Liebe IWC-Freunde,
der aktuelle Uhrenmarkt ist ja (wie viele andere "Anlageklassen" auch) in einer ziemlich überhitzten Phase. Allerorten hört und liest man von Knappheit und ausgehend von den üblichen Verdächtigen (RO, Nautilus, Stahl-Rolex) wandern die Marktpreise scheinbar unaufhaltsam nach oben. Angesichts der Knappheit oder des irrwitzigen Preisniveaus färbt diese Entwicklung inzwischen sogar auf Marken ab, die bisher gänzlich unverdächtig erschienen - selbst bei Sinn oder Zenith kann man bei einzelnen Modellen schon Käufer mit vor Aufregung fleckigen Gesichtern entdecken.
Nun ist das ja für den gestandenen Uhrenfreund eine schöne Sache, wenn man nach Jahren oder Jahrzehnten der Liebhaberei plötzlich ganz entspannt der Gattin entgegen treten und mit dem Verweis auf die RO/Sub/Nautilius etc., die man vor vielen Jahren heimlich erstanden hat und die heute das x und y-fache wert ist, einen Freibrief für alle zukünftigen Uhrenkäufe einfordern kann. Wobei (ähnlich wie bei Häusern) diese Wertsteigung völlig virtuell bleibt, solange man nicht verkauft - und das möchte man in der Regel ja nicht.
Eine durchaus negative Seite der Entwicklung findet sich auf den üblichen Plattformen. Gefühlt wird das Angebot immer enger und die Preise konsequent ambitionierter. Man hat ja über die Jahre so Routinen entwickelt, z.B. auf was für Angebote man in Uhrenforen etc. klickt. Inzwischen merke ich da eine deutliche Veränderung - bei vielen Uhren, die ich mir früher angeschaut hätte, klicke ich heute nicht mal mehr auf die Beschreibung. Es lohnt sich einfach nicht, da die Chance auf einen interessanten Preis gleich Null liegt. Gleichzeitig nimmt der Anteil der "Commodity"-Uhren am Gesamtmarkt immer mehr zu. Guckt man gar bei den üblichen Verdächtigen bei Instagram oder Youtube, scheint es sogar gar nichts anderes mehr zu geben. Was mir dabei besonders auffällt: Wenn man da durchsurft hat man am Ende einen Überfluss an Informationen, was eine RM XY kostet, wie viel teurer die geworden ist und dass die bestimmt noch viel teurer werden wird. Was die aber eigentlich kann (Komplikationen, Innovationen, Materialien etc.) interessiert kein Schwein.
Das führt zur Eingangsfrage: Ist der Uhrenmarkt inzwischen so effizient und anlageorientiert, dass es für den Uhrenfreund auf der Suche nach neuen Reizen komplett langweilig geworden ist?
Wie oben anklingt, würde ich diese Frage für viele Marken und Plattformen mit "ja, zumindest weit überwiegend" beantworten. Aber: Zu jeder Entwicklung gibt es ja auch eine Gegenbewegung. Gefühlt sieht man in den letzten Monaten vermehrt Vorstellungen von Marken, die bisher eher ein Schattendasein geführt haben. Und ich kann da nur jeden bestärken, der z.B. als Uhr zum Tragen inzwischen eine GP Laureato der (ohnehin nicht erhältlichen) Nautilus oder RO vorzieht. Und eine Omega Aqua Terra ist sicherlich keine schlechtere Uhr als eine Rolex DateJust.
Um wirkliche Schätze entdecken zu können, muss man aber vermutlich nochmal etwas abseitiger unterwegs sein, in Uhrensegmenten, die auch heute noch unbeachtet vor sich hin dösen. Ich lande z.B. in der letzten Zeit immer mehr bei Großuhren und Taschenuhren - bei ersteren gibt es eine sehr große Vielfalt gerade bei JLC, deren "Mid Century" Designs gut bei mir ins Heim passen. Der Zustand variiert und die Preise auch, aber mit Geduld kann man da (meiner Meinung nach) noch sehr gute Deals machen - vor allem auf einem absoluten Preis-Niveau, das für die überwiegende Zahl der Uhrenfreunde zugänglich ist (500-1500 Euro). Zudem kann man die Dinger jeden Tag im Regal anschauen, während die Armbanduhr #56 dann doch nur im Schließfach dämmert.
Bei den Taschenuhren bin ich ja auf IWC festgelegt, einfach weil dass die einzige Ecke ist, für die ich ausreichend Know-how besitze, um mich auch mal in größere Vintage-Abenteuer zu stürzen. Mit den Jahren habe ich da schon manchen Treffer gelandet - z.B. wirklich einmalige Uhren aus dem Segment der Schuluhren, wie etwa meine Chronometer-Schuluhr:
Die Geschichte dazu hatte ich hier vorgestellt:
Über das Suchen, das Finden und das Sammeln - und ein Chronometer-Zertifikat
Viele dieser Uhren fallen gerade bei IWC auch in eine besonders spannende Phase, als es nämlich Ende der 1970er Jahre für das Unternehmen ums nackte Überleben ging.
Ein Beispiel aus dieser Zeit ist meine 800 Jahre Luzern-TU, die ich hier mal vorgestellt hatte:
Uhren-Hauptrollen in der IWC-Geschichte - Part 2: The Good Guy...
Denn gerade in diesen Schicksalsjahren hing unheimlich viel an den Taschenuhren, entsprechend aktiv war IWC in diesem Bereich - hier finden sich noch weitere Beispiele:
Schicksalsjahr 1974: Als das letzte Kapitel der IWC Taschenuhren begann...
Und so stammt auch das absolute Highlight meiner TU-Sammlung aus dieser Phase - nämlich meine Ref. 5250, auch bekannt als "Ur-Portofino":
Die Besonderheit bei meiner 5250 war dabei, dass sie zu einer ganz kleinen Zahl an Fehldrucken gehört, die in der ersten Produktionscharge durch die Qualitätskontrolle gerutscht waren - selbst im Katalog war die Uhr so abgebildet:
Die Geschichte dazu findet ihr hier:
Marken-Geschichte, Story-Telling, Qualitäts-Management - und ein heiliger Gral...
Wenn man so einen Treffer gelandet hat, bleibt natürlich die Frage: Was bleibt da noch? Kann man das noch toppen?
Ihr ahnt die Antwort: Ja, das geht. Auch heute noch, wo das Internet alles kennt und jede noch so obskure Uhr dokumentiert zu sein scheint. Trotzdem kann man über die übliche Plattformen surfen und so etwas entdecken:
Schwarze Taschenuhren sind ja extrem selten, bei IWC war mir außer einer Version der Ingenieur-TU Ref. 5215 gar keine bekannt. Die Mondphasen-Taschenuhr 5250 gab es definitiv nur mit einem weißen Blatt, kein Katalog und keine Datenbank kennt eine andere Version.
Das muss also eher ein Bastel-Wastel sein. Doch wenn man genau hinschaut, fällt auch hier wieder auf:
Die doppelte "VII" - wie ist das denn möglich? Das Zifferblatt ist ja definitiv nicht einfach ein umlackiertes Original-Blatt und was wäre da auch die Wahrscheinlichkeit, dass man das ausgerechnet bei einer der Fehldrucke gemacht hat (von diesen Uhren gibt es nur ein halbes Dutzend).
Also blieb nur eine Option: Kaufen .
Die Uhr kam im Full Set, was bei Taschenuhren sehr selten ist - allein durch das Alter dieser Uhren sind solche Dokumente meist verloren gegangen.
Zwei Sachen waren dabei sehr interessant: Zum einen war in den Unterlagen explizit vermerkt, dass es sich um eine Sonderanfertigung handelte - also die Uhr wirklich ab Werk so ausgeliefert wurde:
Der zweite Punkt betraf die Auslieferung: Diese Uhr stammt aus 1979, musste also eine der allerersten Exemplare dieser Referenz sein. Und dann erschien mir der Konzessionär ein wenig komisch - die Uhr stammt von einem Juwelier aus einem kleinen Ort direkt an der Schweizer Grenze, praktisch gegenüber von Schaffhausen. Aber auch in den 1970er Jahren kann es in so einem Ort eigentlich keinen IWC-Konzi gegeben haben, zumal das kein touristisches Mekka war.
Der Verkäufer hatte die Uhr von seinem Vater geerbt. Und dieser hatte sie Anfang der 1980er Jahre einem guten Freund abgekauft - dieser Freund war der Juwelier aus den Papieren. Eine Internet-Recherche förderte wenige, aber interessante Informationen zu Tage: Der gute Mann war offenbar lange Jahre in der Uhrenbranche tätig und laut Branchenbuch auch heute noch aktiv.
Das ist ja das schöne an Taschenuhren: Die haben eine Geschichte zu erzählen. Was aber nun genau hinter dieser Uhr steckt, war mir noch unklar - deshalb habe ich den Juwelier einfach mal angerufen und gefragt, ob er sich an die Uhr erinnern konnte. Konnte er
Und der Hintergrund war wesentlich spannender als ich erwartet habe. Und auch der gute Mann war anders als erwartet weder Juwelier noch IWC-Konzi - aber dazu mehr im zweiten Teil der Geschichte.
Erstmal noch ein paar Fotos zur Uhr:
Das schwarze Blatt lässt sich leider nur schwer fotografieren, da natürlich das Glas nicht entspiegelt ist:
Die Mondphase ist aus Goldfluss, ich habe das mal versucht einigermaßen einzufangen:
Das Zeigerspiel ist auch anders als bei der normalen Ref. 5250 - statt der birnenförmigen Zeiger werden hier eher expressive Louis XV-Zeiger verwendet, wie man sie auch von der Portugieser Missing Link kennt:
Die Rückseite ist eher schlicht:
Die Werkansicht findet ihr in den verlinkten Beiträgen, es ist wieder eine Kal. 952 Basis, die Komplikation wurde auf der ZB-Seite aufgesetzt.
Soweit zu den Bildern - mehr zur Geschichte folgt heute Abend
Gruß,
Christian