Liebe Gemeinde!
Seit geraumer Zeit beschäftige ich mich neben meinem Uhrenhobby auch mit dem Thema Zigarren. Es fing irgendwie mit einer im Monat an und wurde dann mehr. Ich war häufiger in einer schönen Zigarrenlounge in Düsseldorf und irgendwann reaktivierte ich meinen Humidor, den mir meine Frau vor ungefähr zwanzig Jahren geschenkt hatte und den ich seit mindestens fünfzehn Jahren nicht im Einsatz hatte.
Am Anfang waren im Humidor so ca. 10 Zigarren für den „häuslichen Rauchbedarf“. Das wurde dann auch immer mehr und inzwischen ist das Ding einfach bis zum Rand voll und ich benötige langsam aber sicher einen Zweiten.
Das Nachdenken über eine zweite Zigarrenbox brachte mich dann darauf, dass mein Stamm-Konzi in Essen vor einigen Jahren eine Uhrenmarke führte, die ihre Uhren in einem Humidor auslieferte und diesen als Uhrenbox „missbrauchte“. Okay, dachte ich, da könnte ich doch ganz geschickt beide Hobbies kombinieren und aus beiden Welten was Gutes bekommen.
Ich ging also auf die Suche nach einer Cuervo y Sobrinos.
Wer oder was ist das eigentlich? Eine Zigarrenmarke aus Havanna?
Nein, nicht ganz…
Im Zentrum von Havanna betrieb in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts Ramón Cuervo, der Uhrmachermeister und Juwelier war, einen erfolgreichen Laden für Schmuck und Uhren exquisiter schweizerischer Herkunft.
Im Jahre 1882 treten seine Neffen ins Geschäft ein, das in den folgenden Jahrzehnten zum erfolgreichsten Juweliergeschäft der lateinamerikanischen Welt wird. Sein guter Ruf verbreitet sich auf dem amerikanischen Doppelkontinent ebenso wie in Europa.
Armando Rio y Cuervo und seine Brüder gründen Tochterunternehmungen in Pforzheim und Paris. Zugleich lässt man in der Schweizer Uhrenhochburg La Chaux-de-Fonds Uhren mit hochwertigen Uhrwerken produzieren, die den spanischen Namenszug tragen.
Die Nachfrage nach Zeitmessern mit dem Familiennamen Cuervo wuchs unglaublich und es dauerte nicht lange, bis bekannte Uhrenfirmen wie Rolex, Vacheron und Longines Uhren exklusiv zum Verkauf in Don Ramons Läden herstellten, wobei jede Uhr den Namen Cuervo y Sobrinos trug.
Einflussreiche Persönlichkeiten wie Ernest Hemingway, Clark Gable und Winston Churchill trugen Uhren von Cuervo und man sagt sogar Albert Einstein nach, dass er die kubanische Uhrenfirma für eine intelligente Wahl hielt.
Im Jahr 1953 eroberte die kubanische Revolution Havanna und die Familie Cuervo musste aus ihrem Geschäft fliehen, nur mit dem, was sie am Leib trugen. Sie ließen das Juweliergeschäft mit seinen verschlossenen Stahlgewölben für die nächsten 40 unberührt Jahre. Infolge des Umbruchs flieht die Familie Cuervo ins europäische Exil. Der berühmte Name gerät für Jahrzehnte in Vergessenheit.
Im Jahr 1997 erhielt der italienische Unternehmer Marzio Villa erstmals Zugang zum ursprünglichen Geschäft in der San Rafael Street in Havanna. Er entdeckt das Potenzial dieser Marke und lässt sie seitdem mit Neuauflagen der in der Schweiz hergestellten und dann weltweit verkauften Originaluhren wiederbeleben.
Verschiedene Dokumentationen und antike Uhrwerke in den Gewölben des La Casa-Geschäfts in der Avenida Quinta bildeten die Grundlage für die Regeneration der Uhren von Cuervo y Sobrinos.
Ich nahm also Kontakt zu meinem Konzi auf und folgendes Gespräch trug sich dann wirklich so zu:
Ich: Du hattest doch mal die Marke Cuervo y Sobrinos, die die Uhren im Humidor ausliefern.
Konzi: Ja. Die hatte ich mal, aber die vertreiben heute direkt über das Internet.
Ich: Ja, aber Du hast doch noch ein Modell auf Deiner Seite, im Kundenauftrag.
Konzi: Das ist lange weg, ich habe vergessen, das rauszunehmen.
Ich: Hmm… schade… Dann muss ich wohl weitersuchen.
Konzi: Warte mal, ich meine, ich habe irgendwo noch eine von einem Kunden. Ich prüfe das und melde mich…
…zehn Minuten später …das Telefon klingelt…
Konzi: Ich habe hier noch eine Uhr von einem Kunden. Die kam zurück, der Kunde hat die nie getragen, die ist quasi new old stock, komm mal vorbei und guck Dir die an. Die ist wirklich schön…
Ich: Okay… mache ich…
Was soll ich sagen…? Es dauerte nicht lange und jetzt bin ich im Besitz eines neuen Humidors und einer neuen Uhr, die wahrscheinlich mehr als ein Spalter sein wird, eher wohl ein Doppel-Spalter…
Mir gefällt sie jedenfalls ausgesprochen gut und sie ist mal was komplett anderes.
Mein erster Neuzugang 2021 ist nicht rund, er hat keine Zeiger und ist trotzdem eine Uhr, benannt nach einer Zigarre: „Esplendidos“.
Die Box sieht sehr vielversprechend aus:
Wenn man sie vorsichtig öffnet, kommt das hier zum Vorschein:
Unter dem Humidor befindet sich ein Einschub, in ihm ist ein Buch zu finden:
Die Seiten, die weiter oben abfotografiert sind, befinden sich im dem Buch. Darüberhinaus findet man viele alter Bilder, wie z.B. dieses hier:
Zusätzlich sind alle Papiere der Uhr in das Buch eingelegt und eine Anleitung für den Gebrauch des Humidors findet sich auch:
Und - last but not least - findet man die Uhr im Humidor, eine Uhr, die ungewöhnlicher nicht sein kann. Sicherlich werden manche denken, dass sie furchtbar hässlich ist, andere werden sagen, dass sie nicht wertig aussieht, wieder andere werden sie aber genauso schön finden wie ich und es wertschätzen, dass es eben nicht die zigste Taschenuhr mit Keramiklünette drei Zeigern, einem Datum und einem Pickel auf dem Glas ist...
...nicht, dass ich die nicht auch tragen würde, und - unter dem Gesichtspunkt des Werterhalts - wäre das auch die ratsamere Alternative, aber ich habe Spaß an dem Ding und sie ist einfach ungewöhnlich,
meine Esplendidos Jumping Hours (warum die so heißt...? Keine Ahnung, die Stunde springt nämlich gar nicht...
Die macht von vorn und hinten eine gute Figur... und die Seite ist auch nicht schlecht. Die Faltschließe ist wertig designed und überzeugt mit Liebe zum Detail.
Ich habe dann für den Arm ein anderes Band, ein Mays Berlin Krokodillederband, montiert und ich finde, dass sich die Uhr so sehen lassen kann: