • Offizieller Beitrag

    In den Ferien war mal wieder etwas Zeit, deshalb gibt es auch hier ein Update - da fehlen ja noch welche ;) ...


    #7: IWC Yacht Club I Ref. 2611 Handaufzug, Edelstahl, ZB silber:


    Nachdem wir schon das seltenste Blatt und das seltenste Gehäusematerial hatten, kommen wir jetzt zu den wirklich raren Kalibern (zumindest in der Yacht Club). Eigentlich ist die Yacht Club eine klassische Automatik-Uhr ihrer Zeit und IWC hatte mit dem Kal. 8541B ja ein passendes Werk zur Hand, das sich über Jahrzehnte bewährt hatte und immer wieder modernisiert worden war.


    Handaufzugkaliber fanden sich in den 70er Jahren eigentlich nur noch in sehr klassischen Uhren, meist flache Dress Watches oder Modelle mit großen Komplikationen. Trotzdem gab es auch die Yacht Club I in einer Handaufzug-Variante, die sich optisch allein durch das fehlende "Automatic" auf dem Zifferblatt unterscheidet (wobei es in frühen Varianten auch einen anderen Satz Zeiger gab).



    2611_1-80_zps9nnkahf9.jpg


    Als Werk wurde die (neben dem ersten IWC-Automatik-Kaliber 85xx) zweite große Schöpfung des legendären Albert Pellaton verwendet - das Kaliber 89. Auch wenn das sehr elegant und fein gestaltet ist, hatte es durchaus eine lange Historie im eher robusten Einsatz, vor allem natürlich in der Mark 11, die damals ja auch noch gebaut wurde.


    Ich habe dieses Werk in verschiedenen Uhren und teile die Ansicht, dass das eines der besten (vielleicht sogar das beste) Kaliber der IWC-Geschichte ist - und zwar technisch wie optisch. Das Brücken-Layout knüpft an die letzte Taschenuhr-Generation an und sieht einfach elegant aus.


    Mehr zum Werk findet sich z.B. hier:


    https://quillandpad.com/2018/0…n-history-iwc-caliber-89/


    Meine Uhr stammt aus dem Jahr 1979 und damit aus dem absolut letzten Produktionsjahr der Yacht Club I - und übrigens auch dem letzten Produktionsjahr des Kaliber 89, das in diesem Jahr nach 33 Jahren Bauzeit eingestellt wurde. Leider hat man damals alle Werkzeuge verschrottet, es gab da keinen Charles Vermot in Schaffhausen :( . Aber vielleicht macht es IWC ja mal wie Omega kürzlich beim Kal. 321 und baut das Werk von Grund auf nach - verkaufen würde sich das garantiert...


    Die Handaufzug-Yacht Clubs sind ziemlich selten, irgendwo habe ich mal eine Zahl von angeblich 500 gebauten Exemplaren gehört - keine Ahnung, ob das stimmt, angesichts des heute sehr raren Angebots könnte das aber hinkommen.


    Mein Exemplar hat schon einiges erlebt und ist entsprechend nicht in einem NOS-Zustand - der Charme der Uhr ist trotzdem noch da. Das Werk läuft auch noch sehr vernünftig, was nach über 40 Jahren alles andere als selbstverständlich ist.


    Noch ein Hinweis zu den Fotos: Leider habe ich erst bei den Übersichtsfotos gemerkt, dass da ja 8 Yacht Clubs in der Box sind, ich aber nur von 7 Fotos gemacht habe :rolleyes: . Entsprechend müssen jetzt im Wesentlichen die (sehr schönen) Bilder der damaligen Verkäuferin herhalten - sie wird es mir verzeihen (die Uhr war teuer genug ;) ).








    Und nun noch ein paar Bilder vom Werk:






    Das war die Nummer 7 - jetzt fehlt nur noch eine, dann haben wir es geschafft :G ...


    Gruß,

    Christian

    • Offizieller Beitrag

    ... und wenn ich schon dabei bin, dann geht es hier gleich weiter:


    #8: IWC Yacht Club I Quarz Kal. 2405, Edelstahl, ZB silber:


    Ich hatte ja oben bereits mal eine "Yacht Club" mit einem Stimmgabelwerk vorgestellt und Heiko hatte damals richtig angemerkt, dass es noch eine "echte" Quarz-Version der Yacht Club I gab - wenn auch nur in minimalen Stückzahlen. Mir ist auch noch nicht einmal eine Referenznummer dieser Version bekannt. Heiko hatte natürlich mal eine, aber mir war so ein Exemplar nie untergekommen. Bis vor einiger Zeit ein Angebot bei eBay-Kleinanzeigen auftauchte, das mir ins Auge fiel:




    Treffer :G . Doch beim zweiten Blick kommt dann das große "aber": Wenn die Zeigerstellung einer Quarz-Uhr auf verschiedenen Fotos gleich ist, ist das leider kein gutes Zeichen. Und so kam dann auf Nachfrage auch raus, dass die Uhr nicht lief. Da gibt es dann zwei Szenarien: Im besten Fall ist einfach die Batterie leer - doch die war laut Verkäufer gerade getauscht. Blieb also Szenario 2: Das Werk ist im Eimer... :rolleyes:


    Das ist leider nicht so schön, denn diese Werke können bei IWC nicht mehr revidiert werden, da keine Teile mehr vorhanden sind (gilt übrigens auch für eine 3003). Aber als Sammler muss man auch mal ins Risiko gehen, wobei ich das hier doch gut eingrenzen konnte - der Kaufpreis war im Prinzip durch den Wert des GF-Bandes gedeckt, alles andere war Upside.


    Als ich die Uhr bei mir hatte, bestätigte sich die Befürchtung: Eine ausgelaufene Batterie hatte insbesondere die Elektronik-Baugruppe zerstört :bash: - leider ein häufiges Problem bei solchen Uhren, die irgendwann nicht mehr getragen werden und dann (mit Batterie) in einer Schublade verschwinden. Soll man nicht machen...


    Es musste also Ersatz für die defekten Werkteile her. Und da ist die Lage ziemlich katastrophal - bei IWC ist nichts mehr zu holen, auch bei den Großhändlern keine Chance. Aber: Das Kal. 2405 hat nur ein IWC-Branding, basiert jedoch auf dem ESA/ETA 940.111:



    Und das ist hier ein entscheidender Vorteil, da es von diesem Werk natürlich ungleich mehr Exemplare gab. Leider ist auch für das 940.111 nichts mehr zu bekommen - außer den mechanischen Teilen, die es mit dem Kal. 2892 (Achtung: nicht mit dem 2892A2!) teilt.


    Deshalb blieb nur der letzte Ausweg:



    Eine Spender-Uhr. Nun bin ich nicht der einzige, der für so ein Werk Teile sucht und selbst die schlimmsten IWC 70er-Jahre Gräuslichkeiten mit diesem Kaliber werden noch zu absurden Preisen aufgerufen. Da kam mir dann diese Certina gerade Recht: Sie lief und war sehr günstig, das passte.


    Die nächste Herausforderung war nun, einen kompetenten Uhrmacher zu finden, der sich mit so einem Klöterkram beschäftigen möchte - was zu Lockdown etc. Zeiten nochmal schwieriger war. Glücklicherweise gibt es doch noch freie Uhrmacher mit eigener Werkstatt und Vintage-Kompetenz, sogar bei Quarz. Und so ging die Uhr zu Thor Straten hier in Hamburg (https://www.uhrmacher-thorstraten.de/) mit dem Auftrag: Das alte IWC-Kaliber soweit wie möglich erhalten (insbesondere die Werkplatine mit der Werknummer) und sich für die notwendigen Ersatzteile bei der Certina bedienen.





    Um es abzukürzen: Das hat funktioniert :gut: Das Werk tut es jetzt wieder, wie es soll, und die Uhr ist zum Leben erweckt.


    Und dann gibt es noch so Details, die den Unterschied zwischen Großkonzern und dem Ehrgeiz eines selbständigen Uhrmachers ausmachen, der dann doch mit Herzblut bei der Sache ist. Zum Beispiel waren die Zeiger meiner Uhr irgendwann mal weiß lackiert worden, vermutlich nachdem die Tritium-Leuchtmasse rausgebröselt war.



    Kann man mit leben - muss man aber nicht: Als Teil der Revision hat der Uhrmacher die Farbe entfernt, die Zeiger neu mit (SL) Leuchtmasse ausgelegt und dann die schwarzen Inlay-Flächen neu lackiert :verneig: . Noch ein Beispiel: Das Werk der Yacht Club hat eine Stoßsicherung, kleine Gummi-Puffer rund um den Werkhaltering. Die sind nach so vielen Jahren komplett zerbröselt und eigentlich auch nicht mehr verfügbar. Also hat Herr Thor Straten sie einfach nachgebaut und aus einem neuen Gummiring passend "ausgeschnitzt" :gut:


    Das sind alles so Sachen, die wirklich noch eine Liebe zum Handwerk zeigen, die man heute nicht mehr so oft findet...


    Vom Ergebnis jetzt ein paar Bilder - alle Tragespuren am Gehäuse habe ich bewusst so gelassen und auch das Original-Glas blieb drin. Das ist nämlich bei der Quarz-Version ein Saphirglas (sonst wurde Plexi verbaut), das flach und entspiegelt ist. Die Kratzer auf den Fotos sind dann auch nicht auf dem Blatt, sondern das sind Abnutzungsspuren der Entspiegelungsschicht - die hat doch über die Jahrzehnte etwas gelitten :lupe:








    Hier sieht man nochmal schön die restaurierten Zeiger:



    Das plane Saphirglas gibt der Quarz-Yacht Club ein ganz anderes Profil:




    So, das war die letzte Yacht Club in der Box - zumindest aktuell. Ich bin aber eigentlich auch ganz zufrieden mit dem Stand der Sammlung, einzig eine 18k-Version inkl. Goldband könnte mich vielleicht noch reizen. Aber da kann man auch mal abwarten, bis der Goldpreis wieder etwas niedriger steht ;) ...


    Gruß,

    Christian

  • Sehr interessanter Bericht zu dem YC 1 Quarz Projekt Christian.


    Meine ehemalige Uhr ist es nicht, denn die hatte ein helles ZB.

    Nun ist auch bekannt, dass verschiede ZB verbaut wurden, was ich aufgrund der sehr geringen Stückzahl nicht erwartet habe.


    Hat diese Uhr eine Referenznummer ?


    Viel Spass mit dieser Rarität.


    Beste Grüße


    Heiko

    • Offizieller Beitrag

    :verneig::gut::blume::respekt::jump:


    Christian,

    das ist wieder einmal großes Kino von einer Uhrenvorstellung, mit einem merklich starken hang zum Sammeln

    von besonderen Uhren und sehr gut recherchierten Hintergrund zu den Uhren.

    Hoffentlich fällt der Goldpreis bald, bzw. du findest doch noch mal eine günstige, welche du uns dann auch noch vorstellen kannst. Dann ist deine kleine Sammlung komplett ......


    :grb:

    obwohl, da findet sich dann bestimmt noch eine die dir zusagen könnte ;)

    • Offizieller Beitrag

    So, jetzt nochmal zum Abschluss das Gruppenfoto, auch wenn da mein fotografisches Talent schon an seine Grenzen stößt ;) :







    Gerade für Vintage-Einsteiger kann ich die Yacht Club I sehr empfehlen: Es gibt ein relativ breites Angebot am Markt, so dass man je nach Geldbeutel relativ problemlos gute und tragbare Exemplare finden kann. Diese Uhren sind wesentlich günstiger, meist deutlich besser erhalten und durch den größeren Durchmesser tragbarer als z.B. die Rolex DateJust-Modelle aus der gleichen Zeit - selbst als Uhr zum täglichen Tragen sind die auch heute noch perfekt geeignet, gerade wenn man nicht so riesige Handgelenke hat oder es etwas dezenter mag.


    Preislich kann man für die normalen Stahlmodelle mit Datum ca. 1.500 Euro als Ankerpreis nehmen und dann je nach Zustand und Band Zu- und Abschläge einpreisen. Die 18k Modelle fangen bei ca. 2.500 Euro an, preislich enden die Yacht Club I bei ca. 15.000 Euro (Weißgold mit Vollgoldband und Brilli-Zifferblatt). Große Bewegungen bei den Preisen habe ich in den letzten Jahren nicht beobachtet, nur die Goldbänder sind durch den gestiegenen Goldpreis natürlich deutlich teurer geworden. Andersherum verliert man mit einer guten Yacht Club I auch kein Geld, wenn man sie dann mal nach Jahren wieder abgibt - da kann man also nicht viel falsch machen ;) ...


    Gruß,

    Christian