Das IWC-Chronometer Paradoxon.

  • IWC hat nie - bis auf eine einzige Ausnahme - Uhren mit Chronometer-Zertifikat geliefert, die Begründung ist auch im Katalog von 1972 zu finden, siehe Scans.


    Trotzdem wurde Mitte der 90er Jahre ein Modell mit Chronometer-Zertifikat ausgeliefert, aber warum ?


    Eine fantastische Uhr mit einem erstklassigen Manufaktur-Werk basierend auf JLC. Dieses Werk wurde auch für einige andere Modelle verwendet, jedoch nicht mit einem Chronometer-Zertifikat.


    Bis heute ist der Grund für dieses einzelne Modell mit Chronometer-Zertifikat nicht geklärt.


    Wenn jemand die Gründe kennt, bitte Info.


    Beste Grüße




  • Nee, wirklich kein Problem, wie sämtliche Uhren Themen :)


    Nur ein Widerspruch, ich finde es Interessant, wenn bisherige Definitionen "vergessen" oder "überlagert" werden ?!
    Auslöser war Christians Beitrag zu der IWC Schuluhr mit Chronometer-Zertifikat, als Ergänzung dazu.


    Beste Grüße

  • Lieber Heiko,
    ich meine mich im Laufe der letzten 20 Jahre in einem der vielen Gespräche mit Insidern der IWC daran dunkel erinnern zu können (*) (die meisten der Herren sind ja längst in Pension), dass IWC einfach bewusst auf dieses leidige Prüfungsergebnis verzichtet hat, da diese Prüfung ohnehin bei allen Uhren in verfälschtem Rahmen statt gefunden haben. Es wurden immer nur die ausgeschalten Werke geprüft. In eingeschaltem Zustand (sprich: als fertige und ganze Uhr) kamen immer wieder ganz andere Ergebnisse zu Tage. Diese Ergebnisse entsprachen oftmals nicht den Kriterien der Chronometer-Zertifikats-Prüfung.
    Die Sinnhaftigkeit dieser Prüfung ging dabei weitgehend verloren und beschränkte sich im Letzten nur auf die Rechtfertigung der Existenz der Prüfstelle.
    Und wenn IWC auf dem von dir abgebildeten Werbeblatt die weit genaueren Gangergebnisse seiner Uhren belegt, also deutlich bessere Ergebnisse als von der COSC geforderte Ergebnisse vorweisen kann, dann ist ja eigentlich ohnehin schon alles gesagt, oder?!
    Denn für die Prüfung verlangt natürlich auch die COSC ordentlich Geld; die müssen ja auch von etwas leben!
    Mit genug Selbstbewusstsein kann man natürlich auf der Ausgabenseite auf solche Prüfplaketten locker verzichten - und schlussendlich gibt IWC der Erfolg recht!



    Liebe Grüße
    Stan


    (*) wie gesagt: dunkle Erinnerungen - NT!

  • Danke für die Info Stefan,


    die IWC Strategie zu den Chronometer Zertifizierungen finde ich gut, wie von Dir beschrieben.


    Nur, warum wurde diese Strategie - ein einziges mal - ausgesetzt, das ist für mich interessant.
    Genau das Gegenteil der bisherigen Jahrzehnte langen Verfahrensweise ?!


    Beste Grüße


    Heiko

    • Offizieller Beitrag

    ... ich könnte mir vorstellen, dass man damals einfach mal was ausprobiert hat.


    Viele direkte Wettbewerber im Segment der Ingenieur (z.B. Rolex, Omega, Breitling) setzten ja auch damals schon sehr prominent auf Chronometer-Zertifikate - nur IWC fiel da etwas aus der Reihe. Wenn man das Gefühl hat, dass der Markt Chronometer verlangt, dann muss man das liefern - und dann ist das mit den Weisheiten der Vergangenheit frei nach Adenauer schlicht wumpe.


    Im Prinzip sehen wir ja heute eine ähnliche Entwicklung: Über Jahrzehnte hat IWC darauf gebaut, mit "getunten" ETAs Top-Uhren bauen zu können (was auch stimmte). Entsprechend war die Kommunikation. Nun will der Markt aber "Inhouse", also liefert man das - auch wenn vermutlich die Performance dadurch nicht anders (besser) wird.


    Anders als beim Inhouse-Boom hat man aber vermutlich bei der Ingenieur festgestellt, dass das Chronometer-Zertifikat doch keinen Unterschied macht aus Kundensicht. Die Uhr ist ja nicht als Verkaufsschlager auffällig geworden, entsprechend hat man es dann zukünftig wieder gelassen (verursacht ja auch Kosten). In meinen Augen war das schlicht ein Markttest mit einem realen Produkt, für das man ohnehin ein neues Feature brauchte.


    Gruß,
    Christian

  • Ich könnte mir vorstellen, dass man den ständigen Querelen einmal nachgegeben hat und lässig gezeigt hat:
    "Seht her! Das machen wir mit links!
    Und jetzt zurück zu den eigentlichen und wichtigeren Aufgaben!"


    Stille im Gebälk! :rolleyes:


    .
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    • Offizieller Beitrag

    Mein Gedankengang zur Eingangsfrage, man muss die Zeit zurückdrehen, und ich gehe mal von den Werken aus.


    1967 geht das JLC 889 in Produktion.
    21.600 A/h, kugelgelagerter Zentralrotor, Aufzug in beide Richtungen, Gangreserve von ca. 50 Stunden. In 4 Lagen reguliert, 33 Juwels, und erreichte locker Chronometerwerte.



    Im Jahre 1990 wurde aus dem 889 das 889/1.
    Beim Werk wurde die Schlagzahl auf 28.800 A/h erhöht, und 1992 wurde der 1000 Stundentest bei JLC eingeführt.


    U.a. wurde dieses Werk auch an IWC geliefert.


    Im 1000 Stundentest wurden Gangscheine angelegt.



    Ich kann mir vorstellen, das ....


    1. IWC das Damals hat überprüfen lassen .....
    2. dem Wunsch der Kunden nach einem offiziellen Gangschein nachgekommen ist ....
    3. das dann aber schnell wieder eingestellt hat, weil man besser war als die Chronometervorgaben .....
    4. warum 2x testen, denn das Ergebnis der Tests sprachen Bände ....
    5. das Ergebnis wunderbar für die Zukunft vermarket werden konnte.




    @LeCollectionneur


    Ja, IWC schafft das Heute auch noch, auch mit den zugekauften Werken von ETA oder SW.

  • Ich war in den 90ern ein großer IWC-Fan, kann mich zu dem Thema aber auch nur spekulativ äußern.


    Die Behauptung aus den 70ern man würde keine Chronometerprüfung vornehmen lassen weil man das besser kann kaufe ich nicht, denn die Gangscheine hätten ja ausgewiesen dass sich die Werke von IWC sogar innerhalb von 0 bis +5 Sek bewegen. Hätte man also trotzdem machen und auch vermarkten können.


    Ich vermute daher schlicht dass man sich die Kosten sparen wollte, was aber auch nicht schlimm ist wenn die Uhren in der Praxis die versprochenen Gangwerte dann wirklich realisieren konnten.


    Mit Beginn der 90er begann eine Hochzeit an mechanischen Uhren die bis heute anhält. Möglicherweise hat man sich bei IWC im Lichte dieser Entwicklung entschlossen eine Uhr mit dem Zertifikat zu versehen um abschätzen zu können ob sich diese dann besser verkauft. Da ich vermute dass das auf die Verkaufszahlen damals keinen Einfluss hatte könnte es sein dass man sich die Kosten für weitere Zertifizierungen erspart hat.



    Ich habe keinen Kontakt zu IWC, aber vielleicht gibts hier jemanden der die Frage dort einmal vorbringen könnte.

    Gruß, René



    Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.

    Friedrich Nietzsche

    • Offizieller Beitrag

    Warum sollte IWC, in den 70er, ihre Werke (ob eigen oder zugekauft) nochmals prüfen lassen, wenn die hauseigene Prüfung bessere Werte ergibt als die damals vorgeschriebenen Chronometerwerte ?


    Ist klar, die zusätzlich Prüfung hätte Geld gekostet. Und wenn man selbst besser ist, dann braucht es so eine Prüfung nicht.
    Zusätzlich spart man Kosten.


    Mit dem Satz;
    "Wir kennen keinen Fachmann, der uns empfohlen hätte, für IWC auch Chronometerzeugnisse herstellen zu lassen. (.....)".


    sagt schon aus, das diese Chronometerzeugnisse für IWC-Uhren überfüssig sind. (Gutes Marketing.)


    Außerdem ist IWC keine offizielle Prüfstelle für Chronometerzeugnisse, aber um das aufs Zifferblatt schreiben zu dürfen muss das Werk offiziell geprüft wurden sein.


    Warum IWC das bei diesem Modell, Mitte der 90er, gemacht hat, da kann man nur ins Blaue raten.


    Kundenwünsche folgend, bessere Absatzzahlen, schöneres Zifferblatt-Design, wir könnten auch so, wenn wir es wollten, oder oder oder ?

  • Warum sollte IWC, in den 70er, ihre Werke (ob eigen oder zugekauft) nochmals prüfen lassen, wenn die hauseigene Prüfung bessere Werte ergibt als die damals vorgeschriebenen Chronometerwerte ?

    Die Antwort ist eigentlich nicht so schwer.


    Das Ergebnis eines UNABHÄNGIGEN Prüfinstitutes vs der Behauptung eines schon naturgemäß nicht unabhängigen Hersteller der seine Produkte an den Mann bringen will.

    Gruß, René



    Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.

    Friedrich Nietzsche

    • Offizieller Beitrag

    @Vamos


    Nun ja, Rene, IWC hielt es nicht für nötig ein unabhängiges Institut zu beauftragen, um ihr eigenes Ergebnis sich bestätigen zu lassen.
    Gesundes Selbstbewusstsein, ;) oder doch eher fahrlässig ? :idee:


    Ausgenommen eben dieses Modell aus der Ingenieur-Reihe.
    Da hat man die Werke zusätzlich prüfen lassen.
    Das war aber in den 90er.


    Hat es was (ein)gebracht ?

  • Noch eine Ergänzung Christian.


    Die 3521 war schon einige Jahre im Programm, es wurden immerhin zwei Chargen davon produziert und es war kein preiswertes Modell.
    Deswegen - zumindest aus heutiger Sicht - kein ideales Chronometer Testmodell ?!


    Und es war meine erste IWC, die ich bei einem lokalen Konzi erworben habe. Allerdings hat den Kauf ein Bekannter durchgeführt, denn der kannte den sehr gut Konzi und bekam einen viel besseren Rabatt, als ich bekommen hätte :)


    Ehrlich gesagt, hat mich damals der Chronometer Hinweis auf dem ZB schon beeindruckt, denn zu der Zeit kannte ich die Hintergründe zum Chronometer noch nicht. Insofern hat die IWC Strategie bei mir perfekt funktioniert.


    Das selbe Werk wurde auch im Edelmetall der Kleinen Portugieser verbaut, ohne Zertifikat. Aber davon wurden sehr geringe Stückzahlen hergestellt.


    Beste Grüße


    Heiko

  • Danke für den Hinweis zu dem 1000 Stunden Test bei JLC, Bernd.


    Zu selben Zeit wurden auch die sehr ähnliche JLC Werke cal. 884/2 für die Mark XII an IWC geliefert, die ersten Werke, die IWC jemals ohne Deko verbaut hat, siehe Foto.
    Die Stückzahlen der Mark XII waren weitaus höher, als die der Ing. Chronometer mit cal. 887/2 und JLC konnte damals nicht die gewünschte Anzahl Werke an IWC liefern, auch eine Grund, dass IWC zeitnah wieder vollständig ETA Werke verbaute.


    Der aufwändige 1000 Stunden Test hätte den Lieferprozess noch mehr verzögert, aus diesem Grund kann es durchaus sein, dass für die von JLC an IWC gelieferten Werke der 1000 Stunden Test eingespart wurde ?!


    Beste Grüße


    Heiko


    • Offizieller Beitrag

    Zu den Werken
    Das 884 ist rhodiniert, und das 887 ist vergoldet, die Schwungmasse hat ein Element aus 950 Platin.



    Diese Klaibernummer stammen aber von IWC, nicht von JLC.
    Basis für diese Werke ist das 889/2.



    In meiner GST Alarm tickt das 1.917
    Das ist ein Werk auf der Basis vom 918, das aber von IWC etwas abgewandelt wurde.


    P.S. Wie sich später herausstellte hatte das 889/2 Probleme und magnetisierte zu schnell. Das war IWC ein Dorn im Auge.

  • Die Problematik mit der Magnetisierung kannte ich bisher nicht ?!
    Zur Zeit der Mark XII und der Ing. Chronometer war Magnetfeldschutz mit Weicheisen-Innengehäusen noch Standard.
    Es gab aber auch noch andere Modelle, ohne Weicheisen.


    Ich habe noch diesen älteren Artikel auf dem Server, mit einer Liste aller IWC Modelle mit JLC Werken:


  • […]
    Im Prinzip sehen wir ja heute eine ähnliche Entwicklung: Über Jahrzehnte hat IWC darauf gebaut, mit "getunten" ETAs Top-Uhren bauen zu können (was auch stimmte). Entsprechend war die Kommunikation. Nun will der Markt aber "Inhouse", also liefert man das - auch wenn vermutlich die Performance dadurch nicht anders (besser) wird.
    […]

    Ich denke, „dem Markt“ ist es relativ egal, ob ein zugekauftes oder ein Manufaktur-Uhrwerk in den Uhren tickt, denn „der Markt“ sind ja nicht die paar „Freaks“, die sich in den diversen Uhrenforen tummeln und darüber diskutieren, ob die Uhr mit dem „gepimpten“ ETA den aufgerufenen Preis denn überhaupt wert ist.
    „Dem Markt“ ist meiner Ansicht nach das Prestige viel wichtiger, welches mit der teuren Uhr gekauft und vermittelt wird. Ich bin mir sicher, dass die Masse der Träger von höher- oder hochwertigen Uhren da draußen – also tatsächlich „der Markt“ – überhaupt nicht weiß, welches Werk in ihren Uhren tickt.
    Die neuerliche Hinwendung zu selbstentwickelten Kalibern ist meines Erachtens eher der Tatsache geschuldet, dass die durch die Schweizer Wettbewerbskommission verhängte Lieferpflicht der ETA SA im kommenden Jahr ausläuft und dann jeder Hersteller sehen muss, wo er bleibt.