Alles Gute zum 50ten!

  • Gratulation zum 50.!




    Eines der aufregendsten Automobile der Geschichte feiert dieser Tage Geburtstag: 1961 wurde der Wagen erstmals im Genfer "Parc des Eaux Vives" enthüllt. Schnell wurde der damals 25.000 Mark teure Bolide zu einem der beliebtesten Sportwagen. Auch die Prominenz, wie Fußballlegende George Best oder Kinostar Brigitte Bardot legten sich einen zu. Mit solch einer positiven Resonanz hatte der Hersteller aber nicht gerechnet: Zunächst sollten nur 1.000 Exemplare hergestellt werden. Obwohl schon 1957 mit5 der Entwicklung des Prototypen - basierend auf einem Rennwagen - begonnen wurde. In 14 Jahren Bauzeit konnten sich weltweit 72.500 Käufer über das Coupé oder den Roadster freuen. Und seit 1996 hat eer ogar einen Platz im New Yorker Museum of Modern Art. Na darauf ein Prostit! Oder besser very british: cheers!


    Ein Grund zu feiern und kurz nachzudenken:


    Unter dem Kapitel "Pflege" wird in der Betriebsanleitung darauf hingewiesen, dass die Teppiche gebürstet, aber auch mit dem Staubsauger gereinigt werden können. Und im Prospekt steht schlicht: "Ein idealer Wagen für Sport und Reise!" Ein Satz, so allgemein gehalten, dass er mit Understatement nur so prahlt..


    Blättert man in der Betriebsanleitung, so findet man eine Anweisung über "das Ölen mit dem Kännchen" - darin sind 10 Teile aufgeführt, die man alle 8000 Kilometer mit dem Kännchen ölen sollte.
    Einfach niedlich, nicht?
    Und wenn man dann noch liest, dass er bei 80 km/h nur mit 2200 U/min dreht, dann möchte man am liebsten die Schirmmütze zu Hause lassen.
    Schauen wir nun mal nach, welche Reifendrücke er braucht, denn es macht einen albernen Eindruck, wenn man dieserhalb erst an der Tankstelle zu blättern beginnt. Da haben wir:
    "Reifendruck: für normale Geschwindigkeiten bis 210 km/h vorn 1,6 und hinten 1,75 atü", ein Druckfehler ist das nicht!
    Ich klappe das Heft zu und entschließe mich für "normale Geschwindigkeiten bis 210". Was die Reifen haben müssen, wenn man mal schnell fahren möchte, das will ich gar nicht wissen. Ich habe schließlich noch allerlei Zukunftspläne ....


    Jetzt steht es also vor mir - das rüstige Geburtstagskind und sieht so jugendlich und sexy wie zu seinen besseren Zeiten aus. Der automobile Jubilar scheint nicht zu altern. Vielleicht ist es ja eine Zeitmaschine. Eine Uhr auf 4 Rädern?
    Wer weiß?



    Part 1, to be continued...

  • Wie es zu diesem Treffen kam?
    Ein Bekannter hat angerufen und gefragt, ob wir eine Ausfahrt im Rahmen einer Oldtimer-Rally machen wollen. Ich war so sprachlos - das will was heißen. Denn als wir uns verabredeten, fragte er beiläufig: "Das Coupe oder den Roadster?". Was für eine Frage! Und welche Gnade, jemanden eine solche Frage stellen zu können. Ich beneide ihn. Etwas in mir ruft "Beide!" aber ich sehe ein, dass diese Antwort schizophren ist. Ich entschließe mich für ein: "Den authentischeren!" Jetzt steht also die offene Variante vor mir. Mein Mund wird trocken und meine Handflächen feucht. Aber ich wollte es ja nicht anders. Ich will erst mal dieses gefährliche Tier in Augenschein nehmen und gehe um das Auto herumum. Das dauert seine Zeit, denn es ist ein langer Weg. Das Auto ist genau 175 3/8 Inches lang, und kein Inch kürzer. Dabei geht die halbe Incherei für den Motor drauf, es ist ein Motor mit zwei Notsitzen - darüber kkein Dach. Es ist mit Sicherheit die stilvollste Art der Obdachlosigkeit. Zumindest automobil betrachtet.


    Das Lenkrad ist aus Holz, und die breiten Speichen sind mehrfach durchbohrt. Es sieht aus, als hätte einer 2 EURO, 1 EURO und diverse Eurocentmünzen herausgestanzt. Hinter solchen Lenkrädern sitzt man nicht alle Tage, sie fühlen sich an wie ein junger Maimorgen am Lago Maggiore. Sanft umschließen meine Hände den Sonnenaufgang. Am andere Ende des Autos ist eine Klappe. Diese ist zugegebener Maßen ziemlich sexy designed. Aber Sinn macht sie nicht wirklich: wenn man sie aufmacht, geschieht noch weniger, als wenn man etwa eine Keksdose öffnet.
    Unter diesem Deckel hat ein Koffer erst dann Platz, nachdem man ihn durch eine Dampfmangel gedreht hat. Aber Castrol-Dosen gehen rein, wie ich sehe. Zehn handliche Literdosen und ein 5 Liter-Kanister. Das ist beruhigend. Auch wenn mein Bekannter meint, ein Engländer verlöre kein Öl, sondern "markiere lediglich sein Revier". Aha.


    Fritz B. Busch nannte dieses Automobil schlicht "geschrubbte Flunder".
    Seinen Bericht von 1966 habe ich gelesen. Und er hat Recht: Die Flunder riecht abenteuerlich. Nicht gerade nach Flunder, sondern eher nach Ölsardine, denn sie nascht im Stand einen halben Liter Castrol.
    Mei Bekannter öffnet also erst mal die Haube. Das sieht einfach aus, als es tatsächlich ist:
    Man angelt sich aus dem Cockpit einen kräftigen Vierkantschlüssel (er ist am Kardantunnel aufgehängt) und steckt ihn in ein passendes Loch an der rechten oder linken Wagenseite. Dann dreht man ihn um und begibt sich auf die andere Wagenseite, wobei es ziemlich egal ist, ob man den Weg hinten- oder vorne herum wählt - man spart im Höchstfall zwei Minuten.
    Dann steckt man den Vierkantdrüben ins Loch und dreht ihn abermals rum. Nun hebt man das Auto kräftig an. Das, was stehen bleibt, ist das Chassis, was hochgeht, ist die Karosserie. Wenn beides hochkommt, hat man einen Fehler gemacht. Man muß nämlich erst noch die Zunge lösen, die in der Mitte vor der Windschutzscheibe am Haubenrand auftaucht. Wenn das Auto dann wie die geteilte Jungfrau eines Zirkusmagiers vor einem steht, muss der Anzug zur Reinigung.


    Die Spucke gerinnt mir in den Adern.
    Hauteng muss die Haube über den Motor geschneidert sein, denn ich bezweifle nun, dass der Deckel je wieder zugeht. Der Motor quilt einem förmlich entgegen, die Ansaugluft wird in einem Gehäuse mit der natürlichen Größe eines Eimers Wandfarbe gefiltert. Alles ist von gewaltigen Dimensionen, man könnte einen Lastzug damit bewegen. Vor meinen Augen scharren 265 ungeduldige Pferde im Ölsumpf, und ein Drehmoment von 36 mkg fletscht förmlich die Zähne.
    Das ich mir aber auch immer solche Sachen einbrocken muss!
    Der Besitzer kippt Öl nach und macht ein harmloses Gesicht dabei, denn es haben sich bereits Leute am Ausgangspunkkt der Oldtimer-Rally eingefunden.


    Ein Junge guckt auf den Tacho und verkünden in jenem Tonfall, in dem man ansonsten nur zu Weihnachten zu jubeln pflegt, dass er bis zweihundertsechzig geht. Der Herr mit der randlosen Brille, der den Jubel auf "hundertsechzig!" zu begrenzen versucht, setzt sich nicht durch, ein anderer Rallyteilnehmer belehrt ihn eines besseren.
    Es wird nun offensichtlich, dass das Publikum einiges von uns erwartet. Meine Handflächen beschlagen, ich greife zu den alten Fahrerhandschuhen, aus denen sich notfalls ein mittlerer Ölwechsel herauswringen ließe, und streife sie über. Mein Bekannter lässt die Karosserie wieder auf das Fahrgestell herab und macht sich mit dem Vierkantschlüssel auf den Weg.


    Ich habe das Gefühl, dass mir der Herr mit der randlosen Brille eine Lebensversicherung andrehen will, die Bändigung des Raubtiers kann beginnen. Wie im Zirkus. Die besten Plätze sind hoffnungslos vergriffen. "Beim Anfahren...", meint mein Bekannter, "... wischt er einem hinten weg wie der Schwanz eines wütenden Alligators!" Ja, es gibt Autos, die driften schon im Stand.
    "Wow, ist der geil!" sagt der Junge.
    "Ja," bestätige ich; "der ist so geil, da kann man kann die Teppiche sogar mit der Bürste absaugen."
    Ich glaube, meine Nerven schleifen bereits an der Bordsteinkante. Wenn ich mal selbst eine Oldtimerrally fahre, dann muss das unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden - oder ich sinke bereits unter dem Startschuss getroffen zusammen. Warum winkt mich meine Frau nicht zurück zur sicheren Geborgenheit des Kaffee- und Kuchenstands?



    Wenn ich jetzt ein Kännchen hätte, ich würde alles ölen, was ein Loch hat, und die Menge würde sich dann womöglich zerstreuen. Aber ich habe kein Kännchen und ich kan mich der Realität nicht entziehen.
    Was ich plötzlich in der Hand halte, ist das der Autoschlüssel, ich werfe ihn hoch, aber er kommt prompt zurück. Das ist keine Physik - das ist Schicksal. Das mag nun ausgesehen haben, als ob John Wayne die Pistole noch einmal um den Zeigefinger wirbelt, ehe er abdrückt. Und genau das hatte ich nicht gewollt.


    Plötzlich geht das Licht in der Zirkusmanege aus, ich stehe im Rampenlicht und der große Beleuchter hat mich im Visier. Nun stehe ich da und bitte die Raubtiere herein. Das Brüllen und Fauchen, das von den Leuten beim Druck auf den Starterknopf mit verstopften Ohren erwartet wurde, blieb aus. Der Motor dreht ganz brav mit 650 - aber ich weiß, dass Großkatzen zuerst sanft schnurrren - aber einen in einem unachtsamen Augenblick quasi aus dem Stand anspringen können. Ein kurzer Tritt aufs Gaspedal, und das Publikum tritt ehrfurchtsvoll einen Schritt zurück.
    Gang rein und ab! Ich blicke über eine lange, rote Schnauze auf schwarzem Asphalt und fühle beim ersten zornigen Knurrren der Großkatzen zähes Öl durch meine Adern pulsieren. Ich schnalze mit der Peitsche - pardon: Zunge.


    Das Raubtier beginnt die Strasse aufzufressen und es erweist sich als segensreich, dass die Veranstalter die Strecke mit Bedacht gewählt haben. Am Ende des ersten Ganges sind wir auf einer zweispurigen Landstrase, gehen wir in den zweiten. Der sträubt sich ein wenig und wir nehmen die ersten Kurven mit neunzig, um dann in den dritten zu gehen, der bis hundertachtzig gut zu sein soll. Nach sieben Kilometern sind wir bereits im vierten. Die Flunder revanchiert sich schlagartig mit 160 bei 4200.
    Ho-lah! Erst mal langsam kommen lassen, das Fahrgefühl abtasten, bremsen, beschleunigen, ein paar Lenkausschläge. Oh, es ist ein Gefühl!
    Der Wagen ist einem an den Hosenboden festgenietet, so fest wie man in die enngen LLedersitze ohne Kopfstützen gepfercht ist, liegt er. Man fährt nicht Auto, sondern der Hinter bekommt Räder! Jeder Gasstoß wird in Vortrieb umgesetzt, jede kleinste Bewegung dirigiert eine Gruppe Raubtiere, jedes Vorpeitschen wird mit einer Fahne frischen 10W-40 qittiert, die über die unmengen an Louvres der Motorhaube in den geöffneten Innenraum ziehen. Dieses Auto schmeckt, fühlt, hört riecht sich gut an. Es ist ein Auto für alle Sinne. Und die muß man in Kurven alle dank der schmalen Bereifung auch beieinander haben. Kein ESP, kein ABS, kein garnichts. Eine ehrliches Stück Ingenieurskunst mit einer Prise Verrücktheit der Motorentechniker.


    Man sitzt ganz tief in ihm und überschaut ihn doch gut, denn er ist selbst zum Drauftreten niedrig. Mit dem langen Arm lässt er sich nicht fahren, nur mit dem ganz langen. Unten an den Pedalen stimmt etwas nicht, denn der Fuß trifft das Pedal nie voll, sondern immer schräg rechts. Das die Bremswirkung nicht darunter leidet, stimmt zwar, aber der Bedienungsgenuss wird dadurch getrübt. Vielleicht ist es Angewohnheit, so wie das Schalten. Zwischen dem Ersten und dem Zweiten muss man eine Pause einlegen, etwa eine halbe Sekunde, sonst kracht es. "Zähhneputzen!", meine ich zum Bbeitzer. Der lacht.
    Das Triebwerk ist aber immernoch wie ein junger Hecht im Karpfenteich und hält locker mit wesentlich modferneren Fahrzeugen mit. Den 265 Pferden sei Dank. Aber einen Vergleich wagen?
    Das wäre unfair. Einen objektiver Vergleich ist in diesem Auto unmöglich - gerade weil es die subjektiven Sinneseindrücke sind, die den Reiz ausmachen. Inzwischen in Ehren gereift und gealtert - aber mit jedem seiner 50 Jahre nur besser geworden. Das ist es!



    Part 2, to be continued...

  • Nach reiflicher Überlegung wird mir klar: Dieses Auto ist mit einer guten Flasche sehr alten Whisky vergleichbar, mit der man einen Mann alleine lässt. Er muss Entweder die Größe haben, sich zu beherrschen, um nicht den gesmaten Inhalt auf einmal hinunterzustürzen - oder die Routine und Reife, sie wirklich verkraften zu können. Ein unerfahrener Fahrer söffe sich einen jesusmäßigen Katzenjammer an.
    Und dieses Auto macht süchtig. Ich muss danach zu den anonymen Autoholikern - soviel ist klar. Ich bin jetzt schon verloren. Die Bäume am Strassenrand huschen vorbei wie im Rausch. Endorphine, Serotonin und Phenethylamin sind der Cocktail, den mir dieses Auto aufreizend anbietet. Ich trinke bis zur Neige. Und steige am Ende eines langen und sehr intensiven Nachmittages wieder aus. Etwas benommen schließe ich meine Frau in die Arme. Die hat sich bereits sorgen gemacht. Zu Recht: um michh ist es geschehen. Ich bin paralysiert.



    Tags drauf scheint mir alles wie ein surrealer Traum.
    Ich überzeuge mich, dass meine Frau noch schläft, stehle mich aus dem Bett und schnüffel heimlich an meinem Hemd. Aha - allso doch! Das feine Odeur heissen Motoröls ist deutlich vernehmbar. Stumme Zeugen einer hitzigen Affaire. Ich werfe das Hemd in den Wäschekorb und schleiche mich reumütig zurück neben meine Frau. Schatz, ich liebe Dich.
    Aber die Erinnerung an den gestrigen Tag ist noch zu intesiv:


    Das Auto war rot, hatte schwarzes Leder, blanke Speichenräder, einen kurzen, steifen Schaltknüppel auf dem hohen Getriebetunnel, neben dem man sich fast auf den Boden hockt, ein blindflugtaugliches Armaturenbrett und eine teleskopartig verstellbare Lenksäule.
    Und ein Lenkrad aus Holz, dass sich so anfühlte, wie ein Maimorgen am Lago Maggiore - so nämlich, dass man weiß, dass noch alles drin ist an dem Tag, der vor einem liegt. Es war ein Auto, dass man sogar noch mit dem Kännchen ölen durfte, ein Auto dass mir die Sprache geraubt hat und mich die Zeit vergessen hat lassen. Ich trage die Spuren der Ausfahrt mit Stolz: Ohren, Stirn und Nase leuchten Knallrot verbrannt. Die Mädchen haben uns hinterhergestarrt und ich habe meinen Ehering deutlich gegen den Schaltknüppel klacken gehört. Kurz und gut: das Auto hat mir den Schweiß in die Poren getrieben und mich auf eine harte Probe gestellt.
    Ja - DAS war ein echtes Auto.


    Heute vor 50 Jahren - 1961 - wurde der Wagen schlicht als Typ "E" vorgestellt. Eine Typbezeichnung, die typisch englisch nicht mehr vornehme Zurückhaltung ausdrücken könnte. Wie "Erregend". Oder eben "Ehrfurchtsgebietend". Alles eine Frage des persönlichen Standpunkts.


    Deswegen: Danke an meinen Bekannten, mir den Wagen zu leihen, Danke an Fritz B. Busch für seinen Bericht, der mir als Inspiration diente. Danke an den Renstallbesitzer Briggs Cunnningham, der 1960 darauf bestand ein solches Fahrzeug gebaut zu bekommen, nachdem er einen Prototypen sah. Danke, das deswegen dieses großartige Automobil 1961 auf dem Genfer Automobilsalon der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Danke, dass Jaguar den E-Typ >überhaupt< gebaut hat: Danke dem Designer, Malcolm Sayers! Seine Formensprache fasziniert noch heute und spiegelt sich selbst in den neuen XK und XK-Rs wieder. Wie ich genauso intensiv feststellen durfte. Aber das ist eine andere (Auto)Story...


    Gruß, MIB