Liebe IWC-Freunde,
nachdem ich das letzte Jahr mit einem ziemlichen Sammlerhighlight beenden konnte (siehe hier: IWC: Das Ende einer Ära - der Traum eines Sammlers...), gab es für das laufende Jahr eigentlich keine großen Erwartungen. Im Gegenteil, man muss ja auch mal etwas Ruhe finden und so ein Jahr (oder zumindest ein paar Monate) ohne Neuzugang ist sicher nicht verkehrt - übrigens schon seit Jahren fester Bestandteil meiner Neujahrsvorsätze, aber wir wissen ja alle, wie weit man damit kommt...
Voller Selbstbeherrschung habe ich entsprechend alle Versuchungen abgelehnt, die inzwischen in erschreckend großer Zahl an mich herangetragen werden. Aber die Widerstandskräfte sind endlich, gerade wenn ein Angriff aus einer unerwarteten Ecke kommt... Als pflichtbewusster Moderator (und nur deshalb ) schaue ich ab und an bei Chrono24 rein, um mir ein Bild der aktuellen Preis- und Angebotslage zu machen. Durch die vielen Händler auf der Plattform sind echte "Knaller" eher selten, insofern besteht dort eigentlich eine geringe Rückfall-Gefahr - eigentlich...
Bei einer solchen Aktion stieß ich nach längerem uninspirierten Durchklicken aber plötzlich auf ein überaus verlockendes Angebot, dass ich in dieser Form noch nicht gesehen hatte. Nach einigen Teilerfolgen habe ich inzwischen verstanden, dass im Vintage-Bereich Qualität immer Preis schlägt - preisdrückende Mängel mögen den Kauf erleichtern, zahlen sich aber mittelfristig nie aus (man ärgert sich am Ende doch nur). Die Frage ist allerdings oft, woran genau man diese Qualität festmacht. Da gibt es kurz gefasst zwei konträre Fraktionen: Die einen schwören auf absolute Originalität - kein Teil darf ausgetauscht sein, am besten muss alles komplett im Ursprungszustand belassen werden, selbst wenn es deutliche Alterungs- oder Tragespuren gibt. Andere dagegen wollen eine neuwertige Uhr, die auch so aussieht und wo weder das Zifferblatt vor sich hin korrodiert noch die Zeiger Tritium-Brösel verstreuen.
Ein Beispiel für eine "neue" alte Uhr war meine viel beweinte (da abgängige) Ingenieur 666 AD - die nach einem kompletten (und schweineteuren) Service in neuem Glanz erstrahlte, insbesondere durch das getauschte Zifferblatt:
Die erste Generation - IWC Ingenieur 666 AD
Ein Beispiel für die "Original"-Fraktion wäre dagegen meine Ingenieur 666 A, die ich zum Ausgleich des emotionalen Verlustes gekauft hatte:
IWC: Wiedergutmachung Teil II: IWC Ingenieur 666 A
Blatt und Zeiger sind hier noch original - was seinen ganz eigenen Charme hat. Allerdings leuchten die natürlich nicht mehr und zwei der Tritium-Dots auf dem Zifferblatt haben sich bereits komplett verabschiedet.
Ein ziemliches Problem für Vintage-Freunde ist dabei die Politik der Hersteller, dass ausgetauschte Teile nicht mehr retourniert werden. Dies wird mit der Angst vor Fakes begründet (in die getauschte Originalblätter eingebaut werden können) - aus Kundensicht ist das aber ziemlich unbefriedigend: Zum einen hat man ja auch das alte Zifferblatt bezahlt (und das wird ja nicht in Zahlung genommen, sondern schlicht einbehalten) und zum anderen ist jede Entscheidung zum Tausch von Zifferblättern so immer endgültig.
Zurück zum oben erwähnte Angebot: Die Uhr war verlockend, Zustand wie Zubehör auch und sie passte perfekt in die Sammlung - neben den Aquatimern bilden ja bei mir die Ingenieure eine tragende Säule und dort gab es noch eine ganz wesentliche Lücke: 666 A, 666 AD, 766 AD, 1832, 3227 und 5005 - was fehlt? Richtig, eine Ingenieur Ref. 866
Vorgestellt wurde diese neue Ingenieur-Variante 1967, um auch in dieser Baureihe die neue Werkgeneration Kal. 854/8541 einzuführen - hier ein zeitgenössisches Bild von 1968:
(c) http://www.frizzellweb.com/larry/ingenieur/Ingenieur3.html
Diese Uhren sind durchaus selten im Vergleich zum Vorgänger-Modell Ref. 666. Das lag an der relativ kurzen Bauzeit und vor allem der
Absatzkrise, die diese Uhr schon relativ früh erwischt hat. Die hatte verschiedene Gründe: Optisch traf die Ingenieur nicht mehr den Geschmack der Zeit, da war die modernere Yacht Club I wesentlich beliebter. Dazu kamen dann die Absatzkrise durch die Währungsturbulenzen nach dem Zusammenbruch des Bretton Woods-Abkommens und die allgemeine Krise der mechanischen Uhren durch das Aufkommen der Quarz-Werke.
Entsprechend teuer werden die Ref. 866 gehandelt, gerade in seltenen Versionen, wie z.B. mit Zifferblättern in blau oder mit Goldpuder-Veredelung. Neben den hochwertigeren Zifferblättern sind die Unterschiede zum Vorgänger nicht so augenfällig: Etwas größer (37 vs. 36,5mm), etwas dickere Krone und anders geformte Hörner. Zudem sind das klassische Sammleruhren, da man als "normaler" Vintage-Freund kaum bereits ist, den Aufpreis gegenüber einer Ref. 666 im gleichen Zustand zu bezahlen.
Und so ist der Markt für diese Uhren sehr international, gerade in kleineren Ländern findet man als Verkäufer kaum Interessenten - bis jemand das Angebot auf Chrono24 entdeckt... So schön das ist mit der Suche über das Internet ist, ein Problem bleibt: Wie kommt die Uhr dann vom Verkäufer zum Käufer? Über die Jahre habe ich nun schon diverse Transaktionen quer durch ganz Europa gemacht und (toi, toi, toi) bisher hat es auf dem Versandweg immer geklappt. Allerdings habe ich auch da schon manche Panne erlebt (Auslieferungen an die falsche Adresse, im System verschwundene Pakete, extrem lange Laufzeiten etc. pp.) und ab einem gewissen Wert ist mir das einfach zu riskant - da fahre ich dann lieber ein paar Kilometer für den Seelenfrieden. Das war in diesem Fall allerdings nicht möglich. Und so kam die zweite große kulturelle Errungenschaft unserer Zeit ins Spiel: Der Billigflug . Zu meiner Überraschung war das notwendige Ticket erstaunlich günstig zu bekommen, so dass ich an einem vergangenen Samstag ganz ohne Koffer, Laptop oder Akten zum Flughafen fuhr, nach einmaligem Umsteigen in einer skandinavischen Metropole gelandet bin und dort die Uhr in Empfang nehmen konnte. Hatte ich so noch nie gemacht, es erntete auch nur ein resignierendes Kopfschütteln bei meiner Gattin . Aber eigentlich war das ein ganz netter Ausflug inkl. interessanten Gesprächen mit dem Verkäufer (auch ein etablierter Sammler).
So fand diese "Fliegeruhr" schließlich ihren Weg nach Deutschland - und stand für ausgiebige Fotosessions zur Verfügung. Zunächst einmal nur die Uhr an sich, die Besonderheiten kommen dann bei anderer Gelegenheit
Soweit ein paar erste Eindrücke - mehr später
Gruß,
Christian