Liebe Uhrenfreunde,
wir hatten jetzt hier schon länger keine Taschenuhr-Vorstellung mehr - das muss man ändern . Ich bin ja ein erklärter Fan der Kaliber-Familie 9x, die in den letzten rund 90 Jahren in den "modernen" IWC-Taschenuhren verbaut wurden. Von diesen Uhren habe ich in loser Folge inzwischen schon diverse Varianten vorgestellt, eine größere Ansammlung findet sich z.B. in diesem Faden:
Schicksalsjahr 1974: Als das letzte Kapitel der IWC Taschenuhren begann...
Im ominösen Jahr 1974 erblickte nicht nur die Ref. 5201 das Licht der Welt, die bis 2007/08 als letzte Lepine-Taschenuhr in der IWC-Kollektion blieb, sondern auch das Savonnette-Gegenstück, die Ref. 5404. Diese löste das Vorgängermodell Ref. 123 ab, das sich bis heute nicht nur bei Sammlern größerer Beliebtheit erfreut, da sie bei Zifferblatt und Werk quasi baugleich mit der Jubiläums-Portugieser Ref. 5441 ist - mal in Bildern gesprochen, damit es nicht so esoterisch wird:
Entsprechend gerne wird diese Uhr auch bei den üblichen Marriage-Bastlern gesehen.
In der Ref. 123 war dabei noch die erste Generation des Kal. 98 verbaut, erkennbar an der fehlenden Stoßsicherung:
Die Ref. 5404 hat dagegen die neue Generation mit Stoßsicherung verbaut, erkennbar u.a. an der neuen Kalibernummer 982. Nicht auf den ersten Blick erkennbar sind die Unterschiede beim Gehäuse - die Ref. 5404 wiegt ca. 25g mehr, was bei einer 18k Uhr natürlich schon einen erheblichen Unterschied beim Materialwert ausmacht.
Offensichtlich sind dagegen die Unterschiede beim Zifferblatt und Zeigerspiel: Jetzt gibt es deutlich mehr "Lametta", also römische Ziffern und die sehr schnörkeligen Louis XV-Zeiger:
Dieses Exemplar stammt aus 1979, als die Quarz-Krise IWC fast an den Abgrund geführt hatte und man vor lauter Verzweiflung die Rettung in einer Konzentration auf hochwertige und extrem teure Taschenuhren suchte. Im Jahr der Auslieferung kostete diese Uhr 5.700 DM - zum Vergleich: eine Yacht Club I kostete je nach Version ca. 1.000 DM, eine Rolex Submariner ca. 1.500 DM und selbst ein absolutes Topmodell wie die Ingenieur 1832 schlug nur mit 2.750 DM zu Buche. Da stellt sich schon die Frage: Wer hat denn solche Uhren gekauft?
Das Schöne bei Taschenuhren ist ja, dass sie meist eine Geschichte haben und man solche Fragen auch heute noch beantworten kann. Gerade die schweren, goldenen Savonnette-Taschenuhren von IWC waren klassische Geschenkuhren. Während "normale" Mitarbeiter mit einer Stahl-Lepine zufrieden sein mussten (entsprechend oft findet man Gravuren zu 25/40/50jährigen Betriebszugehörigkeiten), gab es die goldene Version für den Chef. Die massiven Klopper wie eine Ref. 5450 (mit über 200g (!) Goldgehalt) ging dabei eher an Vorstände und Verwaltungsräte von Großunternehmen, der seriöse Mittelstand begnügte sich mit einer Ref. 5404. Und so war auch diese Uhr ein Geschenk und zwar von den Mitarbeitern anlässlich des 60. Geburtstags des Firmenchefs (und Eigentümers) - das Unternehmen hatte ein paar hundert Mitarbeiter, da konnte man das stemmen. Das Unternehmen gibt es übrigens heute noch und ein Blick in die Bilanzen lässt erahnen, dass der gute Mann sich solche Uhren auch selber kaufen konnte - so fiel die Uhr (wie die Firma) an die Erben, als er im hohen Alter von 99 Jahren verstarb. Die Uhr wurde durchaus getragen, was die kleinen Tragespuren im Plexiglas belegen, die letzten Jahre dämmerte sie allerdings (mit diversen anderen) durchgängig im Tresor. Was schade ist, aber dazu beigetragen hat, dass auch die Box und vor allem die passende goldene Uhrenkette noch vorhanden waren - letztere ist durchaus selten.
Warum kauft man solche Uhren heute? Rational kann man das als Investment rechtfertigen - nicht weil diese Uhren besonders im Preis steigen werden, sondern weil die Ankaufpreise nahe am Goldwert sind. Und bevor ich mir zu Diversifikation einen seelenlosen Barren irgendwo hinpacke oder gar nur Papiergold ins Konto buche, da nehme ich doch lieber eine Uhr. Zumal - und das ist dann der zweite, nicht mehr ganz so nüchterne Grund - so eine Uhr nicht nur aus einem goldenen Gehäuse besteht. Darin tickt eben auch ein echtes Manufaktur-Werk - und das ist wesentlich schöner anzuschauen als 100 Euro-Scheine . Deshalb einfach mal ein ganzer Schwung Bilder vom Werk:
Wunderschöne traditionelle Schraubenunruh - wer genau hinschaut erkennt oberhalb einen dünnen, gebogenen Metallreif, das ist der Unruhstopp, der beim Ziehen der Krone nach unten gedrückt wird und so den Unruh-Ring blockiert:
Das Kal. 982 wurde nur von 1967 bis 1973 gebaut, nicht mehr als 3600 Rohwerke sind bekannt. Gut die Hälfte davon wurden für die Jubiläums-Portugieser 1993 verwendet - das zeigt, wie selten diese Taschenuhren sind.
Hier schön zu sehen die Incabloc-Stoßsicherung, das ist das wappenförmige Messing-Teil auf dem Stein des Lagerzapfens:
Genfer Streifen sind hier wirklich noch Handarbeit, auch die anglierten und polierten Kanten:
Hieran erkennt man die Version mit 17 Steinen - das Federhaus hat kein Steinlager, das gibt es nur bei der Version mit 19 Steinen.
Diese Referenz blieb bis zum Jahr 2000 in der IWC-Kollektion und wurde dann von der fast baugleichen Ref. 5414 abgelöst (die gab es noch weitere 8 Jahre) - die erkennt man an einem etwas schlichteren Zifferblatt und Zeigerspiel, auch sind die Werke dieser allerletzten Generation meist vergoldet und mit 19 Steinen (der Übergang war da aber fließend). Der Hauptgrund für den Wechsel der Referenznummer lag in der Euro-Umstellung - wurden für die Ref. 5404 zuletzt 16.900 DM aufgerufen, sprang der Preis bei der Ref. 5414 dann ein Jahr später auf runde 10.000 Euro. Das war übrigens damals auch exakt der Einführungspreis der Großen Fliegeruhr Ref. 5002 - die war zwar nur aus Stahl, dafür aber ungleich erfolgreicher.
Von der Ref. 5404 und Ref. 5414 wurden dagegen in den letzten Jahren nur minimale Stückzahlen gefertigt, man munkelt im niedrigen zweistelligen Bereich. Was nicht verwundert, lag doch der Marktpreis gebrauchter Exemplare bei einem Bruchteil (20% und darunter) - das war dann wirklich nur noch für absolute Liebhaber, die sich mal einen echten Luxus erlauben wollten.
Soweit mal wieder ein kleiner Exkurs in die (fast) vergangene Welt der Taschenuhren
Gruß,
Christian