Liebe Uhrenfreunde,
wann ist man ein "Uhrensammler"? Diese Frage wird ja öfters mal diskutiert in den bekannten Foren, ohne dass man die wirklich eine sinnvolle, abschließende Antwort findet - was die Popularität dieser Frage mitbegründet .
Ich habe da natürlich auch keine allgmeingültige Weisheit, aber zumindest aus meiner bisherigen Zeit als Uhrenfreund ein paar Erkenntnisse. Mit der Zeit haben sich so einige Uhren "angesammelt", ganz unterschiedlicher Art und von ganz unterschiedlichen Herstellern. Den Großteil meiner Uhren habe ich nicht als "Sammler" gekauft, sondern als ganz normaler Uhrenträger. Zum Beispiel habe ich eine Fifty Fathoms oder eine GMT IIc - einfach nur weil sie mir gefallen und ich sie gerne trage. Aber beide Uhren sind absolute Standardmodelle, wirklich ohne jede Besonderheit im Sinne von Seltenheit. Also keine Sonderserie, keine Limitierung, keine flache Vier oder dicke Null, keine Frankfurt-Bayern 5:1 Gravur, nichts. Tolle Uhren, aber aus "Sammlersicht" nicht wirklich spannend (zumindest noch nicht).
Dann gibt es aber auch Gebiete, wo es mir nicht einfach um die Uhr an sich geht, sonderen um spezielle Rahmendaten, Besonderheiten, wirklich seltene Geschichten. Zum Beispiel habe ich ein Interesse an modernen IWC Frackuhren mit den Brückenwerken, also Kal. 95/97/98 und deren Variationen. Da gibt es auch ganz "profane" Standardware (die auch in eine Sammlung gehört), aber der Fokus liegt doch auf den seltenen Sachen, die (fast) niemand sonst hat oder kennt. Das können Zifferblattversionen sein, Besonderheiten des Werkes, auch nach Jahrzehnten noch komplette Sets oder personalisierte Einzelstücke.
Warum solche Frackuhren? Zum einen, weil sie mir optisch und technisch sehr gefallen. Aber auch - und jetzt kommt das "Sammeln" ins Spiel - weil es ausreichend viele gibt, so dass man dran kommt, ausreichend viele Variationen in kleinen Stückzahlen gibt, so dass es etwas besonderes ist, und weil diese Uhren nicht mehr gebaut werden, man also ein abgeschlossenes Gebiet hat. Dazu kommt dann noch etwas Praktisches: Diese Uhren sind - zumindest im Vergleich mit modernen Armbanduhren - nicht übermäßig teuer. Entsprechend muss man nicht für jeden Neuzugang eine Hypothek aufnehmen und selbst wenn man irgendwann 10 Stück herumliegen hat, bindet das weniger Geld als ein Stahl-Sporty. Der niedrige Preis dieser Uhren weist aber auf einen Nachteil hin: Das Interesse und damit die Nachfrage nach solchen Uhren ist sehr überschaubar - so richtig auftrumpfen kann man mit so einer "Sammlung" also nicht und als Geldanlage (zumindest mit einer Renditeerwartung) taugt das auch nicht. Man sammelt da also mehr still vor sich hin für die eigene Befriedigung.
Nun sind ja Taschenuhren zwar technisch sehr schön, aber in der Realität dann doch mehr etwas für die Vitrine (oder am Ende das Schließfach). Wirklich tragen tut man die nicht und auch die Schreibtische und Regale sind irgendwann ausreichend bestückt.
Da gibt es einen Ausweg: Man muss nochmal auf ein anderes Feld schauen im Bereich der Armbanduhren. Nun bin ich ein wenig auf die Marke IWC festgelegt im "Sammlerbereich", da das der einzige Bereich ist, wo ich mir ein wenig Wissen angeeignet habe. Zum Beispiel bei Rolex, Heuer oder Omega wäre ich im Vintage-Bereich komplett verloren - und das ist angesichts der heutigen Preise und Qualitätsunterschiede bei Vintageuhren keine gute Idee (da zahlt man ganz viel Lehrgeld). Was wäre also ein passendes Feld bei den IWC Armbanduhren?
Ich bin irgendwann bei den IWC Yacht Club I hängengeblieben. Das war anfangs mehr Zufall, weil die erste Vintage-IWC-Armbanduhr eine solche IWC Yacht Club I war - und zwar diese hier:
Eine Super-Uhr, die vorher eine Revision bei Westermann am Bodensee hatte, der damals der Yacht Club-Experte war. Hier hatte ich die Uhr vor einiger Zeit vorgestellt:
Auch die erste "besondere" Armbanduhr war eine solche YC I (dazu später mehr) und so nahm das Schicksal seinen Lauf...
Warum eignet sich die YC I für einen "Sammler"? Zunächst einmal, weil es eine wirklich gute Uhr ist - heute noch tragbare Größe, zeitloses Zifferblatt, sehr robust (das Werk ist mit kleinen Kunststoff-Puffern federnd gelagert), hochwertiges Inhouse-Kaliber, stabile Bänder von Gay Freres, die auch die Oyster-Bänder gebaut haben und später von Rolex übernommen wurden. Dann ist diese Uhr sehr gut am Markt verfügbar, da sie zu den erfolgreichsten Referenzen der IWC-Geschichte gehört. In der Bauzeit von 1967 bis ca. 1979/80 dürften deutlich fünfstellige Stückzahlen produziert worden sein, vor dem Beginn der Uhrenkrise in 1974 war die Yacht Club I wohl das meistverkaufte IWC Modell. Durch dieses große Angebot sind die heutigen Preise auch noch vergleichsweise günstig und es ist auch keine signifikante Aufwärtsbewegung zu erkennen. Trotz der Stückzahlen war die YC I aber keine Massenuhr und es gibt eine enorme Bandbreite an Varianten, die teilweise extrem selten sind:
- Werke: Automatik, Handaufzug, Stimmgabel (!), Quarz (?)
- Komplikationen: Mit und ohne Datum
- Gehäuse: Edelstahl, Edelstahl/14k Gelbgold, 18k Gelbgold, 18k Weißgold
- Bänder: Kroko, 2 Stahlbänder, 18k Gelbgold massiv, 18 Weißgold massiv
- Zifferblätter: Sonenschliff / Streifenschliff, mind. 7 Farben (weiß, silber, blau, kupfer, anthrazit, gold, champagner), Sonderversionen mit Steinbesatz, Wappendrucken oder Cloisonné-Motiven, mindestens zwei Generationen (Logo appliziert / Logo gedruckt, Datumsrahmen)
- Zeigerspiel: Originalsatz vs. Service-Satz
Vermutlich habe ich noch Variationen vergessen, aber man erkennt schon: Mit Geduld und Spucke könnte man sich mit diesem Modell eine ganze Weile beschäftigen und relativ große Uhrenkoffer füllen.
Im Folgenden werde ich mal ein paar Beispiele für diese Uhr vorstellen und beschreiben, warum genau dieses Exemplar den Weg zu mir gefunden hat. Erstmal zur Abgrenzung, worum es geht: Ursprünglich waren es die Referenzen 811 A/AD und 911 A/AD, nach der Umstellung auf die vierstellige Referenznummern sind es diese Modelle:
Automatik (Kal. 8541) mit Datum:
Automatik (Kal. 854) ohne Datum:
Handaufzug (Kal. 89) ohne Datum:
Stimmgabelwerk (Kal. 150) mit Datum - aber ohne "Yacht Club"-Aufdruck (dazu später mehr):
Der aufmerksame Leser merkt - es fehlt die Quarz-Version. Die gehört aber zu den Einhörnern der IWC-Vergangenheit - jeder glaubt, dass es sie gibt, so richtig in freier Wildbahn gesehen habe ich die aber noch nicht. Meines Wissens gab es die auch nie als offizielle Referenz.
Aber genug der Einleitung, in loser Folge kommen jetzt die Uhren, um die es eigentlich gehen soll
Gruß,
Christian