Im Jahr 50 vor Corona

  • Da wurde ich in einer, schon damals sehr sonnigen Gegend, in einer schönen Universitätsstadt im Dreiländereck, ganz in der Nähe zur Schweiz (!) und Frankreich, geboren.


    Bislang hat das Leben es geschafft, dass ich immer noch hier bin. Es heißt auch, wer ins Bächle tritt, heiratet hier. Was auch annähernd gestimmt hat.


    Nun wollten wir aber im Maerzen zum runden Wiegenfest aufbrechen in die Bundeshauptstadt, um in guter Gesellschaft das runde Ereignis zu feiern.


    Und wie es einem so einfällt, fiel es mir auf, dass in der Uhrenschatulle bis dato kein gscheiter Diver lag.


    Es gab da schon Feines aus Glashütte und auch sinnvolles, flugfähiges Material aus Frankfurt am Main, aber nicht unbedingt etwas seewasserbeständiges.


    Was allerdings auch nicht erstaunt, da das nächste Salzwasser in alle Richtungen doch einige 100 Kilometer entfernt liegt, mitunter getrennt durch das höchste Hochgebirge im Inneren Europas.


    Dennoch verdient diese Gattung der Feinwerktechnik höchste Bewunderung, förderten doch zu Anfangs die Herausforderungen Unmengen von Innovationen, um die empfindliche Ansammlung von Zahnrädern vor allen möglichen Salzen und Fluiden zu schützen.


    So gefallen vorallem die Ausführungen, die Nahe an den historischen Originalen heute zu erstehen sind. Wobei eine moderne Ausrüstung mit Polymerdichtungen, geeigneten Edelstahlschmelzen, Siliziumspiralen gerne gesehen sind. Kurzum kein Vintage.


    Dann aber kam die Virenwelle über oben genanntes Gebirge geschwappt und alles war anders. Es war nicht nur einmal kurz alles anders, sondern jeden Tag war es aufs Neue wieder anders.


    Die Reise wurde also abgesagt und mein Geburtstag fand nicht statt. Ich bin also nie 50 geworden. Wie sich das dann auf den nächsten Geburtstag auswirkt, muss man mal sehen.


    Aber in jeder Krise, heisst es, liegt auch eine Chance. Ich wusste nämlich auch noch nicht welchen Zeitmesser ich denn wollte.


    Ein Orientierungsbesuch, vor der Welle, beim örtlichen Händler brachte in der Auswahl von Alpha bis Omega noch keine aussagekräftigen Ergebnisse und die Hoffnung lag schon auf dem Besuch der Hauptstadt.


    Nun ergab es sich im Jahr 1 n.C., dass die Grenzen doch wieder aufgingen. Wenn auch mit erheblichen Einschränkungen und wir lernten mit neuen Wortkonzeptionen wie Hygienekonzept und Abstandsregel weiter zu leben.


    Zum Glück wurde die Familie bislang verschont von den heimtückischen, gefährlichen, infektiösen, organischen Strukturen. Immerhin gehören wir Ü50 zur Risikogruppe.


    Das bringt mich unweigerlich zur Sinn U50, die nicht nur für unter 50 Jährige eine sinnvolle Alternative darstellt.


    Ich konnte sogar unter zwei verfügbaren Exemplaren (tegimentierte Lünette oder zusätzlich schwarzbeschichtet) beim Depot wählen, als auf der Homepage des Herstellers gerade 17 Wochen Lieferzeit stand. Das Zeigerspiel erinnerte mich jedoch zu sehr an Minecraft und ein historisches Original, von der U1 abgesehen, liegt glaube ich nicht vor.


    Immer mal wieder fiel der Blick auf die Tudor BB 58. Mit den goldenen Akzenten für mich kein Thema, aber die Größe gefiel gut. Die größere Black Bay hatte ich in der Vergangenheit v.C. mehrfach am Handgelenk, kam jedoch mit der Höhe nicht so klar.


    Und dann kam eines Freitags Jenni Elle ums Eck, besser gesagt auf YouTube und erzählte freudestrahlend von einer blauen BB58. Ich rufe also den Tag darauf meinen Höndler an, der aber zu dem bevorstehenden Glück noch keine genaueren Informationen hatte.


    Am darauffolgenden Mittwoch, dem Erstveröffentlichungstag, sattelte ich auf Arbeit etwas früher die Pferde und ritt erwartungsvoll in die Metropole.


    Ein, leider noch unverkäufliches, Ausstellungsstück war angekündigt und begeisterte sogleich, dass ich mit meinen Prinzipien brach: Ich ließ mich auf eine Warteliste setzen.


    Mit wenig Hoffnung trabten die Pferde gen Heimat.


    Dass verschiedene Mitjünger von ihrem Jagderfolg berichteten, machte die Lage nicht besser.


    Im Gegenteil, das Zentralgestirn machte sich in der wärmsten Region des Landes alle Ehre. Kurzum schrien die Temperaturen nach Schweiß und Badewasser beständigem Material.


    Der Blick fiel eher zufällig auf die Erzeugnisse eines fernen Landes, in dem ich die aufgehenden Sonne schon zweimal selbst begrüßen durfte.


    55 v.C. wurde dort die Seiko „62 MAS - autoMAtic Selfdater“ vorgestellt.


    Und just genau vor drei Wochen wurde nicht nur eine Hommage, sondern gleich vier bezahlbare Versionen auf verschiedenen Händlerseite verfügbar gestellt.


    Also mit 14 Tagen Rückgaberecht eine Überweisung getätigt und dann genügsam in dem Arbeitsalltag weiter getrottet.


    Das ist hier etwas ironisch gemeint: Als Selbstständiger in unserer turbulenten Branche, angesichts diverser Krisen. Wobei wir glücklicherweise bislang nicht ganz so schlimm von coronaren Auswirkungen betroffen sind.


    Neuerdings kann man ja die DHL Nachverfolgung auf der Google Karte begutachten: Noch mehr als zwanzig Stationen, dann 10, dann 5, dann 2, dann ... klingelt das Telefon. Da ruft die erheblich bessere Hälfte an und verkündigt den Eingang eines postalischen Erzeugnisses. In Hinblick auf die Arbeitsleistung in der vergangenen Stunde ist diese neue Errungenschaft eine Katastrophe.


    Also heim und das gute Stück ausgepackt. Und gleich frisch verliebt. Das graue Zifferblatt, die satt laufende 120er Lünette: Der Zettel mit der Retourenbescheinigung kommt gemäß verordneter Mülltrennung in den Papierkorb.


    Und so lebten Sie bis zum Ende ihrer Tage.


    Natürlich nicht.

    Der autorisierte Tudor Händler ruft zurück: Eine BB58 in Navy Blue liegt zur Abholung bereit. Schluck. Termin vereinbart. Erstmal nur gucken.


    Natürlich nicht.

    Wohl das einzige Exemplar, dass der Händler dieses Jahr bekommt, meinte die Verkäuferin. Aber auch so fehlt bislang ein blaues Wunder in der Sammlung.


    So tritt gleich der zweite Diver die gemeinsame Reise an. Bin mal gespannt, was die Zukunft noch so mit einem macht. Langweilig wird es wohl nicht.


    Und immerhin kann der Sommer jetzt kommen,

    auch wenn es dieses Jahr wohl nicht ans Meer oder über einen Ozean geht.

  • fog

    Hat den Titel des Themas von „50 v. C.“ zu „Im Jahr 50 vor Corona“ geändert.
  • Was für eine Geschichte, Kompliment! Und ein herzliches Willkommen bei den Bescheuerten und Bekloppten, um es mit den Worten von Herrn W. auszudrücken. In Sachen Uhrenirrsinn braucht man Dir wohl nichts mehr beizubringen. Wobei, da hat Matze recht:


    :pix:

  • Einer zog frohen Mutes los, einen Diver zu kaufen.

    Um dann grandios, mit zweien nach Hause zu laufen.

    Die eine mit Geschichte, die andre rar,

    Warum auch nicht, wenn auch sonderbar.


    Mögen die Uhren und der Träger immer dicht bleiben.

    Gratulation zum Doppelpack.:respekt:

  • Der etwas andere Virus


    Vor ziemlich genau 20 Jahren, um die Jahrtausendwende herum, wurde ich infiziert. Der Patient Null war mein damaliger Arbeitskollege.


    Vor seinem Ingenieursstudium hatte dieser eine Uhrmacherlehre absolviert und trug selbst eine zeitmessende Speedmaster. Wir entwickelten zwar zusammen keine Raketentechnik, aber immerhin ein Teil des Saxony's Silicon Valley.


    In einigen, der Arbeitseffektiviät nicht zuträglichen Stunden, debattierten wir Historie, Herstellung und Technik von mechanischen Uhrwerken.


    Leider haben wir uns später aus den Augen verloren, aber ich denke oft an die horlogischen Diskussionen zurück. Auch Reisen in die neuen Länder, über Dresden nach Glashütte und Besuche bei GO und Lange&Söhne sind in guter Erinnerung.



    Da nach dem Studium und im ersten Angestelltenverhältnis die junge Familie vorging, verging noch einige Zeit, bis ein entsprechend angemessener Chronometer Eingang unter unserem Dach, oder besser gesagt an das Handgelenk, fand.


    Wempe und Nomos brachten zusammen die Tangente Kleinstkredit in den Handel. In zwölf kleinen zinsfreien Raten konnte man im Jahr des Wiederaufbaus der Dresdner Frauenkirche den erschwinglichen Zeitmesser erstehen.


    Nur ein kleines % Zeichen auf dem Zifferblatt erinnert zeitlebens an das phänomenale Geschäft - Soweit die Marketing Dichtkunst.


    Zwei Jahre später kam mit dem Tangomat das erste eigene Kaliber mit Selbstaufzug, erst mit 24 Steinen und dem schönen Wipphebel-Gleichrichter auf den Markt.


    Die zunächst nur schwer zu bekommende Feinmechanik konnte mithilfe der Uhrengemeinschaft im Norden Deutschlands ausfindig gemacht werden.


    Die Email des Konzessionärs habe ich aufgehoben: „Mit einem lachenden und einem weinenden Auge teile ich Ihnen für den Tangomat, silbernes Blatt mit Datum, meine Kontoverbindug mit.“


    Der Tangomat begleitet mich bis heute und hat gerade die zweite Revision in seiner sächsischen Heimat erhalten.





    Zwischenzeitlich waren auch einige andere Gäste zugegen, z.B. ein Stowa Flieger aus Engelsbrand oder sinnhaftige Mechanik aus Frankfurt am Main.




    Mein beruflicher Höhenflug in eine andere Branche brachte zudem den Aufenthalt auf 1000m über Meereshöhe mit sich. Kein Wunder werden hier im gleichen Ort in Gütenbach bei Hanhart eher Fliegeruhren gefertigt.


    Da fuhr ich dann auf dem Weg zur Arbeit öfter mal dran vorbei. Was wegen der Schneehöhe bis in den Sommer hinein manchmal etwas länger dauerte.


    Hier sprach man dann wegen der Temperaturen eher von der eisfreien Zeit als vom Sommer. Was aber auch nicht ganz passte, da dies die Hochsaison des Speiseeises war.


    Nach zehn Jahren Ausbildung im Maschinenbau landete ich dann wieder bei meinem ersten Arbeitgeber und bin zwischenzeitlich hier selbst Mitarbeitgeber.


    Um dieses zeitgeschichtliche Ereignis gebührend zu feiern, zog mit der Metro Stadtschwarz berlinerblaue Designkunst in die Uhrenschatulle ein.




    Und dann kam das Jahr mit der Suche nach einer Taucheruhr.

    Aber das ist eine andere Geschichte...

  • Infektionsgefahr ist hoch

    Der Sammelvirus macht auch vor dem schöneren Geschlecht nicht halt. Wenn auch Ästhetik und steigende Exklusivität hier eine viel größere Gefahr für die Börse darstellen.


    So besitzt meine erheblich bessere Hälfte vor allem limitierte Exemplare der Gattung Nomos Glashütteriensis. Wobei der Blick auch schon mal zur Mondphase der Jaeger-LeCoultre abschhweift.


    Das erste Modell der mechanischen Gattung war eine Tangente mit klassischen 35mm. Aber mit einem platinierten Blatt, von Niessing handmattiert.


    Die Modellnummer 1771, der Schmelztemperatur des Elementes Pt mit der Ordnungszahl 78 aus der Nickelgruppe.


    Entdeckungsjahr 1557, da erklärte Spanien den Staatsbankrott. Ob das allerdings zusammenhing, entzieht sich meiner Kenntnis.




    Das zweite 35mm Kunstwerk ist eine schwarze Ludwig, die zwar klassisch römisch, aber sonst gar nicht oberlehrerhaft daherkommt.


    Mit einem feinen Blatt aus dem Kreidestrahldrucker. Beides in begrenzter Menge einst von Wempe feilgeboten.



    Und die letzte Errungenschaft ist sogar ein Reimport von jenseits des Atlantiks.

    In Deutschland nicht erhältlich.


    Ein zeitloses Stück mit 38mm! In Blau!! Mit strahlendem Sunburst!!!

    An besonderen Tagen, bei gutem Benehmen, darf ich die auch mal ausleihen :)


  • Welch ein Einstand - Gratulation dazu und zu einer ordentlicher Uhrendichte im Hause Fog(g)!


    Ich bin nur gespannt, wie viele Mitglieder die Familie noch hat und ob sie alle Dein Faible für das Haus Nomos teilen. Dann ist mir um weitere kurzweilige Lektüre nicht bange...

  • Nun sind wir im Herbst

    von 2020 angelangt und die Uhrenbox hat nach wie vor eine leere Stelle aufzuweisen. Das kann man natürlich nicht so stehen lassen. Nur was kann nach den formidablen Taucherchronometern vom Sommer jetzt noch nachkommen?


    Nun, ich bin in der etwas weiter zurückliegenden Vergangenheit über 4000 mal dran vorbei gefahren. Eine kleine Manufaktur für Feinmechanische Dinge. Von aussen immer eher etwas düsterer anzuschauen, was aber auch daran liegt, dass die Werkstätte im Schatten engen Tal, gleich hinter einem massiven Felssturz liegt.


    Der wie ein Portal den Eingang zu dem ersten kleinen Ort des Landkreises Schwarzwald Baar aufreißt.


    Woran man im Winter merkt, dass man dort angekommen ist?

    An den erheblich besser geräumten Straßen. Ja, dort oben, auf fast 1000m über NormalNull, gibt es noch tatsächlich richtigen Schnee. Und man kann diesen eigentlich nur noch im Oktober ignorieren.


    Während nämlich im Tal immer das Chaos ausbricht, wenn das weiße Zeug auf den Strassen liegt, ist der Räumdienst dort schon zweimal durchgefahren. Überhaupt zeichnet den richtigen Schwarzwälder nicht die Kuckucksuhr im Wohnzimmer aus, sondern die gut gewartete Schneefräse in der Garage. Oder auch der Frontlader daneben.


    Die Kenner wissen inzwischen, ich schreibe von hanhart. 1882 gegründet, als man noch andere Probleme als den allmorgendlichen Stau auf der A5 hatte.


    In einem Forum wurde eine schöne Dreizeiger mit altweissem Blatt angeboten, dass so gar nicht an den schmutzigen Schnee erinnert.

    Da habe ich mich nicht nein sagen hören und man ist sich handelseins geworden.




    Nur wie schon bei den Taucherkollegen, hat die Fliegeruhr am 23. des Monats Nachwuchs im Werk, in Form eines Chronographen bekommen.

    Die 417 in Edelstahl. Die möchte ich mir nun gerne in Realität anschauen, nur musste ich feststellen, dass das Museum und Werksverkauf leider coronabedingt geschlossen hat.


    So muss wieder der Postweg herhalten, ich hoffe der Transport wird nicht durch Schneeverwehungen behindert. Ich werde weiter davon berichten....