Girard-Perregaux Laureato: Warum sollte man so eine Uhr kaufen?

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Uhrenfreunde,


    ich hatte es ja am Ende der Vorstellung meiner Bulgari Octo schon angedeutet Bulgari Octo Solotempo 38: Die Genta-Uhr, die keine Genta-Uhr ist - aber doch eine Genta-Uhr ist... , abgeschlossen war das Thema "sportlich-elegante Stahluhr mit integriertem Band" noch nicht...


    In den vergangenen Monaten hatte man ja ungewöhnlich viel Zeit, in den eigenen vier Wänden vor sich hin zu dümpeln und Gedanken über alle möglichen wichtigen und nicht ganz so wichtigen Fragen des Lebens zu machen. Eine dieser Fragen bei mir war "warum kauft man eine Uhr?" - also eine klassische Frage aus der erstgenannten Kategorie :G ...


    Jetzt ging es nicht um die Uhr an sich, sondern um bestimmte Marken und Modelle. Die Gründe sind da vielfältig, auch bei mir: Manche Uhren kaufe ich als "Sammler", weil mich ein Bereich besonders interessiert und dann der Ehrgeiz geweckt ist, möglichst viele spannende Exemplare zu finden (oder gar alle). Dem geneigten Leser ist vermutlich nicht verborgen geblieben, dass das bei mir eigentlich nur auf IWC zutrifft (ausgelöst durch frühkindliche Prägung). Letztlich ist das auch die einzige Marke, wo ich signifikant im Vintage-Bereich aktiv bin, denn dafür braucht es gerade heute solides Wissen und sich dieses anzulesen, braucht viel Zeit (vom Lehrgeld durch Fehlkäufe will ich gar nicht sprechen...).


    Trotzdem ist mein Uhreninteresse nicht auf diese eine Marke beschränkt - im Gegenteil: Bei der letzten Zählung kam ich auf rund 40 Marken, die bei mir vertreten sind bzw. über die Jahre vertreten waren. Meist waren es nur 1-2 Modelle pro Marke, also ziemlich quer durch den Garten.


    Findet sich bei diesen Uhren irgendwie ein roter Faden? Ein Aspekt wäre sicherlich "Klassiker", also Uhren, die man nach übereinstimmender Meinung von Uhrenfreunden haben oder zumindest mal gehabt haben muss. Beispiele wären dafür wohl eine Moonwatch, eine Rolex Sporty oder eine JLC Memovox. Solche Klassiker müssen dabei auch nicht teuer sein, z.B. eine Atmos bekommt man gebraucht um 1.000 Euro, auch eine Nomos Orion kostet nicht mehr. Manchmal braucht es aber etwas Mut, z.B. wenn die Marke durch viele Höhen und Tiefen geht und man sich nicht sicher sein kann, dass der Laden in ein paar Jahren noch steht - das ist gerade mit Blick auf Service und Ersatzteile natürlich nicht ohne Risiko, wie ich selbst z.B. bei meiner Vulcain Cricket Nautical erlebt habe.


    Manche Uhren habe ich nur gekauft, weil sie ein absolutes Schnäppchen waren - oder mir zumindest als solche erschienen. Das hat sich nicht selten als Fehlgriff entpuppt, gerade wenn man sich vorher zu wenig mit der jeweiligen Uhr beschäftigt hat. Auch gibt es leider viel mehr "Schnäppchen", als man kaufen kann - das ist also aus Erfahrung keine gute Entscheidungsgrundlage.


    Was aber für alle Uhren über alle Kategorien gilt: ich kaufe Uhren, die mir gefallen - wäre ja auch schlimm, wenn es anders wäre ;) ...


    Jetzt ist es heute leider gar nicht so einfach, die Uhren zu kaufen, die einem gefallen: Schaut man auf den engen Kreis der "Hype-Modelle", dann ist ein Kauf für den Normalmenschen zumindest beim Konzi nicht mehr möglich. Es gibt nichts zu kaufen, selbst Wartelisten haben sich erledigt und vollkommen bekloppt wird es, wenn Uhren nur noch zur Dekoration im Schaufenster liegen, aber gar nicht verkauft werden können. Das ist nicht mein Ding, damit fallen einige Marken und Modellinien komplett weg. Am anderen Ende der Skala gibt es Marken, die auf gut Deutsch zu blöd sind, ihre Uhren zu verkaufen - die nicht liefern können, die keine Distribution hinbekommen, die zum Teil nicht mal mehr eine Webseite mit den aktuellen Modellen gebacken kriegen. Das braucht man auch nicht. Dann gibt es nicht wenige Marken, die sich irgendwie ganz anders einschätzen als der Markt - die Preise nach oben treiben, die langjährigen Konzis kündigen und sich irgendwelchen Exklusivitätsträumen hingeben. Ich habe da mal für mich die Entscheidung getroffen, dass ich keine Uhren von Marken mehr kaufe, die in Hamburg nicht physisch vertreten sind (zumindest im Segment >> 1.000 Euro).


    Da bleibt dann nicht mehr so viel nach...


    Eine Uhr, die mir von Anfang an gefallen hat, ist die Girard-Perregaux Laureato in ihrer neuesten Generation 81010, die 2017 auf dem SIHH vorgestellt wurde (nicht zu verwechseln mit dem 225 Jahre-Jubiläumsmodell 81000 von 2016). Tolles Design, neues Inhouse-Werk, was vom Durchmesser besser zur Uhr passt und die legitime Historie der Modell-Linie, die immerhin ein Ur-Modell von 1975 vorweisen kann - also ein Jahr vor Nautilus und Ingenieur (wobei die Laureato zwar so aussieht, aber nicht von Genta war/ist).


    Doch es gab ein paar Hürden zu überwinden: Zunächst musste man die Uhr an den Arm bekommen, was angesichts der Vielzahl der Varianten (4 Farben (weiß, blau, grau, schwarz) und mit 38/42 mmm zwei relevanten Größen) zwingend erforderlich ist. Das klappte hier im Norden nicht, gelang mir dann aber Monate später in Zürich auf der Bahnhofstrasse. Hier wurde schnell klar: Es muss die 42mm Version mit dem schwarzen Blatt sein - für mich am Arm die beste Kombination. Wenig später kam dann die Neuigkeit, dass Wempe wieder GP als Konzi führen wird - damit ist zumindest der Service-Zugang hier in HH gesichert. Blieb der Preis von gut 11.800 Euro Liste - ambitioniert, aber jetzt auch nicht völlig absurd mit Blick auf das Gebotene. Dennoch hatte ich natürlich im Kopf, dass bei GP Listenpreise doch immer viel Raum für Interpretation bieten - bei jungen Gebrauchten liegen die Preise da gerne in extrem attraktiven Regionen, wie ich ja selbst bei meiner GP 1966 feststellen konnte:


    Eine klassische "gute Schweizer Uhr": Girard-Perregaux 1966


    Nur: Der erhoffte komplette Preisverfall trat nicht ein, das Gebrauchtangebot von privat war praktisch nicht existent. Und so gingen fast zwei Jahre ins Land, bis ich endlich auf ein passendes Angebot stieß - allerdings für eine neue Uhr, die vermutlich auch durch die Corona-bedingte Absatzkrise vieler Juweliere preiswert angeboten wurden. Nicht verschenkt (wie eigentlich erhofft), aber fair für beide Seiten. Und da habe ich dann trotz der Krise und der damals sogar noch geltenden Grenzschließungen zugeschlagen. Die Kollegen von UPS haben nicht enttäuscht und souverän über Nacht ausgeliefert :gut:


    So kam sie dann an einem trüben Lockdown-Tag im Norden an: Und was soll ich sagen - es ist eine dieser Uhren, die man umlegt und denkt: "Yes, das passt :G." Bei dieser Uhr hat GP ganz viel richtig gemacht - das Zifferblatt hat viele feine Details, Gehäuse und Band sind aus einem Guss, klassischer "Genta-Stil" aber doch hinreichend eigenständig und das hand-finissierte Werk ist zwar nicht auf ALS-Niveau im Detail, aber trotzdem schön anzuschauen. Und die Kritik? Im Wesentlichen ist das ja ein eher snobistisches "Poor man's Royal Oak". Nun habe ich ja die 15202 als Vergleich, ebenso wie die Genta-Ingenieure und für mich muss die Laureato sich nicht verstecken. Sie ist funktionaler als die RO (Datumsschnellschaltung, Sekunde mit Sekundenstopp, Gangreserve 54h), trägt sich besser als eine Ingenieur (nur 10,88mm hoch und wesentlich leichter), und gefällt mir persönlich optisch besser als die Nautilus.


    Sie ist nicht das Original wie die RO, sie ist nicht so super-selten wie die 1832 und sie hat nicht das Sozialprestige einer Nautilus und beim "Werterhalt" wird sie sicherlich dramatisch schlechter liegen als alle drei Erstgenannten. Trotzdem würde ich die Prognose wagen, dass sie bei mir mehr Tragezeit bekommen wird als RO und die beiden 1832 zusammen. Es ist für das tägliche Tragen für mich eine ziemlich perfekte Uhr: keine Ikone fürs Schließfach zum innerlichen Anhimmeln oder äußerlichen Auftrumpfen, sondern eine Uhr für den Alltag, die trotzdem auch für einen alten Uhrenkenner noch hinreichend individuell ist - in der WL finden sich nach meiner Suche genau 3 Exemplare, eines in Weiß, eines in Blau und nun meine in Schwarz :lupe: .


    Nach all den Worten, nun endlich ein paar Bilder:













    Auch nach einigen Wochen am Arm, erwische ich mich immer wieder dabei, wie der Blick verträumt an der Uhr hängenbleibt - das hat man als "alter Hase" auch nicht mehr so oft... :verneig:


    Gruß,

    Christian

  • Hallo Christian, Danke für Deine tolle Vorstellung einer zukünftigen Ikone, die genug Eigenständigkeit und Historie neben einer Nautilus und RO bietet, und aufgrund funktionierender Distribution und Verfügbarkeit auch preislich wahrscheinlich nicht solche Mondpreise erreichen wird, wie die Erstgenannten. Ja, ich habe das schöne Stück in meiner Lieblingsfarbe Blau und ich habe immer ein breites Grinsen, wenn ich Sie mir um den Arm lege. Ich kann Dein oben schön bildlich Gesprochenes über diese Uhr zu 100 Prozent bestätigen. Es ist eigentlich die bessere Nautilus, mit dem interessanteren Zifferblatt im Vergleich zur RO und ja, auch wenn sich einmal ein kleiner Kratzer auf der Lünette einfindet ( und dass kann man im täglichen Leben nicht verhindern), geht die Welt nicht gleich unter, aber dafür hat man dann auch keine Safequeen, sondern eine wunderschöne Uhr, die einem sehr viele Spass bereitet und mit einem sehr hochwertigen Design das gewisse Etwas mitbringt, was zukünftige Ikonen ausmacht. Die Laureato hat dazu das Zeug, und das merkt man, wenn man sie trägt. Das fängt beim integrierten Band an und setzt sich konsequent mit dem Gehäuse fort, welches geschickt die Gene der 70er Jahre in sich trägt. Ich habe auch viele Uhren aus den verschiedensten Lagern, aber die Laureato besitzt etwas ganz Besonderes, welches sich in Zukunft als Ikone entpuppen kann.


    Besten Gruß,


    Wolfgang

    • Offizieller Beitrag

    Watch-Watcher : Das ist nur gerecht, Du hältst einem ja auch oft genug schicke Uhren unter die Nase :G


    Hier nochmal ein paar mehr Bilder am Arm, um die Anschmacht-Ursache zu verdeutlichen :lupe::














    Wirklich eine schöne Uhr... :jump: , die an meinem Handgelenk auch ziemlich perfekt sitzt. Die verschiedenen Größen sollte man da (ähnlich wie bei einer RO) unbedingt am Arm ausprobieren, da die integrierten Bänder da wenig verzeihen.


    Man erkennt auch die Unterschiede zur Jubiläums-Laureato 81000 auf den Bildern ganz gut: Die Lünette ist matt (statt poliert), das Datum ist in ZB-Farbe (statt weiß) und das Logo wurde anders eingefügt. Der Größenunterschied (42mm bei meiner vs. 41mm bei der 81000) fällt dagegen nicht wirklich ins Gewicht.


    Gruß,

    Christian

  • Gratulation, Christian, zu einer wie immer tollen Vorstellung einer wirklich schönen Uhr mit klassischer Linie, aufgeräumtem Design und eigenem Charakter.


    Sehr schön finde ich, wie hier das Blatt für willkommene Abwechslung sorgt. Das Banddesign erinnert natürlich sofort an IWC, auf den Bildern scheint es sich wirklich perfekt an Dein Handgelenk zu schmiegen. Nicht ganz warm werde ich persönlich mit der Form der Lünette, macht aber nichts, denn 1. kann das noch kommen und 2. das schmälert den Gesamteindruck in keiner Weise.


    Ich hoffe nur, dass die Laureato lange bleibt und nicht auf der Liste der Uhren landet, die mehrmals den Weg zu Dir fanden. Wobei... das wiederum gäbe eine weitere Deiner lesenswerten Vorstellungen.


    Gruss, Quino

  • Gratulation zu dieser klasse GP im Genta Design, Christian.


    Der Aufwand zur Vorstellung deiner Uhren ist proportional zur Begeisterung, habe ich festgestellt.

    Zu dieser Uhr also sehr intensive Begeisterung, das kann leider ansteckend sein ?!


    Genieße diese Uhr mit dem markanten Design.


    Beste Grüße


    Heiko