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Ich habe schon seit längerer Zeit eine Vorstellung der Journe Resonance versprochen, aber bisher nicht die Zeit gehabt, diese Uhr "gebührend" einzuführen. Das lange Wochenende gibt mir jetzt Gelegenheit dazu. Wie bekannt, bin ich nicht der größte Photograph, und die Uhr benötigt einiges an Hintergrundinformation, um sie wirklich zu verstehen, insofern nun viel Text, wenig Bilder, sorry.
Die Idee der Resonance ist, zwei völlig unabhängige Uhrwerke auf einer Platine zu haben, die jedoch synchron arbeiten, ohne direkt mechanisch miteinander verbunden zu sein. Entsprechend sieht man auf der Werkseite eine fast vollständige Symmetrie von links und rechts. Das Federhaus ist nahe der Zwölf und versorgt beide Seiten, aber es gibt keine mechanische Kopplung. Es fällt aber unmittelbar auf, wie nahe aneinander die beiden Unruhen positioniert sind. Dazu später mehr.
Das linke und das rechte Zifferblatt der Uhr sind (über die Krone bei der Zwölf) unabhängig voneinander einstellbar. Wenn man fertig ist, zieht man die Kroner bei der Vier, die beiden Sekundenzeiger springen auf Zwölf und laufen gemeinsam los, wenn man die Krone wieder loslässt. Den Reiz der Uhr macht aus, dass die beiden Seiten dann tatsächlich perfekt synchron bleiben, bei meiner Uhr im Schnitt vier Wochen lang, wenn man sie solange kontinuierlich trägt, bevor die Sekundenzeiger eine Sekunde auseinander sind. Wenn man die Uhr rasch beschleunigt oder sonstwie stört und dann ans Ohr hält, kann man noch ein paar Schläge lang zwei leicht unterschiedliche Takte hören, bis die Hälften wieder synchronisiert sind und für das Ohr (und auf der Zeitwaage) "wie ein Werk" schlagen. Wie funktioniert das, und was bringt das? Dafür ein kurzer Blick in die Geschichte.
(Quelle: Wikipedia)
Im Winter 1664/65 lag der Physiker und Mathematiker Christiaan Huygens, Erfinder der Pendeluhr und der Unruhspirale, krank im Bett und hatte daher viel Zeit, zwei Pendel zu beobachten, die an der einer Holzlatte an einer Wand seines Zimmers aufgehängt waren. Er bemerkte, dass, egal wie unterschiedlich die Phasen der Bewegung auch anfangs sein mochten, die beiden Pendel nach einiger Zeit immer perfekt in Antiphase (aufeinander zu oder voneinander weg) waren und blieben. Zuerst nahm er an, dass Luftbewegungen von einem zum anderen Pendel die Ursache sein könnten, nach entsprechenden Experimenten kam er aber zu dem Schluss, dass mechanische Kopplung, durch Vibrationen und Verschiebungen, in der Holzlatte die Pendel synchronisierte. Sofort sah er das Potential dieser Beobachtung für die Zeitmessung: wenn die beiden Pendel sich gegenseitig stabilisierten, sollten Sie damit weniger anfällig gegen äußere Störungen und damit genauer gehen. Entsprechend schrieb er am 27. Februar 1665 einen Brief an die Royal Society über seine Beobachtung, betitelt "On an odd kind of sympathy" [Eine merkwürdige Form von Sympathie]. Die Royal Society war nicht seiner Ansicht, denn wie stabil konnten diese Uhren schon sein, wenn solch geringe Veränderungen wie die von Huygens postulierten den Gang verändern? "Occasion was taken here by some of the members to doubt the exactness of the motion of these watches at sea, since so slight and almost insensible motion was able to cause an alteration in their going." Huygens verfolgte die Idee nicht weiter. Das geschah um 1780 durch die beiden großen französischen Uhrmacher Antide Janvier und, etwas später, Abraham-Louis Breguet, die erstmals Stehuhren mit zwei Pendeln in einem Gehäuse bauten, die ebenfalls antiparallel, und sehr genau, gingen. Breguet stellte auch Taschenuhren mit zwei Unruhen her. Im 20. Jahrhundert machte sich nun der französische Uhrmacher Francois-Paul Journe daran, diese Idee für eine Armbanduhr umzusetzen, nachdem er 1983 schon eine Taschenuhr mit diesem Prinzip gebaut hatte. Daraus wurde die Resonance, die er 1999 auf der Baselworld vorstellte (und 2001 zusammen mit Harry Winston in der "Opus One"-Uhr). Vielleicht ist es Zeit, sich nun eine kurze Computeranimation der Resonance anzusehen:
Ab 1:25 kann man gut sehen, wie die linke und rechte Unruhe in Antiphase synchron oszillieren.
Wie funktioniert diese Kopplung der beiden Uhrenhälften bei dieser Uhr? Wie bei den Doppelpendeln handelt es sich um "gekoppelte Oszillatoren". Eine inzwischen gut ausgebaute mathematische Theorie zeigt, dass bei in sehr ähnlichen Frequenzen schwingenden Oszillatoren (und dabei handelt es sich bei diesen beiden sehr genau einregulierten Unruhen ja) schon minimale Kräfte austauschen, um sie zu synchronisieren. Ein eindrucksvolles Beispiel sind diese Metronome, die allein dadurch synchronisiert werden, dass man sie auf ein gemeinsames Brett stellt:
Es handelt sich dabei um ein sehr weitreichendes physikalisches Prinzip, das in vielen Geräten, beispielsweise Magnetresonanztomographen oder Lasern, oder in der Biologie, besonders auch im Gehirn, wichtig ist.
Mehr Hintergrund zur Physik: http://www.math.pitt.edu/~bard…rs/wiesenfeld-huygens.pdf
Welcher Art sind die Kräfte in Journes Resonance? Darüber wird heftig gestritten und Journe hat sich dazu nicht geäußert. Prinzipiell kämen sowohl Vibrationen in der Platine als auch der Luftzug nahe der Unruhe in Frage. Ich selber glaube, dass die Luftströmung wichtig ist, weil die Unruhen so extrem nahe aneinander platziert sind. Angeblich hat einmal jemand eine Resonance im Vakuum betrieben und die Synchronisierung verschwand, wenn das stimmt, würde es dafür sprechen.
Wofür ist der synchronisierte Zustand gut? Nun, wie von Huygens schon argumentiert, ist es tatsächlich so, dass viele Beschleunigungen und Störungen, denen eine Uhr am Arm ausgesetzt ist, auf die antiparallel schwingenden Unruhen entgegengesetzte Auswirkungen haben. Die Synchronisation führt dann dazu, dass diese Auslenkungen schneller und stabiler wieder in den Ursprungszustand zurückgeführt werden, die Uhr läuft stabiler. Meine läuft +1.5 Sekunden pro Tag, praktisch ohne irgendwelche Lageabweichungen.
(Quelle: Wikipedia)
Vielleicht noch ein paar Worte zu Francois-Paul Journe. 1957 in Marseille geboren, war er in der Schule und Uhrmacherschule so schwierig für seine Lehrer zu handhaben, dass er zu seinem Onkel nach Paris geschickt wird und sich als Restaurator alter Uhren rasch einen Namen macht. Er gilt nicht eben als einfacher und bescheidener Mensch. 1976 erhielt er sein Uhrmacherdiplom. 1999 gründet er seine Manufaktur in Genf, Montres Journe SA, die unter dem Motto "Invenit et Fecit" jährlich geschätzte 700 Uhren produziert, alle von Journe entworfen und von jeweils einem Uhrmacher gebaut. Journe ist seit 1985 Gründungsmitglied der renommierten ACHI (Académie horlogère des créateurs indépendants). Er hat jeden erdenklichen Preis in seinem Feld gewonnen, darunter mehrfach den Aiguille d’Or in Genf.
Journe hat die Uhr 2000 in den Verkauf eingeführt und bis 2010 produziert. Meiner Schätzung nach sind insgesamt etwas mehr als 300 gebaut worden. Wie alle Uhren von F.P. Journe gibt es auch die Resonance in einem Gehäuse mit 38mm oder 40mm, mit 9 mm schön flach, in Platin oder Rosegold. Das Werk war bis 2004 aus Messing, ab 2005 sind wie bei allen Uhren von Journe Platine und Brücken aus Rotgold. Die Zifferblätter selber sind aus guillochiertem Silber, die Zeiger gebläuter Stahl, die Journe-typischen an Breguet erinnernden, verschraubten Einfassungen der Zifferblätter aus Stahl. Den "Hintergrund" des Blattes gibt es in Gelbgold, Rotgold, Weißgold und Ruthenium. Meine Uhr hat 40mm und ein Blatt aus Weißgold. Ich habe ein blaues Band dran, um die Farbe der Zeiger aufzunehmen, und eine Stiftschließe (es gibt auch zwei Arten von Faltschließen von Journe, die mir aber beide nicht gefallen). Die Finissierung des Werkes ist, meiner Meinung nach, hervorragend, wie auch die Verarbeitung der Uhr insgesamt.
Wofür kann man die beiden Zifferblätter gebrauchen? Einerseits als Reiseuhr, wenn man die eine Seite auf eine andere Weltzeit stellt (da sind dann auch Abweichungen von 30 min oder 15 min kein Problem).
Allerdings fehlt dann die 24-Stunden-Anzeige, ein Problem, dass F.P. Journe mit dem 2010 präsentierten Nachfolgemodell der Resonance behoben hat, bei der links eine 24-Stunden-Anzeige steht (allerdings ist damit auch die, für mich, zentral wichtige Symmetrie der Zifferblätter dahin). Oder man kann ein Zifferblatt auf 12 stellen und so auch längere Zeiten stoppen. Oder man stellt einfach beide auf dieselbe Zeit ein und freut sich an der Harmonie, das mache ich meistens.
Die Resonance ist meine Lieblingsuhr. Das Phänomen der Synchronisation spricht mich auf zahlreichen Ebenen, beruflich, privat und sogar weltanschaulich, sehr an. Ein Blick auf die Harmonie der Zifferblätter (oder, diskret, nur auf das rechte, wenn es unter der Manschette vorlugt) bereitet mir immer große Freude. Nachteile gibt es eigentlich nur zwei: die Uhr ist wegen der Lage der Krone bei 12 etwas mühsam aufzuziehen, und man sollte beim Ablesen nicht zu weitsichtig sein. Ansonsten: das Kernstück meiner kleinen Sammlung, und uneingeschränkt zu empfehlen.
Gruß
Andreas