Herstellung eines Zeigersetzers

  • Hallo Zusammen,

    heute will ich mal zeigen, wie man einen Zeigersetzer herstellt. Der Zeigersetzer ist ein Werkzeug, das der Uhrmacher jeden Tag benötigt, um damit die Zeiger (einer Armband- oder Taschenuhr) aufzudrücken. Natürlich kann man diesen fertig kaufen, aber der Uhrmacher macht nunmal gerne Werkzeuge

    So soll das Teil am Ende aussehen:


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    Doch fangen wir mal gaaanz am Anfang an. Bauen heißt bei mir nicht einfach aus fertigen Teilen zusammen bauen, sondern meint den kompletten Weg vom Rohmaterial bis hin zum fertigen Objekt. Also zunächst mal an den großen Schraubstock, ein Stück Alu in 5mm Durchmesser absägen:


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    Dann geht es an die Uhrmacherdrehmaschine, die weit verbreitete Leinen / Prätecma WW83:


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    Moment, da fehlt noch was, bevor man überhaupt Späne auf der Maschine produzieren kann. Nämlich der Drehmeißel. Klar, kann man auch den fertig kaufen, aber wozu, wenn man ihn sich selbst schleifen kann?


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    Der Drehmeißel besteht aus HSS (Hochleistungsschnellschnittstahl), diesen bekommt man als Vierkantrohling, damit kann man jedoch noch nix anfangen. Ein Drehmeißel braucht mehrere Winkel um zu funktionieren. Aber auch das ist nicht so banal wie es klingt, ein Drehmeißel kann, schlecht angeschliffen, einfach nur schaben, oder aber nach allen Regeln der Kunst geschliffen hochfeine irisierende (Regenbogenfarben, die sich im Licht spiegeln) Drehoberflächen erzeugen.

    Ich beginne beim Schleifen mit der Freifläche, diese dient dazu, dass die Schneide "frei steht". Die Wirkung dieser Fläche ist vergleichbar mit der eines normalen Küchenmessers zum Apfel schneiden, legt das Messer mal flach auf den Apfel auf, die Schneide wird nicht eindringen. Wenn Ihr das Messer nun hinter der Klinge leicht anhebt dringt es in den Apfel ein, das ist der Freiwinkel. Der Effekt ist also der Gleiche.


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    Als zweite Fläche folgt die Keilfläche. Damit wird der Werkzeugkeil definiert. Dieser Keil wird je nach Material unterschiedlich angeschliffen. Wählt man den Keilwinkel klein, so erhält man einen Keil, der zwar leicht in das Werkstück eindringt, also gut schneidet, jedoch aber auch empfindlich ist (geringe Standzeit). Wählt man den Keilwinkel größer, so erhöht sich die Standzeit, der Keil ist stabiler, dringt allerdings auch schlechter ein, da er dem Werkstück mehr Widerstand entgegen setzt.


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    Für den Zeigersetzer aus Aluminium kann der Keilwinkel eher klein ausfallen, da es sehr weich ist und sich gut bearbeiten lässt.

    Nun fehlt noch eine dritte Fläche, die Nebenfreifläche. Betrachten wir den Drehmeißel von Vorne, so fällt auf dass hinter der Spitze eine Gerade verläuft, d.h. ein 90° Winkel, wir erinnern uns an unseren Apfel, der Keil kann so nicht eindringen, daher schleifen wir auch hier eine Freifläche an, und zwar so, dass die Spitze nach unten hin und gleichzeitig zur Seite hin "frei steht".

    Und das geht so:


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    Nun ist der Drehmeißel zwar soweit, dass er schneiden, also funktionieren würde, jedoch gibt es noch ein paar Tricks. Ich schleife den Drehmeißel vorne gerne etwas schlanker:


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    Das spart Zeit beim Nachschleifen und macht der Drehmeißel etwas schlanker, wenn man damit an engen Stellen, z.B. Ausdrehungen in Platinen arbeitet.


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    So sieht der Meißel frisch vom Schleifbock aus, nun gehts an Feintuning:

    Auf einem Degusitstein (synthetischer Rubin) wird der Drehmeißel poliert. Warum? Weils schön aussieht? Nein, die gedrehte Oberfläche ist das Spiegelbild der Werkzeugschneide. Nur ein Drehmeißel mit gut polierter Schneide wird saubere Drehoberflächen erziehlen, der Schliff an der Schleifbockscheibe ist einfach zu grob.


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    Der Degusitstein wird leicht mit Petroleum benetzt und dann der Drehmeißel aufgesetzt und mit sehr viel Druck über den Stein gezogen. Das muss am Finger wehtun :G



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    Wie man sieht sind nun die Kanten der Freifläche poliert. Jedoch nicht die ganze Fläche. Warum? Weil die durch den Radius der Schleifbockschleifscheibe ein Hohlschliff erzielt wird, das spart dann beim Polieren Zeit, als wenn man die ganze Fläche polieren müsste. Es genügt, wenn die obere Kante poliert ist, da ja nur dieser Bereich später mit dem Werkstück in Kontakt kommt.

    So wird mit allen Flächen verfahren. Zuletzt wird noch eine Verrundung an der Spitze angebracht.


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    Eine Verrundung? Der Teil des Drehmeißels, die Spitze, die mit dem Werkstück in Kontakt steht ist relativ empfindlich, durch das Verrunden wird die Spitze etwas breiter und somit stabiler.


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    Jetzt aber endlich an die Drehmaschine


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    Der Drehmeißel wird in den Werkzeughalter auf dem Kreuzsupport der Drehmaschin befestigt. Die Höhe auf der er sich befindet ist entscheidend, er muss exakt auf "Spitzenhöhe" stehen, diese entspricht der Mitte des zu drehenden Werkstückes.

    Dann wird der Aluminiumrohling in der Spannzange eingespannt. Es ist wichtig, dass die verwendete Spannzange exakt zum Werkstückdurchmesser passt, ein Zehntel Millimeter macht viel aus. Ein zu kleines Werkstück in einer zu großen Spannzange oder umgekehrt beschädigt die Spannzange dauerhaft. Somit wäre kein präziser Rundlauf mehr möglich.


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    Und dann kann auch schon der erste Span abgenommen werden. Zunächst wird die Stirnseite überdreht, um die Sägespuren vom Ablängen des Materials zu beseitigen.


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    Wenn keine Sägespuren mehr zu sehen sind kann der Kreuzsupport "genullt" werden, d.h. die Skalentrommel an der Kurbel auf Null stellen:


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    Nun ist es möglich, eine Länge nach genau definiertem Maß abzudrehen, in diesem Fall sind das 4mm:


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    Auf den gedrehten Ansatz soll ein Gewinde geschnitten werden, also muss der zu drehende Durchmesser ein bestimmtes Maß haben.


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    Wenn dann das richtige Maß erreich ist, gehts ans Gewindeschneiden. Hierzu muss der Kreuzsupport runter:


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    Dann wird mit dem Handdrehmeißel eine Kantenbrechung (Fase) angedreht, damit das Schneideisen einen leichteren Anschnitt bekommt.


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    Das Gewinde wird mit einem Schneideisen hergestellt, dieses wird in einer, man ahnt es :D ebenfalls selbstgemachten Aufnahme für den Reitstock aufgenommen:


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    Das Schneiden des Gewindes erfordert etwas Gefühlt, deshalb wird die Spindel mit dem Werkstück von Hand gedreht. Der Reitstock wird nicht festgestellt, sondern bleibt auf dem (gut eingeölten Maschinenbett) beweglich.


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    Hat das Schneideisen einmal "gefasst", dann geht das Gewindeschneiden fast von ganz allein, der Reitstock muss nicht fest gedrückt werden, sondern nur leicht unterstützt.


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    Dann ist das Gewinde zwar fertig, aber...


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    Das Schneideisen selbst hat auch einen Anschnitt, weshalb man das Gewinde nicht bis ganz an den Ansatz heran schneiden kann (roter Pfeil). Das würde später, wenn der Kunststoffeinsatz aufgeschraubt wird stören, da er sich nicht ganz aufschrauben ließe, und dann ein Spalt zurückbliebe.


    Daher wird mit einem speziellen Gewindefreistichdrehmeißel ein kleiner Einstich angebracht, der radienförmig ausläuft. Dies sieht zwar komisch aus, ist aber keine Sollbruchstelle, im Gegenteil, der radienförmige Übergang verleiht dem Ganzen mehr Stabilität, ähnlich den Trompetenzapfen einer Unruhwelle.


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    Dann folgend noch leichte Kantenbrechungen vorne am Gewinde und an der Stirnseite des Ansatzes:


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    Dann kann der Kreuzupport wieder drauf, Sauberkeit ist wichtig:


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    Dann nochmal das gleiche Spiel auf der anderen Seite:


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    Dann gehts ans Rändeln, dafür ist die Prätecma natürlich viel zu klein und instabil, dafür hat der Großuhrmacher entsprechend schweres Gerät:


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    Und zum Rändeln eine Rändelzange:


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    Schmierung ist wichtig, sonst wird der Rändel unsauber:

    Neben dem Schmieren soll das Petroleum vor allem dafür sorgen, dass die Späne rauskommen und nicht verdrückt werden


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    Dann sieht das so aus:


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    Dann fehlen nur noch die beiden Plexiglaseinsätze, zwei deshalb, weil zwei unterschiedliche Größen, einmal für Armbanduhren und einmal für Taschenuhren.

    Plexiglas ist etwas eigenartig zu bearbeiten. Man muss unbedingt mit Petroleum schmieren, sonst trübt sich das Plexiglas und wird milchig.


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    Mit dem Handstichel wird zunächst eine trompetenähnliche Form herausgearbeitet, das ist fast wie Unruhwellen drehen, nur größer und aus Plexi :D


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    Immer gut schmieren:


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    Und dann wird die Bohrung gesetzt:


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    Die Bohrung ist natürlich eine Sackbohrung und nicht durchgehend, das genügt zum Zeigersetzen völlig.

    Die Gegenseite wird dann plan überdreht, und das Loch für das Innengewinde gebohrt, auch dieses als Sackloch:


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    Dann wird das Innengewinde geschnitten, auch hier wieder mit reichlich Schmierung, die Spindel wird natürlich wieder von Hand gedreht:


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    Und bereit zur Anprobe, sitzt:


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    Gruß

    Oliver

  • Sauber, eine schöne Arbeit!

    Die einzelnen Schritte hast du sehr ausführlich erklärt, man war praktisch neben dir gestanden und hat alles sofort verstanden.:gut:

    Grüße - Gerd... :wink:


    Sascha, Unvergessen!:blume:


    Kein Instagram, kein Facebook. Kein TikTok, kein anderes Gedöns, das ist ja wie ein Gefängnisausbruch! Herrlich!

  • Sauber, eine schöne Arbeit!

    Die einzelnen Schritte hast du sehr ausführlich erklärt, man war praktisch neben dir gestanden und hat alles sofort verstanden.:gut:

    Freut mich, dass euch mein kleiner Bericht gefällt :G

    Noch realer neben mir stehen und sich seinen eigenen Zeigersetzer bauen kann man im Januar in einem Seminar an der Hessischen Uhrmacherschule nahe Frankfurt: Seminar "Herstellung eines Zeigersetzers" an der Hessischen Uhrmacherschule am 18.01.2020 ;)

  • Und nun das ganze nochmal als Video:


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