Liebe Uhrenfreunde,
ein großer Feind des Hobby-Uhrensammlers ist die eigene Ungeduld: Man sieht eine Uhr oder Komplikation das erste Mal und denkt sich - die muss ich haben. Und zwar gerne sofort...
Das ist jetzt gerade im Bereich der alten und sehr seltenen Uhren alles andere als einfach, da für viele "Traumuhren" hier schlicht kein Angebot besteht. Selbst wenn man doch mal das Objekt der Begierde findet, muss man sich zur Vernunft zwingen - passt der Zustand? Passt der Preis? So manche überteuerte Gurke wird gekauft, weil der Käufer schlicht das Risiko nicht eingehen will, dass diese Uhr nie wieder oder erst in Jahren erneut auftaucht. Aber so wirklich glücklich wird man damit nicht, wenn man viel zu viel bezahlt hat oder (oft noch nerviger), wenn das Exemplar komplett auf / verbastelt oder doch nicht genau die gesuchte Variante ist. Was nützt einem eine totpolierte bi-color Nautilus 3800, wenn man eigentlich die 3700 in Stahl will?
Auch bei modernen Uhren hat man zunehmend das gleiche Problem: Eine kleine Zahl von Referenzen wird zunehmend zu den Tulpen-Zwiebeln der Moderne und ist im Laden nicht mehr verfügbar, zumindest nicht mehr auf normalem Wege. Wenn man aktuell bei einem Konzi Uhren anschaut, ist das eine ziemlich verstörende Erfahrung - links und rechts neben einem kommen in schneller Folge Interessenten an die Tischchen, die eine Nautilus oder eine Sport-Rolex ordern wollen und dafür zu ihren Lebensläufen und finanziellen Hintergründen interviewt werden. Quasi "Bewerbungsgespräche" für Uhren - man staunt . Ich weiß gar nicht, was daran bekloppter ist - der Verkäufer/Konzi, der solche Gespräche führt, oder der (oft nicht wirklich uhren-affine) Interessent, der glaubt, dass der Hinweis auf seine Position als Director Business Development bei der Posemuckel GmbH ihn der Uhr irgendwie näher bringt...
Nun gehöre ich zu der raren Spezies, die beim Konzi weder nach einer Nautilus noch nach einer Daytona fragt, sondern gerne diese abseitigen anderen Marken anschauen möchte. Aber auch das wird zunehmend problematisch. Denn obwohl der Hype sich nur auf ganz wenige Referenzen erstreckt (übrigens auch bei Patek oder Rolex), haben viele andere Marken ihre Preise deutlich nach oben geschraubt - ohne dass es aber eine entsprechende Nachfrage gibt oder auch eine nur annähernd vergleichbare Entwicklung auf dem Gebrauchtmarkt. Nun konnte man dieses Problem in der Vergangenheit zumindest teilweise im vertrauten Gespräch mit dem Konzi regeln, gerade als bekanntes Gesicht ging da immer etwas. Aber auch das wird zunehmend schwieriger, da die Zahl der unabhängigen Juweliere dramatisch schrumpft und die wenigen verbliebene Konzis immer mehr durch Testkäufe etc. unter Druck gesetzt werden. Die Strategie ist klar: Die Preise möglichst nah um UVP halten, deshalb kein Rabatt in der Boutique oder Online und die Mehrmarken-Konzis platt machen. Das klingt auf den ersten Blick ganz schlüssig, leider gibt es einen Denkfehler: Denn die Annahme ist, dass die Leute die Uhren dann schon zum UVP kaufen werden, wenn sie denn keine günstigere Alternative haben. Und genau das stimmt eben für ganz viele Modelle (oder gar Marken) einfach nicht...
IWC war bei den Preisen noch nie schüchtern, trotzdem gab es da immer Modelle, wo das PLV passt - und manche, wo der Preis völlig daneben lag. Letzteres gelingt gerade bei "Randgruppen"-Uhren immer wieder mit erstaunlicher Sicherheit - entsprechende Erfolge waren Modelle wie eine Split Minute oder eine VC Portofino am Markt. Ein besonders schönes Beispiel dafür ist die IWC Fliegeruhr Worldtimer, die 2012 mit einem schlanken Listenpreis von 8.550 Euro auf den Markt gebracht wurde. Eine Weltzeituhr war immer schon in meinem Fokus, allein es hatte nie so richtig gepasst - preislich, optisch oder von der Verfügbarkeit. GP hatte ich immer wieder auf der Liste, aber die Chrono-Variante gefiel mir nicht und die reine Weltzeituhr habe ich noch nie irgendwo in den Händen gehabt (dazu kommt der Preis...). Vacheron hat eine sehr schöne Variante mit dem gefärbten Glas und der optisch wandernden Nacht - leider außerhalb des Budgets. Aus dem gleichen Konzern gibt es das zwar noch in günstiger (JLC) oder sehr viel günstiger (Montblanc), aber irgendwie ist es dann nicht das Original. Nun als IWC - das müsste doch passen?
Das Internet vergisst nicht, deshalb ist nachvollziehbar, was damals meine Gedanken waren:
https://forum.watchtime.ch/vie…&t=57686&p=797925#p797925
Fazit Anfang 2013: "Ich würde da einfach abwarten - meine Erfahrung mit anderen Exoten (z.B. der Split Minute) zeigt, dass sich da schon irgendwann die Preise an Realitäten annähern. Die sollte auch mal 8.550 Euro kosten - und zum Preis, den ich am Ende (neu und direkt von Richemont ) dafür bezahlt habe, würde ich auch eine Worldtimer nehmen..."
In den folgenden Jahren habe ich mir bestimmt dutzendfach Angebote für die Worldtimer angeschaut, manchmal sogar mitgeboten oder Angebote gemacht. Gepasst hat es nie, wobei es manchmal knapp war - einmal war ich urlaubsbedingt zu spät und dachte schon, das perfekte Angebot verpasst zu haben. Zugetraut hätte ich mir übrigens einen so langen Atem auch nicht, da ich schon mehrmals in die oben beschriebenen Fallen getappt bin. Doch dann kam nochmal ein super Angebot ins Blickfeld - zwar ordentlich getragen, aber technisch alles in Ordnung und für einen unfassbaren Preis. Und so hat sich die Geduld am Ende ausgezahlt - hat zwar 7 Jahre gedauert, aber mir war ja in der Zwischenzeit nicht fad . Zudem ist die Suche ja ein elementarer Teil des Spiels (zumindest für mich)...
Jetzt hoffe ich nur, dass die EU mit der Sommerzeit keinen Quatsch macht, sonst hat sich das Zifferblatt gleich schon wieder erledigt ...
Ein paar Worte zur Technik und Bilder am Arm folgen gleich noch.
Gruß,
Christian