„I’m special, so special“: Vulcain Cricket Aviator Diver X-Treme (101924.160RF)
Ich finde, die Textzeile aus dem 1979 von The Pretenders veröffentlichten Hit „Brass in Pocket“ passt hervorragend zu der hier vorgestellten Taucheruhr, denn die Vulcain ist schon etwas besonderes.
A little bit of…
Lou Bega „Mambo No. 5“ (1999)
… nein, nicht Monica oder Erica, sondern History:
Die Geschichte der Manufacture des montres Vulcain S.A. beginnt 1858. In dem Jahr gründet Maurice Ditisheim in La Chaux-de-Fonds eine Firma, in der er unter seinem Namen feine Taschenuhren fertigte und vertrieb. Sein Bruder Gaspard stieg mit in das Unternehmen ein und der Firmenname wurde in Ditisheim Frères geändert und im Jahr 1894 erschienen die ersten Uhren unter dem Namen Vulcain, der dann ab 1900 als Markenname geschützt wurde.
Seither bereichert Vulcain die Geschichte der Schweizer Haute Horlogerie, der hohen Handwerkskunst der Uhrenherstellung, und fertigt mechanische Armbanduhren in höchster Präzision, mit Handaufzug oder als Automatik, mit Komplikationen wie Datumsanzeige, Mondphase, Tourbillon und fast immer mit Weckerfunktion.
Während der „Quarzkrise“ in den 1980er Jahren verschwand der Name Vulcain vorübergehend von der Bildfläche. Vulcain hatte sich schon 1961 mit den Firmen Buser Frères & Cie AG, Revue Thommen und Phénix Watch Company zur Manufactures d’Horlogerie Suisse Réunis SA (MSR) zusammengeschlossen und fertigte in dieser schweren Zeit Uhren und Uhrwerke vor allem für Revue Thommen.
Große Bekanntheit erreichte Vulcain, als 1947 der erste funktionierende Armbandwecker der Welt eingeführt wurde. Ob die nach ihrem charakteristischen Schnarren benannte Cricket tatsächlich die erste Armbanduhr mit Wecker war, ist strittig, als bestätigt gilt aber, dass die Vulcain Cricket die erste in Serie produzierte Armbanduhr mit Weckfunktion war.
Die Uhren der Manufaktur erlangten auf verschiedene Art Berühmtheit, US-Präsident Harry Truman (1945 – 1953) war der Erste in einer langen Reihe der mächtigsten Männer der Welt, der eine Vulcain trug. Gefolgt von Dwight D. Eisenhower (1953 – 1961), Lyndon B. Johnson (1963 – 1968) und Richard M. Nixon (1969 – 1974). Als 2009 Barack Obama, dem 44. Präsidenten der USA, eine spezielles Geburtstagsmodell gewidmet wurde, trug diese Vulcain schon längst den Namen Präsidentenuhr.
Die technischen Qualitäten, ihre Genauigkeit und ihre Robustheit begeistern auch Abenteurer und Forscher. So begleitete die Vulcain Cricket im Jahre 1952 die italienische Seilschaft bei der Besteigung des K2, des zweithöchsten Berges der Welt. Und als einzige Uhr, die auch unter Wasser läuten kann, entwickelte Vulcain zusammen mit dem Schweizer Tauchpionier Hannes Keller die Nautical, eine Uhr, die die Dekompressionsstufen beim Tauchen präzise angeben kann.
Hannes Keller stieg am 28. Juni 1961 mit einer Cricket Nautical am Handgelenk im Lago Maggiore auf die Rekordtiefe von 222 Meter hinab und lobte anschließend die gute Ablesbarkeit der Uhr und dass der Wecker auch dort unten noch sehr gut hörbar war.
In der kleinen Manufaktur in Le Locle fertigen heute zwölf Angestellte nur etwa dreitausend Uhren pro Jahr.
Closing walls and ticking clocks
Coldplay „Clocks“ (2002)
Auf der BaselWorld 2008 stellte die Manufacture des montres Vulcain S.A. eine neue Uhren-Reihe vor, die „Aviator X-Treme“.
Die X-Treme Reihe beinhaltete zwei Modelle, die Aviator GMT und die Aviator Diver. Beide Uhren teilen sich Gehäuse und Band, unterscheiden sich aber beim Gehäuseboden, dem Uhrwerk (Diver: Vulcain V10, GMT: Vulcain V16) und dementsprechend bei der Anordnung der Kronen.
Das Gehäuse der Diver X-Treme Modelle besteht immer aus schwarzem Titan, bei Lunette und Gehäuseflanken konnte aus satiniertem Edelstahl 316L oder 14kt Roségold gewählt werden und auch bei der Zifferblattfarbe gab es Auswahl. Der stählerne und lasergravierte Triple Case-Back schützt das Uhrwerk, dichtet die Uhr ab und dient als Resonanzboden für das Schlagwerk. Sechzehn, in vier Vierergruppen angeordnete Löcher, jedes etwa zwei Millimeter groß, im äußeren Resonanzboden sorgen zudem dafür, dass der Wecker schön laut rasselt und den Schläfer zuverlässig aus seinen Träumen holt – auch unter Wasser.
Tell me why
Annie Lennox „Why“ (1992)
Seit ich mich für Armbanduhren interessiere, üben Taucheruhren die stärkste Faszination auf mich aus. Natürlich haben Flieger- und Marineuhren, elegante Dress-Watches, klassische Sport- und hochkomplexe Grande Complication Uhren auch ihren Reiz und ganz bestimmt findet irgendwann auch einmal eine Reverso den Weg zu mir nach Hause, aber erst einmal beschränke ich mich auf Taucher.
Fünf Stück sind schon da, ausnahmslos Dreizeiger am Metallband und mit einer Datumsanzeige als einziger Komplikation.
Langweilig, mag der eine oder andere finden, und auch ich wollte diesmal etwas anderes.
Selbstverständlich sollte auch Nummer 6 wieder eine Taucheruhr werden, dieses Mal aber unbedingt mit einer Eigenheit, die die Uhr zu etwas ungewöhnlichem und einzigartigem macht. Nach mehr oder weniger intensiven Sondierungen blieben nur die Eterna KonTiki 1000M und die Vulcain Cricket Aviator Diver X-Treme im Rennen und die Entscheidung fiel mir wahrlich nicht leicht. Den Ausschlag in Richtung Vulcain gab letztendlich nur ein „Angebot, das ich nicht ablehnen konnte“ und die Eterna ist noch lange nicht von der Liste.
As time goes by
Dooley Wilson „As Time Goes By“ (1942)
In der Cricket Aviator Diver X-Treme arbeitet ein altes Uhrwerk – ein richtig altes. Die Architektur und Technik des Vulcain V10 ist seit 1947, als der erste Armbandwecker mit dem Vulcain 120 Uhrwerk das Licht der Welt erblickte, weitestgehend unverändert.
Vulcain 120
Vulcain V10
Auf dem Foto sind oben die beiden Federhäuser und das zum Aufzug notwendige Swing-Gear zu sehen. Das linke, etwas größere Federhaus versorgt das Uhrwerk mit Energie, das rechte den Wecker. An der rechten Seite, etwa auf der 3:00 Uhr Position, ist auch der Hammer für das Schlagwerk zu erkennen.
Einzigartig dürfte die von der Vulcain SA patentierte und „Exactomatic“ genannte Lagerung der Unruh sein, die Isochronismus-Fehler vermeiden und eine in allen Lagen gleich große Amplitude sicherstellen soll.
Hierzu sind die Stirnseiten der Unruhzapfen plan geschliffen und der Deckstein zum Lagerstein hin leicht versetzt eingesetzt, sodass der Unruhwellenzapfen immer gleichzeitig am Deckstein und an der Wand des Lagersteines anliegt. Der Kontakt des Unruhzapfens verändert sich auch bei verschiedenen Lagen der Uhr nicht und so bleiben Reibung und Schwingungsweite stets konstant.
Das System funktioniert übrigens gut, auf der Zeitwaage zeigt sich in allen Lagen ein schön gleichmäßiges Bild und am Arm läuft meine Vulcain laut „WatchTracker“ in 24 Stunden nur 1,6 Sekunden zu schnell.
Oh I'm a king without a crown
ABC „King Without A Crown“ (1987)
Genau! Es ist nicht nur eine Krone, es sind derer gleich Zwei!
Die Funktion der ersten und der einzigen von den Beiden, die auch verschraubt ist, ist simpel und schnell erklärt: Mit dem guten Stück auf 9:00 Uhr wird der innenliegende Taucherdrehring eingestellt und das kann bidirektional und, tatsächlich, mit 60 Klicks geschehen.
Die zweite Krone sitzt bei 3:30 Uhr, ist nicht verschraubt und mit mehreren und komplexeren Funktionen versehen. Wird die Krone in der Stellung „0“ im Uhrzeigersinn gedreht, spannt sich die Feder im für die Weckfunktion vorgesehenen Federhaus. In Gegenrichtung wird das andere Federhaus mit Energie für das Uhrwerk versorgt.
Zieht man die Krone in Position „1“ so passiert in beiden Drehrichtungen nichts, zieht man die Krone weiter in die Position „2“, so kann durch drehen entgegen dem Uhrzeigersinn die Zeit eingestellt werden. So weit, so bekannt.
Der Drücker bei 2:30 Uhr, der sich als dritte Krone tarnt, ist zweistufig und für den Wecker zuständig. Wird er nur halb, also bis zum ersten Druckpunkt, hineingedrückt, dann wird gleichzeitig die Einstellkrone in Position „1“ gestellt und der Wecker „unscharf“ geschaltet – durch eindrücken der Krone kann er selbstverständlich auch wieder „scharf“ gestellt werden.
Um die Weckzeit einzustellen, muss der Drücker über den ersten Druckpunkt hinaus ganz hineingedrückt werden, wenn das geschieht, dann wird automatisch die Einstellkrone in Position „2“ verschoben und jetzt kann durch drehen im Gegenuhrzeigersinn die Weckzeit eingestellt werden.
Die dahintersteckende Mechanik ist durchdacht und faszinierend, vor allem, da das Ganze auch noch wasserdicht ist. Die Bedienung erscheint zunächst kompliziert, ist es in der Realität aber überhaupt nicht.
Einen Nachteil birgt die Technik aber doch: Das Vulcain V10 Kaliber verfügt nicht über einen Sekundenstopp und ein sekundengenaues Einstellen über Back-Hacking ist auch nicht möglich.
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