Hallo Watch-Lounge
Jetzt ist es an der Zeit, mich und meine neue Uhr einmal vorzustellen. Achtung: viel Text.
Wenn ich schreibe “eine Uhr gekauft” werden sich die meisten denken – schön, Bilder ansehen, und weiter?
Für mich ist das jedoch etwas besonderes, etwas sehr besonderes sogar. Wann habt Ihr das letzte mal eine Uhr gekauft? Vor einem Tag, vor einer Woche oder einem Monat? Vielleicht sogar vor einem Jahr oder vor mehreren Jahren? Bei mir ist das anders, ich habe mir überhaupt noch nie eine Uhr gekauft. Als Jugendlicher trug ich einfache Uhren, die ich geschenkt bekommen hatte. Erst eine digitale Citizen – was war ich stolz darauf. Mit zwei Alarms, Timer und vielem Gepiepse – ideal um die Lehrer in der Schule mächtig zu nerven. Später hatte ich dann eine komplett schwarze Swatch ohne Indizes – einfach nur schwarzes Ziffernblatt, mit goldenen Zeigern und unkaputtbar. Die muss ich bei Gelegenheit wieder suchen. Niemals hatte ich irgendwelche Gedanken an mechanische Armbanduhren verschwendet, zumindest nicht mehr als an viele andere technische Gerätschaften – interessiert, aber nicht fasziniert, kein ’Haben-wollen-Effekt’. Nach der Schulzeit trug ich nur noch sehr unregelmässig eine Uhr, vorzugsweise eine Junghans Quarz, die meiner damaligen Freundin und heutigen Frau zu gross war. Seit den letzten 15 Jahren dann überhaupt keine Uhr mehr am Arm. Ich empfand das eher als Privileg, mich darum nicht kümmern zu müssen. Gefehlt hatte mir nichts – überhaupt nichts.
Wie es der Zufall nun wollte, hatte mich vor einiger Zeit die atmosphärische Wirkungsweise einer besonderen Tischuhr fasziniert (dazu vielleicht an anderer Stelle etwas mehr). Darüber kam ich zu den mechanischen Uhren, und hatte erstmal alle Informationen aufgesaugt, die ich bekommen konnte. Hauptsächlich im Internet und eben in Uhren-Foren wie diesem. An eine Armband-Uhr hatte ich dabei noch überhaupt nicht gedacht. Aber so langsam kam die Faszination für diese Technik, die doch so viel ungenauer ist als eine Quarz- oder Funkuhr, und dazu noch teuer – eigentlich unvernünftig.
Was mir sofort ins Auge sprang, waren die Flieger-Uhren: klar abzulesen, funktional und sportlich. Das hat was. Andererseits waren es doch aber die Komplikationen, die eine mechanische Uhr zu etwas ganz besonderem machen. Ein Kalender – klar, wäre auch nicht schlecht, habe viele Flieger-Uhren. Was mich jedoch von Anfang an fesselte, war eine Mondphase. Das ist es – die Verbindung zur Astronomie, das Denken in grösseren Zeiträumen, und einfach die Möglichkeit, dies an einer Armbanduhr abzulesen und direkt mit dem Original am Nachthimmel zu vergleichen, das garantiert niemals ’falsch’ gehen wird - das hat schon fast philosophische Züge. Bloss war die Erkenntnis um so ernüchternder, dass es praktisch keine Flieger-Uhren mit Mond-Phasen gibt. Sollte ich mir dafür beispielsweise eine seltene IWC zu gönnen (wie ich sie hier mal geshen hatte, allerdings finde ich das Bild nicht mehr), obwohl ich noch nicht einmal wusste, ob ich überhaupt wieder zum Uhren-Träger werden wollte, das machte einfach keinen Sinn.
Und hier sind wir beim Stichwort: wenn man sich mit mechanischen Uhren befasst, die getragen werden sollen, kommt man um den Namen Helmut Sinn einfach nicht herum. Vieles, für das der Name Sinn-Uhren steht, war mir von Anfang an sympathisch. Erst nach einiger Zeit begriff ich, dass er gar nicht mehr bei seiner alten Firma ist, sondern sich erneut selbständig gemacht hatte mit Guinand. Beide in Frankfurt stationiert, also lohnte sich ein Ausflug dahin.
Vorher hatte ich mir schon Favoriten auf der Homepage ausgespäht und nochmals in Uhren-Foren extensiv nachgelesen, wie die Erfahrungen damit sind. Aber eigentlich war von vorne herein klar, was ich wollte. Die ’Neue’ von Guinand. Diese Uhr hatte alles, was mein Herz begehrte: das zuverlässige Kaliber Eta-Valjoux 7750/7751, einen Glasboden und eine schöne Mondphase ohne dieses aufgemalte Mond-Gesicht. Keine drehbare Lünette – da ich mir einbilde so etwas nicht zu benötigen, bin ja kein Taucher. Entsprechend war ich während des Frankfurt-ausfluges bei der Sinn-Uhren GmbH relativ schnell durch, da sie nur ganz wenige Mondphasen-Uhren hatten. Obwohl alles sehr freundlich zuging und die Verkaufsräume sowie die Uhren wirklich hervorragend sind, sprang der Funke nicht über.
Anders bei Guinand. Die Firma ist wirklich sehr versteckt und hat das Flair einer gehobenen Werkstatt mit angeschlossenem Verkaufsraum. Das ist nun überhaupt nicht negativ zu verstehen, das ist bei Spezialfirmen, die auf ihrem Gebiet vorne sind, eigentlich immer so, bloss sieht das der Kunde normalerweise nicht. Dann kam schon Herr Hassler, der Geschäftsführer – ein äusserst zuvorkommender, freundlicher und höchst kompetenter Mann. Es war mir als ’Uhren-Anfänger’ fast schon peinlich, von solch einer Koryphäe praktisch das Allgemeinwissen der Uhren-Faszination und Grundsätzliches zu mechanischen Details erklärt zu bekommen. Sehr lehrreich war es in jedem Fall, und er hatte überhaupt keine Zeit-Not, da er offensichtlich die Faszination selbst auslebt. Dann hatte ich die 41-51-01 anprobiert – aber Enttäuschung machte sich breit. Irgend etwas stimmte nicht. Plötzlich war klar – das falsche Ziffernblatt. Es war ja das Modell mit gebläuten Zeigern auf weissem Ziffernblatt , und ich wollte die schwarze. Die ist z. Z. leider nicht da – ausverkauft. Das darf doch nicht wahr sein. Ich hätte ja vorher anrufen können, aber damit hatte ich einfach nicht gerechnet. Jedenfalls gefiel mir die weisse auch schon sehr gut, und die ganzen Komplikationen konnte ich so in Ruhe ausprobieren, ebenso das sehenswerte Werk durch den Glasboden bewundern.
Ein paar Wochen später dann noch einmal nach Frankfurt-Rödelheim. Die Uhr war da, wir hatten telefonisch schon alles vorgeplant. Nur Herr Sinn war leider doch nicht vor Ort, da er noch schnell in die Schweiz gefahren war. Eigentlich unglaublich: mit seinem Auto, selbst am Lenker – wenn einem das mit 94 noch gelingt, kann man wirklich nur dankbar sein.
Hier die Auslage mit (fast) dem gesamten angebotenen Sortiment. Beeindruckend, nicht wahr?
Dann die Uhr anprobiert und im Detail alles erklärt bekommen - es sind ja einige Funktionen. Noch lange überlegt, welches Armband zu nehmen wäre, um am Ende doch beim ursprünglich montierten zu bleiben. Die Uhr blieb dann (bis jetzt) am Arm, weshalb sich Auspackbilder aus dem Aluköfferchen erübrigen. Meine Uhr war da nie drin.
Bis jetzt bin ich sehr zufrieden, sie trägt sich erstaunlich gut, selbst am nicht-geübten Arm. Grösse passt perfekt. Insgesamt zähle ich 8 Zeiger und 3 drehende Anzeigen. Angesichts des Listenpreises (von Sinn bekommen angeblich nur solche Personen Rabatt, die die Uhr anschliessend werbewirksam mit in den Weltraum nehmen, und damit ist bei mir leider nicht zu rechnen) kostet also jedes von vorne sichtbare sich bewegende Teil ca. 100 €. Da gibt es schlechtere Angebote am Markt, keine Frage. Die Gangwerte kann ich noch nicht richtig einschätzen. Ich glaube, am ersten Tag ging sie 10 sec vor (da habe ich viel mit dem Chronographen gespielt), am zweiten noch 7 und seit dem hat es sich auf 2-3 sec/Tag eingependelt. Aber möglicherweise habe ich das nicht richtig abgelesen.
So, und für alle, die tapfer bis hierher gelesen haben, noch ein paar Bilder. Verzeiht, wenn sie nicht an die Qualität anderer drankommen, aber ich hatte das erste mal eine Uhr vor der Linse.
Da ist sie:
Hier die Rückseite - erst war ich etwas enttäuscht, da sie keine gebläuten Schrauben hat (wie das Modell 41-51-01 w). Hatte sie ja beim Kauf das erste mal geshen. Aber Herr Hacher hat mit versichert, dass alle Guinand mit schwarzem Ziffernblatt polierte Schrauben im Werk haben. So langsam gewöhne ich mich daran.
Auf diesem Bild sieht man die Signatur von Helmut Sinn etwas deutlicher:
So kommen die Details etwas besser zur Geltung:
Apropos Details - hier einige Ausschnitte:
Sehr fein gearbeitet. Wobei solch eine Lupe schon sehr 'gnadenlos' sein kann. In der Spiegelung der Mondscheibe sieht man bei leicht angewinkelter Betrachtung, dass die weisse Lackierung auf der Rückseite der Zeiger kleine Rückstände hinterlassen hat. Das dürfte jedoch bei den wirklich hochpreisigen Uhren nicht anders sein. Unter normalen Umständen sieht das beim besten Willen niemand - garantiert.
Die Einregulierung...
.... und oben rechts wird klar, wo das Kaliber ursprünglich herkommt:
So, und als Abschluss das obligatorische Bild von der Uhr am Arm:
... und hier sieht man die Leuchtzeiger:
PS: Ja, es war spät gestern abend...
Ich hoffe, Ihr konntet etwas von meiner Begeisterung für die Uhr erahnen. Zumindest die bis zum Schluss mitgelesen haben.
Beste Grüsse
Markus
)
) hier gefällt mir schon mal gut.