Deutsch-sowjetische Mariage

  • Eigentlich gehört das vielleicht nicht ganz hierhin, weil ich die uhrmacherischen Arbeiten nicht selbst durchgeführt habe. Andererseits kann man das hier vorgestellte Projekt leicht selbst nachmachen.


    Zur Vorgeschichte: Alle meine Uhren haben Stahl- bzw. Titanböden. Seit längerem wollte ich mal eine Uhr mit Glasboden und schönem Werk haben. Vielleicht auch angesteckt durch Philclocks Arbeiten :respekt: und die traumhaften Dornblüth-Uhren :verneig: kam schnell die Idee einer Mariage auf.


    Erster Kandidat war vor einem halben Jahr ein 18-Linien-Kaliber, das mir zusammen mit einem schönen Email-Zifferblatt angeboten wurde. Schnell wurde jedoch klar, daß die entstehende Armbanduhr deutlich zu groß für mein 16,5cm-Handgelenk werden würde. :(


    Der klassische Weg schien zum beliebten Unitas zu führen. Dieses gefällt mir aber aufgrund seiner Brückenform so gar nicht. Irgendwann stieß ich dann auf die Molnija-Werke, die schon in verschiedenen Aristo-Uhren verbaut wurden. Diese Uhren gefielen mir aber wegen ihrer generischen und recht einfallslosen Zifferblätter auch nicht wirklich.


    Bei Herrn Kemmner stieß ich dann auf ein passendes Gehäuse für Molnija-Werke. Nichts besonderes, aber schlicht und dezent.



    Also fragte ich meinen Uhrmacher, ob man Zifferblätter notfalls kleiner drehen könnte. Er meinte, man könne das versuchen und so besorgte ich zwei Molnija-Taschenuhren. Glücklicherweise gibt es sehr viele davon und meist schaffen es die Leute auch, ein Foto vom Werk zu machen.


    Diese zwei Uhren wurden es dann, die linke für das Zifferblatt und die Zeiger, die rechte für's Uhrwerk.



    Das Uhrwerk ist für russische Verhältnisse ganz hübsch dekoriert und sogar mit einer Feinreglage ausgestattet. Es hat keine Stoßsicherung, ist nicht antimagnetisch und auch sonst auf dem Entwicklungsstand der 30er Jahre. ;) Das vorliegende Modell stammt aus dem 2. Quartal 1966 und damit schon aus dem Uhrenbetrieb Tscheljabinsk (frühere Versionen wurden noch in Moskau gebaut). Das Kaliber mit 18 Steinen hieß seit der Normierung der Benennungen (Anfang der 60er Jahre) 3602, vorher war es als ČK-6 bekannt.



    Wie erwartet war das Zifferblatt zu groß für das Armbanduhrgehäuse (ca. 39mm, für das Gehäuse waren 37,2mm nötig). Da es aus Plastik ist, war das kein Problem. Die erste "Anprobe" sah das dann so aus:



    Der Rest ist dann recht einfach. Die Welle muß gekürzt werden und dann ein neues Gewinde für die Krone geschnitten werden. Beim Kürzen muß man daran denken, daß die Welle in der Taschenuhr auch noch den Deckel öffnet.


    Das Ergebnis ist dann eine Armbanduhr, die ihre Geschichte nicht verleugnet. Auf dem Zifferblatt steht der Markenname "Molnija" (Blitz) und "Sdjelano w SSSR" (Hergestellt in der UdSSR). Das fünfeckige Symbol ist übrigens das sowjetische Qualitätssiegel! Mit 42 mm Durchmesser und 10 mm Bauhöhe ist die Uhr noch beinahe zierlich und auch für mich noch tragbar.


    Und jetzt Bilder: ;)



    Herbstfarben stehen ihr gut!



    Erinnerungen an Tscheljabinsk...



    Eine schöne Rückseite.


    Das war's erstmal! :wink:


    Viele Grüße,
    Sebastian

  • Danke für die Glückwünsche! :wink:


    Ich werde morgen bei Tageslicht mal Fotos am Arm machen!


    Das Werk ist ja eine (leicht weiterentwickelte) Kopie des Cortebert 620 (oder 616), welches auch teilweise bei Rolex weiterveredelt wurde und dann in einigen frühen Panerais landete. Die Brückenform der aktuellen Panerai-Unitas ist von dieser Werkform inspiriert.



    (Quelle: watch.ru, Beitrag von Andrej Babanin)


    Viele Grüße,
    Sebastian


  • Das Molnija 3602 ist identisch mit dem Cortébert 620, das wieder fast baugleich ist mit dem Cortébert 616, aber etwas flacher;


    die Cortéberts 616 kosten inzwischen fast durchweg 500 €, wegen der Bastel-Panerais...


    Die Teile sind zwischen Molnija 3602 und Cortébert 620 bedingt austauschbar.


    Das Molnija hier mit der Feinregulierung ist schon feiner, sicher nicht für den Standard-Arbeiter und Bauern....


    Ein schöneres ZB könnte mir allerdings auch gefallen.... :G

  • ... und selbst die Molnija sind ganz schön gefragt, wenn ich so im Internet ein wenig den Blick schweifen lasse. :lupe:


    Echt? Ich habe das Werk immer in einer Uhr gekauft und dafür bisher nie mehr als 30 Euro bezahlt. Ein zweites Werk mit dieser speziellen Feinreglage ist auf dem Weg zu mir für 28,84 € inkl. Versand (und Uhr drumrum).


    @ Corp.


    Die frühen Varianten des 3602 (als sie noch ČK-6 hießen) waren wohl identisch mit dem 620, die in meiner Uhr verbaute Variante ist etwas dicker (4,6 statt 3,5 mm). Hier wurde z.B. statt der Flachspirale eine Breguetspirale verbaut. Warum man das Werk dicker gemacht hat, weiß ich nicht, vielleicht sollte es robuster werden.


    Mit den Zifferblättern ist es so eine Sache. Man kann natürlich ein neues von Herrn Kemmner in den drei Varianten Flieger, Marine Chonometer oder Taucher nehmen. :rolleyes: Ansonsten ist man bis auf wenige Ausnahmen auf die ZBs von Sprungdeckel-Molnijas festgelegt (da nur hier die 12 dann auch in der Armbanduhr oben ist). Und da ist die Auswahl nicht so riesig. Es gibt noch eine Variante mit römischen Zahlen inkl. einer roten XII, die mich reizen könnte und ansonsten eben die weit verbreiteten geprägten Blechzifferblätter, die ich ausnehmend häßlich finde... Je nach Abgebrühtheit gibt es natürlich noch eine Menge Sonderzifferblätter, die man verwenden könnte: So habe ich letztlich eins mit der Aufschrift 'Tchernobyl' und einem Atom-Symbol gesehen. :eek:


    @ Alle


    Ich entschuldige mich für den noch immer fehlenden 'wristshot'! Derzeit wird die Welle gerade nochmal geändert, da die Sprungdeckel-Welle einfach zuviel Spiel hat und die Krone dadurch manchmal etwas aus der Uhr rausrutscht. Jetzt wird eine Welle aus einer 'open face' Variante eingebaut. Das sollte besser funktionieren.


    Eine zweite Uhr mit einem schwarzen Zifferblatt aus post-sowjetischer Zeit ist ebenfalls in Arbeit, das wird aber auch noch etwas dauern...


    Viele Grüße,
    Sebastian

  • Kann mich auch täuschen, hab mich mal inspiriert von diesem Thread ein bisschen durchs world-wide-web getrieben und wurde von diesem Gefühl beschlichen. Mir schien, diese Teile sind gefragter als manch andere. :lupe:

  • Liebes Forum,


    als kleines Update hier ein 'wristshot'. Kurz nach der Vorstellung hier gab es ja Probleme mit der Krone bzw. der Verbindung von Aufzugswelle und Krone. Mein Uhrmacher scheint jetzt eine Lösung zu haben, wartet aber noch auf entsprechende Teile. Daher ist derzeit eine – stilistisch nicht ganz passende – Ersatzkrone montiert.


    Apropos Stil. Ein diesbezüglicher Experte meinte mal: "Auch an der schärfsten Braut jibbet immer noch was zu optimieren." Mir das zu Herzen nehmend habe ich einen Satz schönerer Zeiger montiert. Diese sind gebläut, wirken unter den meisten Beleuchtungsbedingungen aber beinahe schwarz. Sehr passend, wie ich finde.



    Die Einzelteile für Molnija HAU 2 sind übrigens auch schon da, im neuen Jahr geht es dann damit weiter...


    Viele Grüße,
    Sebastian