Mit der Energiewende zum Spiegelei...

  • Liebe IWC-Freunde,


    wenn man so einige Zeit vor sich hin sammelt, kommt man zwangsläufig an den Punkt, wo die Lücken sich schließen und die potenzielle Ziele immer weniger werden. Blöderweise haben diese wenigen Ziele meist zwei Gemeinsamkeiten - sie sind selten und sie sind (zu) teuer, sonst hätte man sie ja schon...


    Bei meinen Armbanduhren habe ich eigentlich nur noch zwei "Sammleruhren", die mich schon viele Jahre verfolgen und bei denen ich noch nicht zugeschlagen habe - mangels Gelegenheit, aber auch mangels Zug zum Tor. Die eine Uhr ist die IWC Deep One. Als erklärter Fan der 2004er Aquatimer kommt man an dieser Uhr eigentlich nicht vorbei, denn sie war technisch wie optisch das Vorbild dieser Serie, gerade für die Titanmodelle. In früheren Jahren hatte ich diese Referenz zwar immer mal wieder im Blick, konnte mich aber nie zum Kauf durchringen - als absoluter Nichttaucher fand ich einen Tiefenmesser am Arm etwas deplatziert, so hatten immer andere Modelle Vorrang. Blöderweise ist nun im Zuge des allgemeinen Hypes auch gerade dieses Modell deutlich im Preis gestiegen, so dass sich die Einstandskosten aktuell ungefähr verdoppelt haben. Ich kann mir zwar nicht so recht vorstellen, dass jemand diese Uhr wirklich für 20k kauft - aber das hilft ja nichts, solange es die Verkäufer glauben. Das wird also so bald nichts werden, wobei ich da auch ausreichend geduldig bin. Im Zweifel muss man da halt noch ein paar Jahre warten...


    Die zweite Uhr, die eigentlich zwingend in die Sammlung gehört, ist die IWC 5251 "Ur-Portofino" (auch bekannt als "Spigelei") - und das gleich aus diversen Gründen: Meine erste IWC Armbanduhr war eine Portofino, da darf die Ursprungs-Referenz der Kollektion nicht fehlen. Dann ist die 5251 eine von drei modernen IWC-Armbanduhren mit einem Taschenuhrwerk und die anderen beiden (die 5441 Jubi-Portugieser und die 5240 Minutenrepetition) habe ich ja schon in der Sammlung:



    Dazu kommt die Historie der 5251, die nichts anderes ist als eine Taschenuhr mit Hörnern und Armband und direkt aus der Ref, 5250 abgeleitet wurde - der Legende nach hat Hanno Burtscher bei einem Abendessen mit Kurt Klaus die Uhr auf einer Serviette skizziert: Als Basis die 5250, gedreht um 90 Grad, damit die Krone des Lepine-Werkes auf der 3 landet. Und so wurde diese Uhr auch anfangs quasi als Taschenuhr vermarktet:





    Das war 1981, übrigens 3 Jahre bevor die Portofino-Kollektion aus der Taufe gehoben wurde - dafür wurde die 5251 einfach als Flagschiff umgewidmet, Story-Telling gab es auch in den 1980er Jahren schon :whistling: . Die zugrunde liegende Taschenuhr-Referenz 5250 hat ja für mich eine besondere Bedeutung, da ich gleich zwei dieser Uhren habe - einmal mit dem weißen Zifferblatt und einen Prototypen mit schwarzem Zifferblatt, beide mit dem berühmten Fehldruck. Vorgestellt hatte ich diese Uhren hier:




    Im zweiten Link hatte ich auch beschrieben, wie es damals zur doppelten VII kommen konnte.


    Bei der Armbanduhr-Variante gab es diese Fehldrucke nicht, denn obwohl das Werk identisch war und interessanterweise auch der Preis, musste durch die horizontale Anordnung der Mondphase und der kleinen Sekunde ein neues Blatt gedruckt werden - und da hat man dann besser aufgepasst :lupe:


    Obwohl die Ur-Portofino aus heutiger Sicht kaum glaubliche 17 Jahre (!) unverändert in der Kollektion war (und zwar von 1981 bis 1998), wurden von dieser Uhr nur geringe Stückzahlen gefertigt - pro Jahr zwischen 10 und 20 Exemplare. Diese Uhr wurde in der Regel nur auf Bestellung gefertigt und hatte dann eine Lieferzeit von fast 1,5 Jahren. Bereits 1989 hatte man die Produktion des Kalibers 9521 eingestellt, so dass in den letzten 10 Jahren nur noch aus dem Bestand produziert wurde. Insgesamt gibt es von dieser Referenz ca. 325 Exemplare in zwei Versionen: In der ersten Serie mit massivem Boden und dann seit ca. 1984 auch mit dem Glasboden - was damals übrigens durchaus noch eine Innovation war. Die Variante mit dem Massivboden ist seltener, macht aber bei dieser Uhr nicht wirklich Sinn: Denn man will das Uhrwerk ja sehen...


    Warum fehlte nun ausgerechnet diese Referenz in der Sammlung? Das hatte im Wesentlichen drei Gründe: Durch die Seltenheit war die 5251 nochmal teurer als die 5441, gleichzeitig ist die Uhr mit 46mm Durchmesser deutlich größer als die 5441/5240 - und die sind ja schon nicht klein. Zudem hatte ich auch nie die Gelegenheit, diese Uhr mal live am Arm anzuschauen und deshalb die Befürchtung, dass das eine reine Sammleruhr ist, die man kauft und dann weglegt, da sie durch die Größe nicht wirklich tragbar ist. Und zum Weglegen ist das dann doch (zu) viel Geld.


    Aber wie so oft, Geduld zahlt sich aus: Auf einer großen Plattform war mir ein Exemplar aus einer Sammlungsauflösung ins Auge gefallen, das tatsächlich bei mir im Norden angeboten wurde, noch dazu von privat. Der Preis war gewohnt ambitioniert, aber über die Monate bröckelte das langsam ab. Nach fast einem Jahr habe ich dann mal ein sportliches Angebot hinterlegt - und tatsächlich kam es nach einigen Verhandlungsrunden zum Abschluss :gut:


    Der Preis war super, viel Geld war es trotzdem und so war ich sehr gespannt auf meine erste reale Begegnung mit der Uhr. Bei solchen Uhren lohnt sich immer eine persönliche Abholung - zum einen, weil es sicherer ist, und zum anderen, weil man so meist ganz interessante Gespräche führen kann. Der Verkäufer war ein alter Hase, dessen erster Uhrenkauf länger zurücklag als meine Geburt. Entsprechend war die Sammlung eine Zeitreise durch die letzten Jahrzehnte, mit ganz unterschiedlichen Marken und Stilen.


    Jetzt wurde die Uhrensammlung langsam aufgelöst, wobei der konkrete Auslöser die Energiewende war: Der Erlös diente der Refinanzierung einer Wärmepumpe, die allerdings (man ahnt es...) eine erhebliche Lieferzeit hatte. Am Ende wurde sie aber doch ziemlich spontan und zwei Monate vor dem zuletzt genannten Termin geliefert, was für einen gewissen Verkaufsdruck und damit den erträglichen Preis sorgte - der Installateur wollte schließlich bezahlt werden...


    Zurück zur Uhr: Die Portofino war aus dem Jahr 1990 und hatte bis auf die üblichen Kratzerchen im Plexiglas keine relevanten Tragespuren. Und was mich wirklich (positiv) überrascht hat: Die Uhr trägt sich wirklich gut am Handgelenk. Das Geheimnis sind die sehr kurzen Hörner - trotz des Durchmessers von 46mm sind es lug-to-lug knapp unter 51mm, da können die Nomos und Longines dieser Welt noch was lernen :opa:


    Präsenz hat die Uhr durch das riesige Zifferblatt natürlich trotzdem, durch die geringe Höhe von ca. 10mm (wobei das eigentliche Gehäuse nur ungefähr 6mm misst) passt sie aber problemlos unter eine Hemdmanschette. Und entgegen meiner Befürchtungen ist das tatsächlich eine Uhr zum Tragen, die bisher schon erstaunlich oft den Weg ans Handgelenk gefunden hat. Das hätte ich echt nicht gedacht und das kann bei solchen "Blindkäufen" natürlich auch ganz anders ausgehen.


    Nach all dem Text, nun endlich auch Bilder von der Uhr - das Licht hat meine Fotokünste wieder etwas überfordert, aber für einen Eindruck sollte es reichen :wink:






    Die extrem kurzen und nach unten gezogenen Hörner sorgen für den guten Sitz:




    Das Kaliber 9521 ist modular, die Mondphase wird zifferblattseitig aufgesetzt. Die Uhr verfügt über einen Sekundenstopp und zeigt erstaunlich gute Gangwerte (minimal im Plus).






    Die Mondphase wirkt durch den Goldfluss live sehr lebendig, im Licht funkeln da viele kleine Sterne. Die Einstellung läuft halb-schnell, d.h. man dreht den Stundenzeiger zwischen 22.00 und 02.00 Uhr vor und zurück, dadurch schaltet die Anzeige einen Tag weiter.





    Einen bekannten Schwachpunkt hat die Portofino: Die für eine Handaufzuguhr dieser Größe katastrophal kleine Krone, die zudem nur durch eine schmale Rändelung ein bisschen Grip bietet. Aber das wird zumindest die Speedy-Besitzer hier nicht vor Herausforderungen stellen :G




    Fazit: Die lange Suche hat sich gelohnt und die Portofino ist das erhoffte Highlight :gut:


    Gruß,

    Christian

  • Glückwunsch Christian, Geduld zahlt sich aus und wenn dann die Umstände passen…was will man mehr.


    Danke für die Vorstellung

    :wink: Benny :wink:

    Die junge Generation hat auch heute noch Respekt vor dem Alter; allerdings nur noch beim Wein, beim Whisky und bei Möbeln.
    Truman Capote



  • Tolle Uhr, tolle Vorstellung! Biel Spaß mit dem Spiegelei - wobei ich beim Threadtitel zuerst an ein Auto dachte.. ;)

    Grüße - Gerd... :wink:


    Sascha, Unvergessen!:blume:


    Kein Instagram, kein Facebook. Kein TikTok, kein anderes Gedöns, das ist ja wie ein Gefängnisausbruch! Herrlich!