Wer braucht Luxus?

  • Wer braucht Luxus?



    Diese zugegeben etwas provokative Frage stellt sich manchem beim Umgang mit
    Luxusgütern. Und unsere lieb gewordenen Uhren, mit denen wir uns hier in der
    Watchlounge meist beschäftigen, sind Luxus. Wer braucht schon eine teure Armbanduhr?
    Zudem noch eine (im Vergleich zu Quartzuhren oder der Zeitanzeige unserer Smartphones
    ungenaue) mechanische Uhr?
    Oder gar ein Tourbillon? Vielleicht noch in einer Taschenuhr, o.k.. Aber in einer Armbanduhr,
    die ohnehin ständig ihre Lage durch die Bewegungen unserer Arme ändert?
    Die Liste der rational gesehen unnützen Dingen ließe sich unendlich fortsetzen.


    Aber was wäre das Leben ohne diese scheinbar nutzlosen Dinge? Ziemlich farblos. Und z.B.
    im Uhrenbau sind derartige Funktionen, Mechanismen, Lösungen oder Designelemente ja auch
    immer ein Beweis des Machbaren, der Kompetenz und der Schaffenskraft.


    Ein schönes Beispiel für ein eigentlich volkommen nutzloses, dennoch aber faszinierendes
    Detail findet man bei den beiden neuen Parmigiani-Tourbillons Woodstock und Woodrock



    und bei der Variante der Tischuhr mit 15 Tage Gangreserve namens "Blue Note".



    Die Marke Parmigiani ist seit Jahren eng verbunden mit der Musik und vor allem mit dem Jazz.
    So unterstützt man verschiedene Festivals, das bekannteste dürfte das jährlich stattfindende
    Montreaux Jazz Festival sein. Man unterstützt diese Events nicht, weil man damit primär
    Werbung machen will. Man unterstützt hier, weil man bei Parmigiani den Jazz liebt.
    Das hat Prinzip im Hause Parmigiani. Nicht nur beim Jazz, sondern z.B. auch bei der
    Kooperation mit Bugatti.


    Manch ein Uhrenhersteller nutzt derartige Partnerschaften primär für das Marketing.
    Da werden dann Logos appliziert, Gehäuseböden mit den Markenlogos graviert oder eine
    Schwungmasse in Form von Autoteilen individualisiert. das war es dann aber auch.
    Alles reine Optik.


    Bei Parmigiani handhabt man das etwas anders. Und das ist eine Sache, die ich persönlich,
    nach 20 Jahren Erfahrung im Uhrenbereich, sehr sympathisch finde. Partnerschaften schließt
    Parmigiani nur mit Partnern, die faszinierende und respektable Leistungen vollbringen.
    Und die daraus hervorgehenden Uhren sind eine Anerkennung an den Partner und seine
    Leistungen. So, wie es eigentlich sein soll.
    So setzte Parmigiani z.B. das Thema Bugatti in der Type 370 insofern um, als dass man
    ein Uhrwerk wie einen Motorblock in eine Uhr eingebaut hat und technische Lösungen aus
    dem Automobilbau (die Aufhängung des Uhrwerkes, Differentiale, Triebe mit konischer
    Verzahnung usw.) in dieser Uhr umgesetzt hat. So, wie man sie in ähnlicher Form z.B. in
    einem Bugatti finden kann. In diesem Artikel hier könnt Ihr die Details finden.
    Der SIHH 2013, den ich kürzlich besucht habe, zeigte mir die Unterschiede zwischen
    Marketing-Gebrüll und echten Partnerschaften wieder sehr sehr deutlich.


    Und wenn das hier von mir verfasste für jemanden nach Marketing klingt, dann kann man
    daran gut erkennen, wie vorsichtig wir durch die z.T. übertriebene Nutzung von
    Marketingmaßnahmen und Geschichten geworden sind.
    In meinem Fall ist es tatsächlich die Faszination und die Leidenschaft für den Weg, den
    man in Fleurier geht. Eben weil er sich derart von anderen Konzepten in der Uhrenbranche
    unterscheidet.


    Aber zurück zum eigentlichen Thema, den Neuheiten Tonda Tourbillon Woodrock und
    Woodstock sowie der Tischuhr "Blue Note".
    Was verbindet diese Uhren? es sind zwei Dinge: einerseits sind sie mit Blick auf das Thema
    "Musik" respektive "Jazz" entstanden. Andererseits wird in den genannten Uhren eine Technik
    bei der Zifferblattherstellung genutzt, die sich Marquetry nennt. Ins Deutsche übersetzt kann
    man es "Intarsien" nennen.
    Die Zifferblätter dieser Uhren sind als jeweils eine Holzintarsienarbeit, bei der jedes sichtbare
    Detail aus einem kleinen Stück farbigem Holzfurnier geschnitten wurde und dann, zusammen
    mit den übrigen teilen zum Zifferblatt zusammen gesetzt werden.


    Diese Technik ist schon sehr alt. Sie wurde im 16. Jahrhundert in Italien entwickelt und im
    Bau hochwertiger Möbel angewendet.




    Jeder hat vermutlich solches Mobiliar schonmal beim Antiquitätenhändler oder in einem
    alten Haus gesehen.


    Zunehmend und dass ist der Bezug zur Musik, wurde diese Technik aber auch bei
    Musikinstrumenten eingesetzt. Und noch heute findet man diese Intarsienarbeiten
    bei hochwertigen Musikinstrumenten:






    Parmigiani hat diese neuen Modelle im Falle der beiden Tonda Tourbillons als Einzelstücke
    aus Anlass des Montreaux Jazz Festivals geschaffen. Man hat hier eine alte und sehr aufwändige
    Handwerkskunst eingesetzt, wie sie bei Musikinstrumenten seit langem Verwendung findet.
    Hier einige Bilder die zeigen sollen, wie diese Intarsien geschaffen werden:


    Zuerst wird eine Schablone der gesamten Intarsienarbeit auf Papier gezeichnet:



    Dann werden die späteren Einzelteile aus dieser Papierschablone heraus geschnitten und
    später als Vorlage verwendet.



    Aus dünnen, bereits farblich behandelten Holz-Furnieren werden dann die Einzelteile mit Hilfe
    der Schablonen ausgeschnitten






    Anschließend werden diese äusserst passgenauen kleinen Teile wieder zum Gesamtkunstwerk
    zusammengesetzt



    Genau so, wie man es bei den Musikinstrumenten auch tut.


    Und man hat mit den Motiven, bei den Tonda Tourbillons sind es die bekannten Gibson Gitarren,
    natürlich das Thema Jazz aufgegriffen, was auch sonst








    Bei der Clock "Blue Note" sind es verschiedene, im Jazz gebräuchliche Instrumente:




    (Quelle letzte zwei Bilder: Marcus)


    Die beiden Tonda Tourbillons heißen Woodstock in der amerikanischen Variante mit den
    Stars and Stripes und Woodrock in der britischen Variante mit dem Union Jack.


    Die Uhren haben aber nicht nur faszinierende Zifferblätter, sondern auch schöne Rückansichten




    Es handelt sich hierbei um das Kaliber Parmigiani PF 510. Nähere Infos zu diesem und allen
    anderen Parmigiani Kaliber findet Ihr hier in diesem Forum.


    Normalerweise findet man dieses Kaliber z.B. in diesem Modell:




    In der Clock "Blue Note" versieht das Kaliber PF 920, ebenfalls in der Kaliberübersicht zu
    finden, seinen Dienst.


    Und selbstverständlich wurde die Marquetry.Technik auch bei den Boxen dieser Uhren
    eingesetzt:


    Hier die Box der Woodstock



    und die der Woodrock



    Ich finde, diese drei Einzelstücke zeigen deutlich, dass man sich einem bestimmten Thema,
    hier ist es das Thema "Jazz", auch im Uhrenbau sehr intensiv und aufwändig widmen kann.


    So etwas geht weit über das Anbringen plumper Designelemente hinaus.Hier greift man
    spezielle handwerkliche Techniken auf und schafft damit authentische Produkte.
    Auch wenn man den Uhren nicht direkt ansieht, wie viel Arbeit nur alleine in den Zifferblättern
    steckt, finde ich sie sehr gelungen.


    Auch wenn solche Uhren eigentlich niemand braucht!


    Beste Grüße und vielen Dank für Eure Zeit!


    Sascha




  • sagenhaft phantastische Handwerks-KUNST, die Du uns hier vorstellst.


    Toll, daß es sowas gibt, auch wenn es nicht in meiner Reichweite liegt, so gönne ich es jedem, der es sich leisten kann.


    Und schön, daß dadurch Menschen die Möglichkeit gegeben bekommen, so was zu erschaffen......


    Danke und lieben Gruß

  • Zur Eingangsfrage: in einer Zeit in der alles weg-globalisiert, durch-digitalisiert, ständig erreichbar und verfügbar ist und dauernd zu funktionieren hat sind Luxusuhren doch ein schöner Gegenpol zur Entschleunigung. Jeder sollte solche Dinge in seinem Leben haben, muss ja keine Uhr sein. Aber luxuriös darf es schon sein.

  • Ja, Andi! So sehe ich das auch! Diese herrlich analogen Dingen bremsen
    unsere hektische Zeit etwas aus. Daher begeistere ich mich auch dafür.
    Und alte Handerkstechniken interessieren mich auch sehr! Es wäre schade,
    wenn sowas verschwindet.


    Beste Grüße!


    Sascha

  • Zur Eingangsfrage: in einer Zeit in der alles weg-globalisiert, durch-digitalisiert, ständig erreichbar und verfügbar ist und dauernd zu funktionieren hat sind Luxusuhren doch ein schöner Gegenpol zur Entschleunigung. Jeder sollte solche Dinge in seinem Leben haben, muss ja keine Uhr sein. Aber luxuriös darf es schon sein.


    schild34.gif wahre Worte :gut: