Das Jahr 1967: Die letzte Generation vor der Quarzkrise - Teil II: IWC Ingenieur 866

    • Offizieller Beitrag

    Liebe IWC-Freunde,


    ein stürmisches Wochenende bietet mal wieder Gelegenheit für einen Blick zurück in die Historie der IWC. Dabei gibt es ja einige Jahre, die herausstechen - mal durch entscheidende Entwicklungen in der Firmengeschichte, mal durch besonders relevante Modelle, die das Licht der Welt erblickten.


    Letzteres trifft ohne Zweifel auf das Jahr 1967 zu: Während in Kalifornien mit dem "Summer of Love" die Hippie-Bewegung ihren Höhepunkt fand, gab es auch in Schaffhausen Highlights, die noch völlig unbeschwert von der kommenden Quarz-Revolution waren. Auch wenn sich diese neue Technologie schon ankündigte und mitten in der Entwicklung steckte, dürfte vermutlich niemand so wirklich vorhergesehen haben, welche Auswirkungen dies für die Schweizer Uhrenindustrie und auch IWC bedeuten würde.


    Und so wurde aus dem Vollen geschöpft und eine neue Kollektion präsentiert, die zumindest mit drei Modellen die Zukunft der Marke prägen sollte. Die erfolgreichste dieser Referenzen war die Yacht Club I Ref. 811, die sich sofort zum Verkaufsschlager entwickelte und ganz wesentlich zum Rekordabsatz bei IWC bis zum Jahr 1973 beitrug. Optik und Technik passten hier perfekt in die Zeit, das war praktisch die Datejust von IWC.


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    Diese Uhrenfamilie hatte ich bereits hier sehr umfassend vorgestellt:

    Die IWC Yacht Club I - Eine kleine Sammler-Historie


    Dieser Faden ist damit gleichzeitig "Teil I" dieser Serie - falls sich jemand wundert, warum ich hier mit "Teil II" anfange ;)


    Genaue Verkaufszahlen sind nicht bekannt, aber man kann wohl davon ausgehen, dass sich die Gesamtzahl der verkauften Yacht Club I deutlich im fünfstelligen Bereich bewegt. Im Vergleich mit einer Datejust ist das zwar nichts, aber für IWC-Verhältnisse reicht das für einen der absoluten Bestseller-Plätze in der Geschichte. Entsprechend häufig trifft man diese Uhr auch heute noch an und auch gute bis sehr gute Exemplare sind zu sehr fairen Preisen verfügbar - definitiv keine Uhr, die sich für Spekulationen eignet.


    Die Yacht Club I übernahm damals - vermutlich nicht ganz geplant - die Rolle des Zugpferds in der Kollektion von der Ingenieur 666, die bis heute die Marke IWC prägt wie nur wenige andere Modelle.


    Nich ganz geplant deshalb, weil 1967 eigentlich eine andere Referenz die Nachfolge der 666 antreten sollte - die Ingenieur 866. Und um die soll es in diesem Kapitel der Geschichte gehen.


    Auch wenn die IWC Flieger- und Portugieser-Uhren ihre Urahnen bereits in den 1930er Jahren haben, war doch die Ingenieur 666 vielleicht das wichtigste Modell in der Nachkriegszeit. Ja, es gab noch eine Mark 11, aber die spielte bei den Stückzahlen in einer anderen (niedrigeren) Liga und war im Vergleich zur Ingenieur eher ein NIschenprodukt.


    Die Geschichte der IWC Ingenieur ist bis heute am besten nachzulesen auf den Seiten, die Marco Schönenberger (von dem auch das DateYourIWC-Tool stammt) bereits vor vielen Jahren zusammengestellt hat:


    http://www.moeb.ch/Ingenieur/Ingenieur_d.html


    Hier finden sich auch alle technischen Informationen zur zweiten Generation der Ingenieur, der Ref. 866, die im Jahr 1967 vorgestellt wurde und bis zur Lancierung der Ingenieur 1832 "Genta" 1976 in der Kollektion blieb. Technisch war das eine (gerade für die damalige Zeit) ziemlich beeindruckende Uhr:


    Wasserdicht bis 12 bar, geschützt gegen Magnetfelder bis 80.000 A/m, die neueste Generation des Automatikkalibers 8541B (u.a. mit Sekundenstopp) und eine durchaus spürbare Präsenz am Arm mit einem Durchmesser von 37mm bei einer Höhe von 13,2mm.


    Trotzdem lagen die Verkaufszahlen deutlich unterhalb der Vorgänger-Referenz und mit der Quarz-Krise brachen die Zahlen dann komplett ein. Was damals eine ökonomische Enttäuschung war, hat heute den gegenteiligen Effekt: Lagen die 866 und 811 damals preislich ungefähr gleichauf (die 866 war ca. 5-10% teurer), stellt sich die Situation heute gänzlich anders dar: Für eine gute Ingenieur 866 muss man mindestens 4x so viel rechnen wie für eine vergleichbare Yacht Club I - da schlägt die Seltenheit der 866 voll durch.


    Und was man heute vielleicht auch mehr schätzt als in den eher hippen Spät-Sechzigern: Die 866 ist eine wirklich zeitlos schöne Uhr und gerade in der Version mit Datum noch harmonischer als die 666.


    Also ein Uhr, die man als IWC-Sammler haben sollte, die aber gar nicht so einfach zu vernünftigen Konditionen zu finden ist. Und hier wird der langjährige Leser stutzig: Denn ich hatte ja mal vor einigen Jahren eine 866 vorgestellt, die ein ziemlich perfektes Paket war:


    Eine echte "Fliegeruhr": IWC Ingenieur 866 AD


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    Wir überspringen mal die naheliegende Frage, warum ich diese Uhr verkauft habe (ich war jung und brauchte das Geld :bash: ) ...


    Es bleibt das Problem: Was macht man, wenn man eigentlich die perfekte Uhr schon hatte? Der Käufer ist ein gut bekannter Sammler-Kollege, der sich bis heute sehr an der Uhr erfreut (man kann sie im Nachbarforum auch regelmäßig am Arm sehen) und deshalb leider weder mit Geld noch guten Worten zu einer Rückabwicklung zu bewegen ist - was ich nachvollziehen kann.


    Was sind die Alternativen? Ich hatte das gleiche Problem ja bereits bei der 666, wo ein ebenso perfekt moderniserte Full Set an einen (leider viel zu früh verstorbenen :( ) Forums-Kollegen ging. Diese hatte ich später ersetzt mit einer Version, die noch wirklich im Original-Zustand war - also das erste Zifferblatt und Zeigerspiel.


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    Und diese Strategie war schlussendlich auch bei der 866 erfolgreich: Verkäufer war ein älterer Herr (vermutlich der Erstbesitzer), der die Uhr offenbar gerne getragen hatte - zumindest das Plexi hatte einige Tragespuren gesammelt. Der Rest der Uhr war aber noch gut erhalten, selbst die Tritium-Zeiger waren noch vollständig. Und auch das Reiskorn-Band zeigte keinen übermäßigen Stretch. Da musste ich dann relativ spontan (und über die Distanz nicht ohne Risiko) zuschlagen. Es ging aber alles gut und die Uhr landete heil bei mir :jump:


    Dieses Exemplar ist aus der ersten Serie und wurde im Sommer 1969 ausgeliefert, hat also inzwischen 52 Jahre auf dem Buckel. Aber was mich wieder zum Staunen bringt: Fast perfekte Gangwerte :gut: - die Uhr wurde wohl immer gut gewartet und so tickt das Kaliber nur 1-2 Sekunden schneller am Tag, wirklich fantastische Werte nach all der Zeit...


    Und so ist nach den Yacht Club I Ref. 811 auch die zweite große Referenz von 1967 wieder in der Sammlung - die Ingenieur 866 AD:
















    Das Plexiglas habe ich inzwischen noch etwas mit Polywatch poliert, damit gehen die normalen Kratzerchen erstaunlich gut raus. Man sieht bei den Indices leichte Verfärbungen, aber das ist bei Tritium normal - der Sonnenschliff des Blattes ist noch sehr schön klar, das ist in der Realität noch besser als auf den Fotos.


    Fazit: Nach Jahren endlich wieder eine schmerzliche Lücke geschlossen - und ich muss Marco Recht geben: Vielleicht ist die 866 sogar die schönste Ingenieur-Referenz von allen :lupe:


    Gruß,

    Christian

    • Offizieller Beitrag

    Danke, Danke :wink:


    Ich habe noch ein paar mehr Bilder, hier jetzt erstmal vom Band:


    Ich muss ehrlicherweise zugeben, dass ich lange kein Fan dieser kleinteiligen Reiskorn-Bändern war - optisch zu Old School und zu viel Bling. Aber bei solchen Vintage-Uhren hat sich meine Einstellung mit den Jahren doch gewandelt. Die Optik passt einfach und diese Bänder tragen sich wirklich sehr gut am Arm:




    In der Schließe befindet sich eine siebenstufige Feinverstellung, ganz klassisch mit Bohrungen für den Federsteg:



    Damals war Gay Freres bei solchen Bändern Marktführer, später (1998) wurde die Firma dann von Rolex gekauft:



    Auch die Schließen sind haben übrigens eine Datumsprägung (hier 4 69, also 4. Quartal 1969). Auf der anderen Seite findet man das IWC-Fadenschrift-Logo:



    Der Boden ist eher schlicht - bei dieser Generation ist die Gehäusenummer nur im Innendeckel:



    Und nochmal das Band im Licht - wirkt schon sehr edel und ist handwerklich gut gemacht:




    Gruß,

    Christian

  • u2112

    Hat den Titel des Themas von „Das Jahr 1967: Die letzte Generation vor der Quarzkrise - Teil II“ zu „Das Jahr 1967: Die letzte Generation vor der Quarzkrise - Teil II: IWC Ingenieur 866“ geändert.