Hallo zusammen.
Bin das erste Mal in diesem interessanten Forum und möchte hier meine Meinung zu und meine Erfahrungen mit meiner Lange & Söhne 1815 Automatik zur Diskussion stellen.
Die Firma hat wohl in Fach- wie auch Anwenderkreisen einen ausgezeichneten Leumund. Ob sich dieser jeweils aus eigener Erfahrung rekrutiert, oder die Aussagen einiger „Meinungsbildner“ einfach nur euphorisch kolportiert wurden, sei dahingestellt.
Auch ich bin dem Glanz des Markennamens erlegen und habe mich für o.g. Uhr entschieden, da sie über den ästhetisch herausragenden „Saxomaten“ verfügt, der mich schon in den ersten Veröffentlichungen einer Aquarellskizze faszinierte.
Dass man hiermit kein (abgesehen vom Zero-Reset) wirklich innovatives Produkt erwirbt, sondern eben klassische Uhrmacherkunst, war mir durchaus bewußt.
Das Gehäuse:
Dennoch war ich einigermaßen überrascht ob der Diskrepanz zwischen Gehäuse – und Werkverarbeitung. Während der „Saxomat“ bis in den Mikrobereich feinstbearbeitet ist, erfüllt die (wohl extern gefertigte) Gehäuseschale allenfalls die Qualitätsanforderungen einer Mittelklasseuhr. Auch eine goldene Omega (nota bene: ich möchte hiermit in keinerweise den Wert der Marke in Frage stellen, aber Lange & Söhne bewegt sich doch in einem gänzlich anderen Preisgefüge) bietet hier den gleichen Verarbeitungsstandard. Ein simples dreischaliges Gehäuse mit zwar bündig eingepasstem, allerdings nicht bombiertem Saphirglas (dies hätte zu einer klassischen Uhr optisch und haptisch viel besser gepasst), verschraubtem Gehäuseboden, offensichtlich angelöteten Bandanstößen, die zudem einen zu hohen Anlenkpunkt haben, so dass die Uhr auf dem Handgelenk „reitet“, das enttäuscht sowohl in der Anmutung wie auch im Tragekomfort. Glücklicherweise baut das Gehäuse noch relativ flach.
Die Krone ist leider viel zu klein. Mit kurzen Fingernägeln kann man sie kaum untergreifen, um sie herauszuziehen.
Das Ziffernblatt ist von klassischer Schönheit, die kleine Sekunde bei der 6 entspricht der Gestaltungsdoktrin alter Savonette-Taschenuhren. Das Beste sind sicherlich die äußerst wohlproportionierten Zeiger, die, und dies ist selbst in dieser Preislage nicht selbstverständlich, exakt die richtige Länge haben.
Kommen wir zum Werk:
Es ist geradezu von überbordender barocker Pracht. Es gibt kaum eine Verziertechnik, die hier nicht zur Anwendung gekommen ist, sofern es der Platz auf Brücken, Platinen und Kloben zulässt. Eine Augenweide auch unter Vergrößerung, zweifelsohne. Es fehlen, Gott sei es gedankt, die funktional völlig überflüssigen verschraubten Chatons. Sie hatten hier wohl eh keinen Platz. Allerdings ist das Enchapment recht old fashioned. Hier gibt es sicherlich ambitioniertere Lösungen mit frei schwingender Unruhspirale und einer Unruh mit variablem Trägheitsmoment. Die hier präsentierte klassische Lösung ist wohl der alten Uhrmachertradition geschuldet.
Gleich zu Beginn meiner Liäson mit der Uhr hatte sich leider eine der beiden Werkhalteschrauben gelöst, um sich zwischen Ankerad und Unruhe zu verhaken und so das Werk vollständig zu blockieren. So musste ich wenige Tage nach Inbesitznahme die Uhr einschicken lassen. Nun denn. Kann passieren.
Im weiteren Verlauf sind wir dann doch noch miteinander warm geworden. Allerdings ist mir aufgefallen, dass die Ganggenauigkeit des Werkes, zumindest aber die meines Exemplares, offenbar extrem abhängig ist von der Federspannung. Bei Vollaufzug ergeben sich durchaus zuverlässige Resultate mit gutem mittlerem täglichem Gang. Bei nachlassendem Drehmoment aber finden sich erhebliche Abweichungen sogar in den Minusbereich. So etwas habe ich bei keiner anderen meiner Automatikuhren je erlebt.
Kennt noch jemand dieses Phänomen beim Saxomaten?
Nun hat Lange & Söhne ja bekanntlich ein neues Automatikwerk im Portfolio, das in einigen Punkten erheblich vom Saxomaten, der offenbar nicht mehr angeboten wird, abweicht:
- Zentral –anstelle eines Planetenrotors
- Nur noch vergoldeter Rotor (!?)
- Aufzug in einer Richtung (Wegfall des komplexen Wechselgetriebes)
- Wegfall der einzig sinnvollen Innovation des Saxomaten, nämlich des Zero-Resets.
Schade, schade. Offenbar wurde hier downgesized. Aber warum???
Kostendruck kann ja bei einem so hochpreisigen Produkt nicht im Vordergrund stehen, oder? Ist es womöglich der komplexe und damit etwas kapriziöse Aufbau des Saxomaten, der Lange & Söhne bewogen hat, nunmehr ein konventionelles Automatikwerk einzuschalen??
Wer weiß.....
Fazit: eine im klassischen Sinne schöne Uhr mit einigen Ungereimtheiten. Vor allem die Diskrepanz zwischen Gehäusequalität/ –anmutung und Werkaufwand ist störend, sie macht das Produkt nicht „rund“, abgesehen von einigen konstruktiven Schwächen. Eine hübsche Anzuguhr ist sie allerdings allemal.