Einige Fakten zu den IWC-Uhrwerken

  • Dieser Text ist Teil eines Threads (Die Uhrwerke in den IWC-Uhren)aus den Classics.
    Er behandelt ein heikeles Thema, über welches immer wieder unnötigerweise gestritten wird.
    Hier nun einige Fakten zu den IWC-Kalibern, die solche "heißen Diskussionen" in der Zukunft vielleicht
    etwas mehr mit fundiertem Wissen würzen! :gut:


    Nun aber zum "Eingemachten"! Das Thema IWC-Uhrwerke im Zusammenhang mit
    Begrifflichkeiten wie "Inhouse-Movement", "Manufakturkaliber" oder "IWC eigenes Kaliber"
    spaltet die Gemeinschaft der Uhrensammler.
    Immer wenn dieses Thema aufkommt schreien die Einen "IWC ist ein ETA-Einschaler" und
    die Anderen behaupten, dass die Uhrwerke eigentlich, auf Grund vieler technischer
    Veränderungen, als IWC-Kaliber zu bezeichnen sind.
    Und dann beginnt meist ein heftiger und oft unsachlicher Streit......!
    Aber diesem fehlt meist etwas Entscheidendes: fundierte Information in der Diskussion und
    fundiertes Wissen der Kontrahenten.


    Und die IWC ist selber etwas schuld daran, da man in Schaffhausen nur sehr selten über die
    wirklich erheblichen technischen Änderungen spricht und den Uhrwerken schon immer
    IWC-eigene Kaliberbezeichnungen gibt.
    Schade, denn über diese Modifikationen könnte die IWC mit Stolz berichten! Sie sind sehr
    eindrucksvoll und optimieren diese Werke um Längen im Vergleich mit den Standard-ETA-Werken.
    Offenbar hat man Angst, die Innovationen der IWC in Sachen Gehäusebau, Technologie etc.
    könnten von der Tatsache in den Schatten gestellt werden, das Uhrwerke auf Basis bewährter
    ETA- und Valjoux-Kaliber Verwendung finden.


    Aber was spricht eigentlich gegen diese weit verbreiteten Uhrwerke? Eigentlich doch nur die
    Tatsache, dass diese Uhrwerke eben so verbreitet sind und daher nicht wirklich als "Rarität"
    bezeichnet werden können. Aber in sachen Qualität und Funktionssicherheit stehen viele
    dieser Raritäten den "Massenkalibern" erheblich nach.


    Wenn man nicht gerade ein Sammler von Uhren mit seltenen Kalibern ist oder das extrem
    Außergewöhliche sucht (und bereit ist, dafür viel Geld auszugeben), dann kann man ohne
    Skrupel die Uhren mit IWC-Kaliber kaufen.


    Die ETA- und Valjoux-Kaliber gelten als technisch ausgereift und eines ist sicher: man bekommt
    für diese Werke auch in vielen Jahren noch Ersatzteile und man findet jede Menge Uhrmacher,
    die diese Uhren auch noch bearbeiten können.
    Selbst bei Herstellern wie Rolex ist das beileibe nicht mehr so. Da hat man Probleme, ältere
    Chronographen überhaupt noch repariert zu bekommen.
    Apropos Rolex: können die Werke eines Herstellers, der 750.000 (Chronometer) Uhren pro Jahr
    wirklich noch als "Raritäten" angesehen werden? In Hinsicht auf die produzierten Stückzahlen
    sicher nicht, was die Produktionstiefe und die Qualität von Rolex anbelangt sicher allemal!
    Verglichen mit ca. 2 Millionen ETA 2892-2 Uhrwerken PRO Jahr ist das gut ein Drittel, was Rolex
    da produziert. Wo ist denn da die Grenze, die die Wertigkeit der Uhrwerke festlegt?
    Sicher nicht in der produzierten Stückzahl.
    Eher in der Fertigungstiefe eines Herstellers oder seinen technischen und werkstoffkundlichen
    Innovationen!


    Was will also der normale Uhreninteressierte? Sicher eine bezahlbare Uhr in einer Qualität,
    die viele Jahre Freude garantiert!
    Bei den echten Manufakturen mit einer Fertigungstiefe von > 80 Prozent sind die Preise schon
    deutlich über der Schmerzgrenze der Meisten hier!
    Und wirklich viel Handarbeit (manu faktum) gibt es bei den meisten der Herstellern heute auch
    nicht mehr! Bei den Stückzahlen müssten die Uhrenfirmen ein Vielfaches an Mitarbeitern haben,
    um tatsächlich noch Handarbeit machen zu können.
    Und manche Dinge können Maschinen einfach genauer und damit besser als wir Menschen


    Was spricht also gegen erheblich modifizierte Großserienwerke? Eigentlich nichts! Sie sind
    wesentlich preiswerter als Manufakturkaliber und, was die Funktion anbelangt, qualitativ
    mindestens gleichwertig.
    Man muß mehrere Dinge bei diesen Diskussionen beachten! Verbaut der Hersteller z.B.
    ETA-Werke in einer der höheren Qualitätsstufen oder eher die günstigen und qualitativ
    schlechteren Varianten?
    Es gibt bei der ETA die Rohwerke in verschiedenen Qualitätsstufen, von einfacher Qualität
    bis Chronometerqualität.
    Und die Unterschiede sind erheblich: exaktere und besser polierte Zapfen und Triebe, genauer
    gearbeitete Zahnräder und Verzahnungen mit weniger Spiel u.v.m. .


    Doch was wird nun in Schaffhausen wirklich gemacht?


    Zunächst einmal muß man zwischen den seit längerem verwendeten Kalibern auf ETA-
    bzw. Valjoux-Basis und den neu entwickelten Kalibern (Kal. 5xxx / 5xxxxx, Kal. 80xxx)
    unterscheiden.


    Die neuen Kaliber sind technische Leckerbissen, und durchaus als "inhouse" zu bezeichnen.
    Uber diese Werke möchte ich an dieser Stelle nicht reden, da sie meist nicht Gegenstand der
    hitzigen Diskussionen sind.


    Bei den ETA-basierten Werken passiert folgendes:
    Die IWC verwendet ausschließlich Rohwerke der Qualtätsstufe "Chronometer", also der höchsten
    Qualitätsstufe. Diese Rohwerke werden aber noch weiter verfeinert.
    Z.B. das Valjoux 7750 kommt, wie alle anderen ETA-Werke auch, als Bausatz in Einzelteilen in
    Schaffhausen an.
    Alle Teile werden akribisch geprüft, optisch vermessen und rigoros bei zu großen Toleranzen aussortiert.
    Einige der Teile verwendet die IWC generell nicht.
    Ein gutes Beispiel ist die Hemmungsbaugruppe, quasi das Herz der Uhr. Diese Baugruppe wird
    gesondert nach IWC-Vorgaben produziert und dann eingebaut. Diese Baugruppe hat mit der
    Standard-ETA-Baugruppe nichts mehr gemeinsam.
    Auch wird jede Hemmung vor dem Einbau von einer Regleuse aus Fleisch und Blut intensiv
    geprüft und korrigiert.
    Auch werden in einigen Werken, in denen die ETA noch Metalllager verwendet (z.B. Valjoux 7760),
    die Metalllager von Hand entfernt und durch Steinlager ersetzt.
    Andere Teile, so z.B.einige der gestanzten Zahnräder, werden gar nicht verwendet. In diesen
    Zahnrädern sind aus produktionstechnischen Gründen Löcher gestanzt (damit die Maschinen
    der ETA diese Teile besser greifen und transportieren können).
    Leider resultiert daraus ein großes Höhenspiel der Räder, welches in Kombination mit den
    scharfkantigen, durch den Stanzprozeß entstandenen Kanten der Räderflanken zu Reibung und
    Abrieb an Brücken und Rädern führt.
    IWC stellt diese Räder selber her und bearbeitet diese oberflächentechnisch massiv nach.
    Auch die ETA-Federhäuser werden nicht verwendet! Die originalen ETA-Federhäuser sind nach
    all den reibungsminimierenden Modifikationen einfach zu stark. Daher verwendet die IWC eigene
    Federhäuser, die wesentlich schwächer sind und alle Bauteile des Werkes wesentlich weniger
    stark belasten.
    Das Ergebnis ist eine erheblich längere Lebensdauer der Werke und eine größere Präzision.
    Die Oberflächenbearbeitung der Brücken und Platinen ist von höchster Qualität und auch die
    Schmiermittel sind sehr hochwertige!
    Es werden also alle wesentlichen Teile der Uhrwerke ersetzt. Von daher sollte man nicht mehr
    von ETA-Werken oder vom "ETA-Einschaler IWC" sprechen.
    Denn im Gegensatz zu vielen anderen bekannten Hersteller bearbeitet die IWC, wie oben
    dargestellt, die Basiswerke nicht nur optisch, sondern auch massiv technisch.


    Und wenn man sich die laufenden Veränderungen an den Uhrwerken ansieht, gut an den
    wechselnden Kaliberbezeichnungen zu erkennen (siehe z.B. weiter unten in diesem Thread
    bei der Kaliberfamilie 5xxx/ 5xxxx), dann merkt man, das IWC an den Werken auch weiter entwickelt
    und viel "Hirnschmalz" und Geld in dieses Thema steckt!


    Ich hoffe, dass Euch diese Zeilen etwas mehr Einblick in die Uhrwerke der IWC gegeben haben
    und Ihr nun genug "Munition" und gute Argumente für die Diskussionen mit den Unwissenden
    oder IWC-Hassern habt! :bgdev:


    Euer Sascha

  • Bild copyright by Martijn B.
    Starker Bericht ! Danke hierfür. :blume:
    Vor einigen Wochen wurde ich hier noch abgewatscht für meine "IWC bebrillten" Kommentare. Ich glaube ich sollte sachlicher und emotionsloser schreiben :grb:
    Das hier riecht stark nach Diplomarbeit über die IWC :lupe:
    Eine Punkt möchte ich hier noch zufügen. Herr Ihnen (Technischer Leiter der IWC) erzählte mir einer der Gründe warum IWC Anfang der 80er Jahre auf Eta Kaliber setzte war der Mangel an Personal und die wirtschaftliche Lage seinerzeit z.B das 8541 weiter zu bauen und zu entwickeln. Man "beschränkte" sich so zu sagen auf das veredeln der Grundwerke.
    Wenn man sich die Werke aus den Zeiten anschaut hier oben das Valjoux 7740 (HA) mit dem Habringschen Schleppzeiger Mechanismus (wunderschön!!! ) fragt man sich warum man diesen Uhren damals nicht schon den Glasboden serienmässig spendierte. Die heutigen Werke wirken doch um einiges nüchterner und "technischer" als die damaligen teilweise vergoldeten und rhodinierten Werke.
    viele Grüße
    F.

  • Alexander Linz hat zu dem Thema doch schon vor ca 2 Jahren auf der IWC Homepage einen Bericht geschrieben.
    Er Behandelt das Thema ETA und IWC. Wenn man diesen gelesen hat, wird einem vieles klarer. Es ist nur nachteilig, dass dieser Bericht im Member Bereich ist und ihn somit nicht jeder lesen kann.
    Ansonsten würden weniger Diskussionen stattfinden.

  • @ DUC888:


    Du hast Recht! Es wurde an anderer Stelle schon ab und zu etwas über dieses Thema geschrieben.
    Und richtig: aud der IWC eigenen HP können es nur Mitglieder lesen. Daher habe ich den vorliegenden Bericht geschrieben
    und eben nicht nur in den Classics (Zugriff nur für Mitglieder), sondern auch hier im "offenen" Bereich.
    Auf dass unsachliche und emotionale Diskussionen über dieses Thema hier im Forum Geschichte sind!


    Gruß!


    Sascha

  • Als kleine Ergänzung des tollen :respekt: und wichtigen :gut: Threads zwei Beiträge aus TimeZone:


    http://www.timezone.com/articl…rticles631681571896618891


    http://www.timezone.com/librar…rticles631681558435961807



    VG
    Andy :wink:

    Chad the Watch Guy sagt:


    "Breitling has some great pieces, just no after market to speak of, still a heavy hitter in the industry and a real nice case design for everyday wear." ;)




    "and deal the cards roll the dice
    if ain't that ole Chuck E.Weiss"



    Chuck E's in love :bernd:

  • Übrigens lässt sich zum Thema "ETA-Basiswerke" noch folgendes ergänzen:


    Andere, z.T. auch sehr hochwertige Uhrenmarken stützen sich, wie die IWC auch, auf
    ETA-Basiswerken oder Bausätzen ab.
    Einer der hochwertigsten Hersteller ist "Franck Muller", der im Watchland bei Genf
    ultrakomplizierte Uhren baut.
    Viele dieser hochkomplizierten Uhren bzw. deren Uhrwerke basieren auf ETA Grundwerken.
    Und "Frank Muller" geht sehr offensiv mit diesem Thema um. Er sagt: "...warum soll ich mich
    nicht auf bewährte Technik abstützen und lediglich die Komplikationen selber kreiren...?!"
    Er hat Recht!
    Und auch Hersteller wie Dornblüth nutzen Grundwerke anderer Hersteller!
    Ist die Qualität dieser Uhren deswegen schlecht? Sicher nicht!
    Denn: Es kommt darauf an, was man daraus macht! ;)


    Verwerflich sind da eher andere Hersteller, die ETA-Werke nahezu unverändert (technisch gleich,
    lediglich die eine oder andere individuelle Gravur...) verbauen und diesen dann eigene
    Bezeichnungen geben, den Käufer darüber aber im Unklaren lassen und zudem sehr viel Geld für
    diese Uhren verlangen!!! :bash:


    Also: Augen auf beim Uhrenkauf! :gut:


    Gruß!


    Sascha