Interessantes über die Leuchtmassen

  • Da hin und wieder die Frage nach den unterschiedlichen
    Leuchtmassen auftaucht möchte ich an dieser Stelle mal etwas zu
    diesem Thema schreiben.


    Einführung
    Im Laufe der Enrwicklung der Uhren wurde es notwendig,
    dass die Menschen die Uhrzeit auch im Dunklen ablesen konnten.
    Spätestens aber seit der Entwicklung von Taucheruhren
    war dies absolut erforderlich!


    Radium
    Bis in die 50er Jahre hinein wurden die Uhren mittels Radium, einem
    radioaktiven Erdalkalimetall, zum Leuchten gebracht.
    Natürlich hat man dieses Element nicht in reiner Form auf die
    Zifferblätter aufgetragen! Als Trägerstoff diente u.a. Zinksulfit, welches
    zum Selbstleuchten eine Energiequelle (hier Radium, in seltenen Fällen
    auch Strontium) brauchte.


    Etwas Physik: ;)
    Selbstleuchten heisst auch Lumineszenz (wenn also Stoffe Energie in
    verschiedenster Form (z.B. radioaktive Energie) aufnehmen und in
    sichtbares Lischt umwandeln können).
    Dahingegen ist Phosphoreszenz, wenn ein Stoff nach Anregung durch
    Energie (z.B. UV-Licht) mit Verzögerung und über längere Zeit
    (quasi als Energiespeicher) sichtbares Licht aussendet.
    Heutige Leuchtmassen (Tritium und SL) phosphoreszieren.
    Dann gibt es noch Fluoreszens. Stoffe, die gleichzeitig mit der
    Energieaufnahme (z.B. UV-Licht) leuchten fluoreszieren.
    Im Gegensatz zu phosphoreszierenden Stoffen haben die
    fluoreszierenden Stoffe keine Speicherfähigkeit, d.h. wenn die anregende
    Energie wegfällt, dann leuchten diese Stoffe auch nicht mehr.
    Ihr kennt diesen Effekt aus der Disco, wenn Schwarzlicht verwendet wird.
    Geht das Schwarzlicht aus, dann leuchten auch die Klamotten,
    Zahnfüllungen etc. nicht mehr. :G


    Tritium
    Leuchtmassen in den Uhren phosphoreszieren also.
    Das Radium wurde wegen seiner starken Radioaktivität und damit
    der Gefährlichkeit in den 60ern durch Tritium ersetzt.
    Tritium ist schwächer radioaktiv als Radium. Es ist ein Isotop von
    Wasserstoff und somit ein Gas.
    Als Trägermasse wurde hierbei entweder Zinksilikat (weisse Farbe,
    leuchtet selber nicht nach) oder meist Zinksulfid (grünliche Farbe,
    euchtet nach) verwendet.
    Zinksulfid wird sowohl durch UV-Licht als auch durch radioaktive
    Strahlung angeregt und leuchtet dann nach.
    Allerdings verliert Zinksulfid bereits 20 Minuten nach Anregung 90%
    seiner Leuchtkraft.
    Um diese Stoffe zum "Dauerleuchten" zu bringen wurden sie mit
    einem Tritiumkunststoff (eine Art Lack) ummantelt.
    Ihr müsst Euch Zinksulfid als kritalline Masse vorstellen (wie Speisesalz),
    bei dann als Leuchtmasse jedes Kristall in Tritiumkunststoff
    eingehüllt ist.
    Diese Verbindung leuchtet wesentlich länger nach!
    Physikalisch gesehen werden die Tritiummoleküle durch z.B.
    UV-Licht angeregt, d.h. sie nehmen Elektronen auf.
    Wenn die anregende Energiequelle wegfällt, dann "zerfallen" die
    Tritiummoleküle wieder und dabei geben sie die Elektronen langsam
    wieder ab. Dadurch wird das Zinksulfid zum Nachleuchten
    angeregt.
    Da aber mit der Zeit immer weiniger Moleküle zerfallen, wird die
    Leuchtkraft immer schwächer, bis wieder eine Energiequelle
    da ist, die das Tritium anregt.
    Die Kunststofflacke, in denen das Tritium gebunden ist und
    die die Zinksulfidkristalle umhüllen werden ebenfalls von den
    Elektronen des zerfallenden Tritium "angeschossen".
    Dadurch altern diese Lacke mit der Zeit. Dies ist der Grund, warum
    sich mit Tritiumleuchtmasse beschichtete Blätter und Zeiger mit der
    Zeit gelblich oder bräunlich verfärben.
    Diese Verfärbungen absorbieren das sichtbare Licht. Daher lassen
    diese Leuchtmassen auch bezüglich der Leuchtintensität nach.
    Tritiumleuchtmasse gab es in verschiedenen Farben, von weiss über
    gelb bis blaugrün.
    Tritiumleuchtmasse leuchtet im Vergleich zu Superluminova (s.u.)
    nicht so hell, dafür aber wesentlich länger!
    Die Alterung des Lackes kann dazu führen, dass die Leuchtmasse
    bröckelig wird. Viele Uhrenhersteller (z.B. Rolex) lehnen eine Garantie
    nach der Revision einer alten Uhr ab, wenn die T-Blätter und T-Zeiger
    auf Wunsch des Kunden in der Uhr verbleiben. Die
    Leuchtmassepartikel können im Uhrwerk Schaden durch Reibung
    anrichten.
    Uhren mit Tritiumleuchtmasse sind durch den Aufdruck "T", T<25" oder
    "3H" markiert.
    Hier ein paar Bilder:


    eine Ocean BUND Ref. 3519 AMAG:


    und eine Ref. 3536-001


    Superluminova (R)
    Superluminova-Leuchtmasse funktioniert genauso wie
    die Tritiumleuchtmasse. Auch hier sind phosphoreszierende
    Kristalle (Luminova-Kristalle) in eine Trägerschicht (Lack)
    eingebettet. Und auch in der Trägerschicht gibt es Moleküle,
    die bei UV-Lichteinfall angeregt werden und dann, nach Wegfall
    der Energiequelle, Elektronen abgeben und die Luminova-
    Kristalle zum Nachleuchten bringen.
    Nur ist diese Trägerschicht hier, im Ggs. zum Tritium,
    weder giftig noch radioaktiv.
    Auch altert SL nicht! Somit bleibt die Ästhetik lange erhalten.
    SL leuchtet nach der Aktivierung heller als Tritium.
    Jedoch verliert es schneller an Leuchtkraft, es leuchtet
    also nicht so lange wie Tritium.
    Auch SL gibt es in verschiedenen Farben.


    Hier ein Bild einer Ref. 3536-002 mit SL-Blatt:


    Traser (R) oder Luminox (R)
    Eine neuartige Entwicklung, die auch in die Uhrenindustrie
    eigekehrt ist heisst Traser (R), H3 (R) oder Luminox (R).
    Vereinfacht gesagt kommt hier wieder das altbekannte Tritium
    (s.o.) zum Einsatz.
    Hier aber als reines Gas in kleinen Glasröhren.
    Traser (R) Uhren leuchten anfangs nicht so hell wie SL-Uhren,
    dafür aber wesentlich länger und stabiler.


    Gruß!


    Sascha

  • Äh, ich spiele ja nur ungern den Schlaumeier, aber ich möchte trotzdem noch etwas ergänzen.


    Tritium selber leuchtet nicht und wird auch nicht durch Lichteinstrahlung zum Leuchten angeregt. Tritium ist die Energiequelle, die Zinksulfid oder Zinksilikat zum Leuchten anregt. Dabei zeigt Zinksulfid sowohl phosphoreszente, also Energie speichernde, als auch lumineszente, also Energie umwandelnde, Eigenschaften. Zinksilikat dagegen kann nur Energie in sichtbares Licht umwandeln, also lumineszieren. Als Energiequelle dient der Zinksilikatmasse dabei die radioaktive Strahlung des Tritiums. Diese Strahlung kommt dadurch zustande, dass das zweite Neutron, das Tritium im Gegensatz zu Deuterium (auch eine Wasserstoffart) in seinen Atomkernen trägt, austritt. Dabei zerfällt Tritium über eine Halbwertszeit von ca. 12,32 Jahren in Helium-3, ein nichtradioaktives Heliumisotop. Ohne eine Anregung durch die radioaktive Strahlung des Tritiums leuchtet Zinksilikat nicht.


    Zinksulfid dagegen wird nicht nur durch die Strahlung des Tritiums zum Leuchten angeregt, sondern nimmt auch Licht als Energiequelle auf und leuchtet nach, phosphoresziert also im Prinzip genau so wie Luminova, nur kürzer. Diese Eigenschaft kann man ganz gut bei Uhren mit Tritiumleuchtmasse beobachten, die nach Anregung erst relativ stark nachleuchtet, diese Leuchtkraft (Phosphoreszenz) aber sehr schnell verliert (wie Sascha schrieb in ca. 20 Minuten etwa 90 Prozent der Leuchtkraft) und danach nur noch durch die Tritiumstrahlung zu einem schwachen, aber dauerhaften Leuchten (das ist dann die Lumineszenz) angeregt wird.


    Luminova oder Superluminova (übrigens eine japanische Entwicklung der Firma Nemoto & Co. Ltd. - also gilt hier nicht "Wer hat´s erfunden?" ;) ) ist ein Erdalkali-Aluminat (also eine mineralische Verbindung, die mit in Lauge gelöstem Aluminium angereichert wird - das war jetzt aber sehr, sehr vereinfacht), das wie Zinksulfid durch Licht zum Nachleuchten, also Phosphoreszieren, angeregt wird. Dabei werden in sog. Anregungszentren (den Aluminatatomen in der Erdalkali-Trägermasse, auch wieder stark vereinfacht) Elektronen im Kristallgitter auf höhere Energieniveaus angehoben. Je länger und stärker die Anregung von außen, desto mehr Elektronen bewegen sich auf ein höheres Energieniveau. Nach Abklingen der Anregung durch Licht fallen die Elektronen wieder auf ihr ursprüngliches Energieniveau zurück, wodurch die Phosphoreszenz erzeugt wird. Zu Beginn des Prozesses kehren viele Elektronen auf einmal auf ihr ursprüngliches Energieniveau zurück, wodurch die Masse sehr stark leuchtet. Im Verlaufe der Zeit wird die Anzahl der zurückfallenden Elektronen geringer, wodurch das Leuchten nachlässt (ein Prozess, den jeder an seiner Uhr sehr schön nachvollziehen kann). Irgendwann sind alle Elektronen auf ihrem ursprünglichen Energieniveau angelangt und die Masse leuchtet nicht mehr nach, sofern sie nicht durch neue Energiezufuhr von außen wieder angeregt wird.


    Zinksulfid und Luminova/Superluminova funktionieren also nach den gleichen Prinzipien, wobei Luminova/SL deutlich effektiver mit dem aufgenommenen Licht umgeht. Zinksulfid eignet sich dagegen für die Umwandlung der radioaktiven Strahlung des Tritiums in sichtbares Licht, ist also im Gegensatz zum Luminova radiolumineszent. Die in den letzten Jahren immer häufiger zum Einsatz kommenden Tritium-Gaslichtquellen (TGLQs) in Form von Tritium-Röhrchen nutzen Tritium effizienter als die alten Leuchtstoffe. Im Gegensatz zu den alten Leuchtmitteln wird hier nicht Tritium in einem Kunststofflack gebunden um Zinksulfid zum Leuchten zu bringen, sondern in seiner reinen, gasförmigen Struktur verwandt. Eine TGLQ ist eine von innen mit Leuchtstoff (z. B. Zinksulfid) beschichtete, winzige Glasröhre, die mit Tritium gefüllt und dann versiegelt wird. Das Tritiumgas strahlt in seiner reinen Form stärker als das in Lacken gebundene, wodurch die TGLQs wesentlich heller leuchten als die alten Leuchtmassen. Außerdem ist bei dieser Methode kein unangenehmer Nebeneffekt vorhanden, wie die von Sascha schön beschriebene Alterung des Trägerstoffes (Kunsstofflack) durch das ständige Bombardement der Tritiumstrahlung. Auf alten Ziffernblättern bröselt dann schon einmal der Kunststofflack still vor sich hin, was mit TGLQs nicht passieren kann. Außerdem ist die Strahlung von Tritium sehr kurzwellig und wird bereits durch relativ dünne Glasschichten aufgehalten, wodurch die TGLQs extrem sicher sind, da es nur eine winziger Bruchteil der Strahlung überhaupt durch das Röhrchen schafft (da ist die normale, in der Umwelt vorhandene Strahlung beinahe höher).


    Nebenbei, das von vielen befürchtete Nachlassen der Leuchtkraft von TGLQs wird nur den wenigsten von uns überhaupt Probleme bereiten. Tritium hat, wie gesagt, eine Halbwertszeit von ca. 12,32 Jahren, d. h., dass die Strahlung einer bestimmten Menge Tritium in dieser Zeit auf die Hälfte herabgesunken ist. Das bedeutet aber nicht, dass eine TGLQ nach etwa 12,32 Jahren auch nur noch halb so stark leuchtet. Das dann noch vorhandene Leuchten wird vom menschlichen Auge noch als ca. 75 Prozent des ursprünglichen Niveaus wahrgenommen. Nach etwa 25 Jahren leuchtet eine Uhr mit TGLQs also für unser Auge noch ungefähr halb so stark wie zu Beginn. Für viele von uns also eher ein Problem für die Nachkommen ;) .


    So, Schlaumeiermodus aus :G .

  • Genial, danke für beide Ausführungen. Hamma wieder was gelernt....


    LG,
    Wadlbeissa


    PS: Wäre der Thread nicht besser im Help oder DIY Forum aufgehoben?

    International: Ein "Wadenbeisser" [der] ist ein kleiner Sauhund, der gerne zubeißt, ob seiner Größe aber nicht höher als zu den Waden kommt. Zur Gattung gehören auch der Rauhhaardackel und der Zwergpinscher.


    Wienerisch: A "Wadlbeissa" ist ein ganz g'scherter Haberer, der seinem Gegenüber einedraht aber gleichzeitig hinten 'rum (also ins Wadl) mental-mühselig zwickt. Bei einem Treffen mehrerer Exemplare von Wadlbeissa'n (= Rudl) fliagn de Hackln ergo ganz tief.

  • @ bulldog:


    Jeder Beitrag hier ist wichtig! Da kann von "Schlaumeierei" keine
    Rede sein!
    Danke für die Ergänzung!
    Ich habe meinen Beitrag ganz bewusst inhaltlich etwas einfach
    gehalten, da ja nicht nur Chemiker und Physiker unter und sind! ;)
    Wissenschaftlich gesehen hast Du völlig recht!


    @ Wadlbeissa:


    Da die Nachfragen zu den Leuchtmassen sich auf das Blatt der
    Ref. 3536 der IWC bezogen habe ich der Einfachheit halber hier
    im IWC-Forum geantwortet.
    Es ist kein Problem, das Thema auch in den allgemeinen Bereich
    zu stellen!


    Gruß!


    Sascha

  • Hab mal in einem für bares Geld zu erstehenden, populären, "grossen" Uhrenlexikon nachgeschlagen. :bgdev:


    Leuchtmasse: Kein Eintrag.


    Radium: Kein Eintrag


    Tritium: Kein Eintrag.


    Superluminova: Kein Eintrag.


    Traser: Kein Eintrag.


    Dafür aber ein (kleiner) Eintrag über "Leuchtzeiger, Leuchtziffern" mit dem Hinweis, dass diese wegen Gesundheitsgefährdung verboten seien (na ja, ist etwas unzulässig verkürzt :G ).


    Wenn's nicht so traurig wäre, müsste man laut rauslachen. :bash:


    @ Sascha, Bulldog: Grandiose Beiträge! :gut::gut::gut:


    Viele Grüsse
    Eisbaer

  • Schön gesagt Eisbaer!!!


    Substanz bräuchten wir tatsächlich noch etwas
    mehr!
    Viele hier haben sicher jede Menge Substanz.
    Nur zeigen sie diese nicht!
    Also mein Aufruf: schreibt mehr eigene, inhaltvolle
    Beiträge hier! :gut:
    Themen rund um die IWC gibt es ja genügend!


    Gruß!


    Sascha

  • moin moin,


    darf ich nochmals bescheiden an meine frage vom 12.7.08 erinnern?


    :lupe: leuchtmassen im schwarzlicht - bp 5002


    falls keiner von euch spezialisten eine idee hat, kann ich am freitag dieser woche mal direkt in schaffhausen fragen. ich bin da bei einer werksführung und schon gespannt, was geht. man hört ja die unterschiedlichsten dinge über diese veranstaltung. ich freue mich einfach mal auf einen relaxten tag und ein langes wochenende.


    das mit den spezialisten meine ich übrigens überhaupt nicht ironisch - dickes kompliment und dickes danke für die vielen tollen beiträge von euch, die mich als puren laien und iwc-fan immer wieder staunen lassen. :respekt: :gut: :blume:

  • @ stefan:


    Ich könnte mir vorstellen, dass es u.a. an der Schichtdicke der
    Leuchtmasse liegt.
    Die Schichtdicke im Bereich der Indicés ist wesentlich grösser
    als im Bereich der Zeiger.
    Die Leuchtmasse auf Zeigern und Indicés wird die Selbe sein.
    Die Zeiger sind ja im Bereich der Leuchtmasse durchbrochen
    (skelettiert) und die Leuchtmasse füllt diesen "Durchbruch"
    aus (um eine grössere Schichtstärke zu bekommen und damit
    mehr Leuchtkraft im Bereich der Zeiger).
    Auch könnte ein anderer Lack im Bereich der Zeiger Verwendung
    finden (s.o.), da dieser wesentlich fester sein muß (um die
    Leuchtmasse im Duchbruch halten zu können).
    Aber die "echten" Spezialisten in Schaffhausen können die
    Frage sicher umfassender beantworten!!!


    Gruß!


    Sascha

  • Hallo, (habe mich soeben angemeldet)


    Bei der Ref. 5002 (und bei allen Fliegern und Aquatimern (in Titan):
    Die Leuchtmasse (SLN) auf dem Zb ist aus einem Band gefertigt, bei den Zeigern ist sie flüssig. D.h. das Ausgangsmaterial ist verschieden. Ich denke, dass ist der Grund wieso es nicht genau gleich leuchtet.
    Wobei es bei "normalem" Licht sicher gleich sein sollte.


    Übrigens, IWC ist eine der wenigen Uhrenmarken, die das SLN vom einem Band auf dem Zb verwenden. Andere Uhrenmarken lassen es flüssig auftragen.