Alles anzeigenStimmt. Das kann ja nun wirklich nicht so schwer sein, so eine Uhr zusammenzukloppen. Bundestrainer ist dagegen Raketenwissenschaft Und weil jeder E-Mails schreiben kann, sind wir auch alle Schriftsteller. Aber mal im Ernst und ganz unabhängig von der Diskussion ob die Bewertung von Steinhart gerechtfertigt ist oder nicht: Objektive Tests in werbebasierten Medien – insbesondere in Special Interest Magazinen – zu erwarten, ist vielleicht etwas viel verlangt.
Die vielzitierte "Unabhängigkeit der Redaktion" ist in Zeiten rückläufiger Anzeigenetats etwas, dass sich ein Verlag leisten können muss. Will sagen: Schaut man sich die Substanz der Artikel an, so muss man doch leider immer wieder feststellen, dass sich allzu oft inhaltlich nichts wirklich substanziell Neues finden lässt – zumindest nicht, wenn man so uhrenverrückt ist, wie es bei uns in der Watchlounge der Fall ist.
Nein, letztlich bleibt man in den "Fachmagazinen" – bei allem "Wir sind so wahnsinnig unabhängig"-Gestus – schon sehr dicht an den Geschichten, die sich die Marketingabteilungen der großen Uhrenfirmen ausgedacht haben, ergänzt um ein paar eigene Formulierungen, aber immer schön soft und kuschelig, so dass es nicht wehtut. "Ich beiße die Hand nicht, die mich füttert". Klar, oder? Ab und an zeigt man mal eigenes Profil, z.B. durch einen ganz, ganz harten Test oder so etwas wie eigene Meinung im Editorial. Das dann und wann mal an einem hochpreisigen ETA-Einschaler die Kritik geäußert wird, "der Preis sei ein wenig ambitioniert" ist dann schon als redaktionelle Revolution zu deuten.
Dabei ist doch jedem klar: Redaktionelle Präsenz steht in einem Zusammenhang mit der Buchung von Anzeigenplätzen. Unterhalb einer regelmäßigen 1/1-Seite wird man kein Thema. Das ist völlig verständlich, ein Verlag will ja schließlich Geld verdienen. Außerdem muss man den Kleinanzeigen-Kunden ja auch vor Augen führen, welche mediale Mehrwirkung sie mit eine höherwertigen Werbepräsenz erreichen können. Das ist völlig legitim und nachvollziehbar. Und man kann deshalb auch trefflich darüber diskutieren, wer da von wem stärker abhängig ist – das Medium oder der Content-Lieferant. Nur eines sollte man nicht tun: Die Fachmagazine mit der Stiftung Warentest oder dem TÜV in Sachen Objektivität verwechseln. Die Artikel, die wir in diesen Magazinen lesen, sind Unterhaltung, manchmal auf hohem aber oft auf niedrigem Niveau.
Als es noch ein Watchlounge-Magazin gab, der eine oder andere mag sich daran erinnern, wehte inhaltlich ein anderer Wind. Uhren wurden subjektiv rezensiert, von Leuten, die ihre ganz eigenen Eindrücke – unabhängig von der Industrie – geschildert haben. Das Watchlounge Magazin ist Geschichte. Die Mainstream-Medien haben überlebt, lohnen aber das Lesen meist nicht – zumindest empfinde ich das so.
Sorry, dass ich da jetzt etwas neben dem Thema Steinhart-Test gepostet habe, aber seitdem ein Magazin mal darüber berichtet hat, dass eine Taucheruhr im Test abgesoffen ist, der Hersteller aber öffentlich in einem Leserbrief (wenn ich mich richtig erinnere) und recht glaubhaft beteuert hat, dass die Uhr vor dem Test dicht war und die Undichtigkeit eine Folge einer unsachgemäßen Montage des Stahlbodens nach der Betrachtung der Werkfinissage in der Redaktion gewesen sein müsse, bin ich was die Testfähigkeiten von Redaktionen angeht etwas skeptisch. Insofern gilt für mich zum Steinhart-Test: Aufgrund der Bewertungen von Steinhart-Uhren in der Lounge erscheinen mir das Ergebnis/die aufgeführten Mängel etwas überraschend zu sein.
Super geschrieben! Respekt❗