EINES VORAB: Wer Zeit hat und es etwas spannender haben möchte scrollt bitte NICHT voreilig zum ersten Foto. Und: sicher werden einige vom Ergebnis überrascht sein...
Hallo Lounger!
Die Entscheidung ist gefallen, der Drops gelutscht, die Kuh vom Eis.
Ja, ich weiß, war mal wieder eine schwere Geburt. Dafür „belohne“ ich Euch jetzt mit einer ausführlichen Vorstellung einer Uhr, an die –so würde ich wetten- auch niemand von Euch gedacht hat. Ich sowieso nicht.
Zuerst mache ich aber einen kleinen Schritt zurück- ich fasse mich auch so kurz wie möglich.
Nachdem mich meine Speedmaster Racing aufgrund mangelnder Tragezeit verlassen musste war klar, dass dieser Platz wieder gefüllt werden musste. Die Speedie ist eine schöne Uhr, gar keine Frage. Letztlich wirkte sie (...auch aufgrund der letzten Käufe von Avenger II GMT und Panerai 1351...) doch recht klein. Kurioserweise habe ich diesen Eindruck bei meiner Explorer I mit 39 mm Durchmesser nicht. Wie auch immer.
Lange Rede, kurzer Sinn: welche soll es nun werden? Welcher Hersteller kommt –natürlich auch aus Budgetgründen- überhaupt infrage? Bei mir (...und vielleicht auch bei Euch?...) ist es nicht selten schon fast wie ein Pawlowscher Reflex, dass einem die üblichen Verdächtigen der Schweizer Granden tief in den Hirnwindungen herumschwirren. Als würde ein auf der Schulter sitzender Teufel die Namen der Hersteller mantraartig wiederholen, in der Hoffnung, dass steter Tropfen den Stein schon verlässlich höhlen wird und es eben wieder eine Rolex, Omega etc. werden wird.
Und wenn wir mal ehrlich sind: können wir uns tatsächlich immer von geschicktem Marketing, Hochglanzprospekten und imageträchtigen Namen schützen? Und sowieso: wollen wir das überhaupt?? Ich lasse das einfach mal so stehen...
So begann die Suche also, mit leicht eingeengtem Sichtfeld ging es auf die Konzi- Klappertour. Ich habe mir wirklich alle Eure Vorschläge angesehen, einige schieden jedoch entweder aus Budgetgründen oder schlicht und ergreifen aus rein optischen Gründen aus. Nicht, dass sie mir nicht gefallen hätten, aber einige passten einfach nicht zu mir. Und: es sollte idealerweise nicht schon wieder schwarz werden, evtl. blau, oder ein Farbkleckser sollte für eine gewisse Frische sorgen.
Tudor Black Bay Chrono, unterschiedliche Varianten der Zenith ElPrimero, Breitling Navitimer 01 (blau), TAG Heuer Carrera Heuer 01 (blau) und IWC Fliegerchrono habe ich mir live angesehen bzw. kannte diese schon. Das waren die Kandidaten in der engeren, ja engsten Auswahl.
Jedoch fielen sie bei näherer Betrachtung aus unterschiedlichen Gründen wie die Fliegen: bei der Tudor war es der Gesamteindruck und die m.M. etwas überdimensionierten Pusher. Die Carrera war mir zu wuchtig (17mm hoch!), bei der Zenith waren es ebenso die Pusher. Ich kann es gar nicht genau beschreiben, aber diese stehen gefühlt etwas sehr weit vom Gehäuse ab. Nicht jedermanns Ding, auch wenn mich eine El Primero wirklich gereizt hätte. Der IWC Fliegerchrono war schön, wirkt sehr edel. Aber eine (...zugegebenermaßen tolle!...) Uhr in dieser Preisklasse und dann nur ein doch recht „schlichtes“ und lediglich bedrucktes ZB? Das verträgt sich m.E. nicht, aber das ist nur meine bescheidene Meinung.
Blieb der Navitimer 01. Nach den ganzen Konzibesuchen und näheren Betrachtungen war sie noch immer der Favorit, aber ich zögerte, denn 7k war wirklich die absolute Grenze und sollte ich diese wirklich fast gänzlich ausnutzen?? Ich haderte, war frustriert, unschlüssig.... und dann kam es wirklich GANZ anders....
So, es wird Zeit Euch etwas anzufüttern, damit auch keine Langeweile aufkommt....
Ich nutze die heutige Mittagspause abermals für einen kleinen Rundgang. Es gab kein konkretes Vorhaben und war eher ein beliebiges Schlendern mit ein bisschen Nasenknuffen an Schaufensterscheiben. Mein Blick wanderte quer durch die Auslage des Konzis, bei dem ich mir auch die El Primero angesehen hatte... die da unten, die sieht ja gut aus! Ich dachte noch: wie soll ein Mensch oberhalb der Zwergengröße die Uhr denn dort entdecken?? Sie war wirklich mehr als unglücklich platziert. Weil dieser Hersteller beim Kampf um die besten Plätze in der Auslage den Kürzeren zog?
Jedenfalls erblickte ich sie erst bei meinem dritten (!) Besuch. Aber ich musste sie mir mal genauer ansehen...
Noch ein Foto gefällig? Ja, meinetwegen...
Also wieder mal hinein in die gute Stube, der durchaus kompetente und langjährige Mitarbeiter lächelte schon leicht gequält... er kennt mich bereits einige Jahre.
„Die würde ich mir mal bitte genauer ansehen.“ Meine Worte mussten wie eine schroffe Aufforderung geklungen haben.
Der erste Eindruck war absolut vielversprechend! Ein frische Farbe umrandet das Zifferblatt, auch auf der Spitze des Stoppsekundenzeigers und auf der Stoppminute findet sich diese wieder. Es wirkt alles schön aufgeräumt, man verzichtete auf endlose Textpassagen, ein liebevoll umrandetes Datum auf der „6“ sticht positiv hervor. Applizierte Indexe, sehr gefällige umrandete Totis... doch, das gefällt mir sogar extrem gut!
Na gut, ein Foto noch.... das Werk.
Das Gehäuse ist wirklich tadellos verarbeitet. Klar definierte Linien und Fasen sowie schöne und gleichmässig gebürstete Flächen wechseln sich ab. Die Baguette- Pusher fügen sich nahtlos ins Gesamtbild ein und die Krone ist perfekt dimensioniert und schön griffig. Die Hörner fallen leicht ab, stehen jedoch noch immer etwas oberhalb des transparenten Gehäusebodens.
Eine Lünette mit mattschwarzem Keramikinlay rundet das Bild ab.
Zeit für eine Anprobe: ja, passt. Zugegebenermaßen mit 44mm nicht gerade klein, aber auch keinesfalls zu groß.
Mittagspause beendet. "Ich komme evtl. später nochmal!" Wieder gequältes Lächeln von meinem Gegenüber, der in diesem Moment sicherlich verflucht hat, dass er heute keinen Urlaub hat. Erstmal meine Schnappatmung in den Griff kriegen, beruhigen. Nochmal alles sacken lassen. Und nach Feierabend wieder hin.
"Das alles möchte ich mir jetzt nochmal im Tageslicht ansehen, Kunstlicht täuscht." Ihr wisst ja, was jetzt kommt: genau, abermals gequältes Lächeln.
Also wieder raus aus der guten Stube, auf das Zifferblatt geschaut und.............Was ist das denn bitte für eine Verwandlung?? Aus schwarz mach grau?? Und diese Struktur- was ist das für ein Material?? Ich war fasziniert und rätselte zugleich, was das sein könnte. Die Lösung: Carbon!
So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen! Während die Totalisatoren unabhängig von Lichtart und Betrachtungswinkel immer schwarz sind, verwandelt sich der Rest je nach Lichtverhältnissen von anthrazitfarben über mittelgrau bis hin zu hellgrau- ein absoluter Hingucker, der fotografisch leider nur schwer festzuhalten ist. Die musste ich haben!!
So, bevor ihr nun entnervt wegklickt möchte ich nun komplett auflösen: es handelt sich um den Mühle Promare- Chrono, Referenz M1-42-04 NB.
Dieser wurde 2016 auf der Baselworld vorgestellt. Ein verziertes und modifiziertes Selitta- SW500 bildet das Herzstück dieser Uhr, die Datumsverstellung erfolgt über einen Pusher, der sich wie beim ETA-7753 an der 10- Uhr- Position der Flanke befindet. In Glashütte spendierte man diesem soliden Werk die bereits bekannte Spechthalsregulierung, einen eigenen Rotor und eine Glashütter Dreiviertelplatine.
Das Saphirglas ist beidseitig entspiegelt und sorgt für beste Ablesbarkeit ohne störende Spiegelungen. Bei dem sehr bequemen und robusten Band handelt es sich um ein „Hirsch Performance“, in dem sich die Farbkombination von anthrazitfarbenem Grau und frischem Orange konsequent fortführt.
Das Gehäuse misst 44mm Durchmesser und eine gut tragbare Höhe von 15mm. Zeiger und Indexe sind mit hellblauer, fast schon weißlich leuchtender Superluminova versehen, die –das kann ich schon jetzt sagen- ihren Zweck sehr ausdauernd erfüllt.
Fazit: wer hätte es gedacht, dass es eine Mühle wird? Ich jedenfalls nicht. Und doch ist es gut so, denn genau diese Uhr hat im Handumdrehen das geschafft, was die fast schon übermächtige Konkurrenz nicht geschafft hat: sie hat mich im Sturm erobert. Erfreulicherweise hat sie dabei das Budget nicht mal annähernd ausgereizt.
(Anmerkung: über folgende Zeilen der Vorstellung habe ich lange nachdenken müssen, ob ich sie veröffentliche...)
Apropos Budget: ich höre Euch schon fragen „So viel Geld für eine Mühle mit popeligem ETA- Klon???“
Meine Antwort lautet: Ja, absolut!! Die Uhr ist m.E. fair bepreist und lässt so manch anderen Chrono aus deutlich darüber angesiedelten Preisregionen im Verhältnis ziemlich blass aussehen. Ja, es handelt sich um kein Inhousekaliber, recht so. Dieses Werk zählt jedoch zu den absolut zuverlässigen sowie robusten Kalibern, die i.d.R. absolut keinen Grund zur Sorge geben und darüber hinaus ihren Träger mit sehr guten bis exzellenten Gangwerten verwöhnen.
(Das sollte absolut kein Startschuss einer Preisdiskussion werden, also bitte nicht falsch verstehen!)
Ich habe mich bemüht, dieser Uhr eine würdige Vorstellung zu widmen sowie alle relevanten technischen Daten in dieser unterzubringen und hoffe, dass mir das gelungen ist. Hier noch ein paar Fotos:
Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit.
Fabian.