Erwin Sattler, die unbekannte Marke

  • Hallo zusammen,
    nach dem Hublot Eigenversuch und der Vorstellung der Explorer I heute ein Blick auf eine weitgehend unbekannte Marke, zumindest im Bereich der Armbanduhren.


    Wenn man 100 Menschen auf der Straße nach hochwertigen Uhrenmarken befragt, sind die Antworten vorhersehbar. Vermutlich wird der Name Rolex 98 Mal fallen, Omega ca. 90 Mal. Auch Patek wird mit Sicherheit noch bei über 50 Prozent liegen.


    Dann wird die Luft vermutlich deutlich dünner: AP, Hublot, Lange Glashütte Original oder JLC? Alles Begriffe, die in Uhrenforen gängig und bekannt sind, in der realen Welt doch eher unbekannt.


    Es gibt aber auch Namen, die vermutlich gar nicht fallen würden, weder bei einer Umfrage unter beliebigen Passanten noch hier, wo sich die Verrückten der ganzen Welt versammeln, um ihrem Hobby (oder ist es bei manchen schon Sucht) nachzugehen.


    Eine dieser Marken ist Erwin Sattler aus München. Dabei verdient diese kleine aber feine Manufaktur durchaus ein wenig Aufmerksamkeit. Denn schon im Jahr 1903 bekam der Namensgeber und Uhrmachermeister Erwin Sattler ein Patent für einen ewigen Kalender. So zu finden in der kaiserlichen Patenturkunde Nummer 163850.
    Und seit dieser Zeit fertigte Erwin Sattler in seiner Werkstatt Uhren, die er selbst entwickelt hat. 1958 wurde aus der Werkstatt die Firma Erwin Sattler. Und auch wenn Erwin Sattler seit 2008 eine OHG ist, so ist es noch immer ein Familienunternehmen, bei dem Stephanie Sattler-Rick die Zügel fest im Griff hat.


    Bei Fans der Uhrmacherkunst ist Erwin Sattler bekannt für hoch präzise Pendeluhren. Sie erreichen eine für mechanische Uhren nahezu unvorstellbare Genauigkeit. Die Spitzenmodelle haben eine Gangabweichung von unter zehn Sekunden, pro Jahr wohlbemerkt. Diese Modelle bestehen aus über 420 Einzelteilen, inkl. barometrischen Einheiten, die Luftdruckschwankungen und andere atmosphärischen Störungen ausgleichen können.


    Diese Genauigkeit war es, die schon früh dazu führte, dass dort Regulatoren gefertigt wurden. Regulatoren waren und sind hoch präzise, sehr exakt ablesbare Uhren, die lange vor Atomuhren dazu genutzt wurden, andere Uhren an ihnen einzustellen. Das klassische Regulatoren Zifferblatt verfügt über die folgende Einteilung: Zentral befindet sich der große Minutenzeiger als alleiniger Zeiger auf der Mittelachse. Auf der 12 Uhr Position befindet sich die kleine Sekunde, wobei es aus Gründen der Genauigkeit wichtig ist, dass sie über einen exakten Sekundenschlag verfügt. Auf sechs Uhr ist die Stunde positioniert. Oftmals kommt die Frage auf, warum die Position von Stunde und Sekunde so vorgegeben sind und nicht vertauscht werden dürfen. Die Antwort ist, so man sie kennt, einfach, logisch und einleuchtend: Angenommen das Fenster für die Stunden wäre bei 12:00 Uhr. Wenn dann der Minutenzeiger auf der vollen Stunde steht, würde er jeweils um 06:00 Uhr und um 12:00 Uhr den Stundenzeiger verdecken! Dies darf natürlich nicht sein.


    Wenn hingegen die Stundenanzeige auf sechs Uhr positioniert wird, kann es keine komplette Überdeckung geben, da der bei einer "halben Stunde" der Stundenzeiger immer zwischen zwei Stunden steht und somit nicht überdeckt werden kann.


    Die meisten der geneigten Leser fragen sich jetzt vermutlich, was die Standuhren von Sattler mit unserem Hobby zu tun haben, denn immerhin geht es hier um Armbanduhren und nicht um Standuhren oder Uhren, die man an die Wand hängen kann.


    Nun, wie ich selbst lernen musste, gibt es etwas, was selbst viele Konzis nicht wissen: Erwin Sattler baut auch Armbanduhren. Es begann vor einigen Jahren mit der Classica Sekunda in 44mm, einem echten Regulator am Handgelenk.


    Das Zifferblatt der Uhr entspricht exakt dem der großen Pendeluhr. Darüber hinaus hat sie auch ein technisches Feature, welches in der Welt der mechanischen Uhren nur sehr selten anzutreffen ist: Wie es sich für einen "echten Regulator" gehört, verfügt sie über eine "springende Sekunde", um die Zeit präzise ablesen zu können. Das Verfahren wurde von Erwin Sattler patentiert. Mir sind derzeit nur zwei weitere Armbanduhren mit dieser Komplikation bekannt: Die neue Richard Lange von ALS sowie eine Neuvorstellung von JLC.


    Jede Uhr ist einzeln nummeriert.
    Hier ein paar Eindrücke von meinem Regulator:






    Der Regulator ist sowohl in Edelstahl als auch in Rotgold sowie einer Bicolor Variante verfügbar. Außerdem gibt es noch eine Medium Version, deren Durchmesser 42mm beträgt. Darüber hinaus gibt es die Medium auch mit einem dunklen Zifferblatt.


    Aber damit nicht genug. Erwin Sattler hat sich entschlossen, weitere Modelle auf den Markt zu bringen. Die nächste Uhr ist der Chronograph Classica Secunda. Das Zifferblatt dieser Uhr ist stark an das Regulatorenblatt angelehnt, verfügt jedoch durchaus über optische Eigenständigkeit.


    Auch diese Uhr hat eine Besonderheit: Es handelt sich um einen Chronographen, der komplett über einen Drücker / Krone auf der sechs Uhr Position bedient wird. Diese Lösung wirkt im ersten Moment befremdlich, trägt sich jedoch sehr angenehm und auch die Bedienung ist kein Problem.


    Hier einige erste Eindrücke:








    Die Palette der Armbanduhren wird aktuell vom Chronographen II Classica Secunda abgerundet. Diese Uhr entspricht optisch einem klassischen Chronographen und ist in jeder Hinsicht zeitlos gestaltet.


    Für diejenigen, die es interessiert, an dieser Stelle ein Video der Firma Sattler, in dem man recht gut die breite Palette sehen kann und einen kleinen Blick hinter die Kulissen bekomm:


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    Falls mein Beitrag euer Interesse geweckt haben sollte, kann ich nur einen Ausflug zur Firma Sattler empfehlen. Es ist durchaus möglich, sich dort nach Voranmeldung eine Führung verpassen zu lassen ... ich hoffe, dieser kleine Ausflug abseits von Rolex, Omega, Patek und Co hat euch gefallen.



    Viele Grüße,
    Sascha

  • Sascha, grandiose Vorstellung! :verneig::gut:
    Hat Spaß gemacht zu lesen, ich kannte die Marke auch nur "vom hören und sagen"


    Dein Regulator sieht klasse aus, einzig die Krone / Drücker auf der 6 wirkt für mich ein wenig unstimmig
    Hebt sich aber von der Masse ab, was mir wiederum gefällt ;)



    PS: Ein Wristshot fehlt! :kaempo:

    LG Roman


    One brand, one watch!


    Wenn du auf deine Uhr schaust, um die Uhr zu sehen und nicht um die Zeit zu ermitteln, hast du die richtige Uhr für dich gefunden!

  • Schöner Bericht, danke dafür! :gut:



    OT:


    Ich habe mir vor Jahren mal den Spaß gemacht nach "hochwertigen Uhrenmarken" zu fragen. Nicht im Zuge einer Studie und nicht 100 Leute auf einmal, aber immer wieder wenn ich mit "normalen" Leuten (= Uhren nicht als Hobby) zusammengesessen bin.


    Rolex kam immer, dann gleich Breitling. Omega kam sehr selten, obwohl es eine sehr bekannte Marke ist. Meistens haben die Leute nur darauf vergessen, denn wenn ich "Omega" einwarf, kam immer ein "ah ja, Omega auch". Gleiches bei Cartier, aber da dachten die Leute an Schmuck und waren überrascht dass die auch eine lange Uhrengeschichte haben.


    AP kannte niemand und bei Patek dachte jeder an den Kleber (Pattex). :lol: War keine unlustige Erfahrung für mich.

    Gruß, René



    Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.

    Friedrich Nietzsche

    • Offizieller Beitrag

    Sascha,


    danke für den kleinen bericht :gut:


    Ja, Erwin Sattler ist schon eine gute Marke. Angefangen von ihren Groß-/Standuhren, dem Uhrenbausatz M1
    bis hin zu den Armbanduhren. Ich gehe immer zur Baselworld zu dem Stand von Sattler, um mal zu sehen
    was es neues gibt. Das ist immer sehr interessant, und die Leute sind auch sehr nett. Da sieht man auf einer
    für die Messeverhältnisse großen Fläche sehr viel aus dem Angebot.

  • Der Regulator aus Stahl LP bei rund 9k, der Chrono bei knappen 12k LP ...


    Ja, die Preise sind nicht ganz gering, aber man möge nicht vergessen, dass wir hier von sehr kleinen Auflagen reden. pro Jahr werden weniger als 100 Armbanduhren gefertigt.


    Wenn man dann berücksichtigt, welcher Entwicklungsaufwand für eine "springende Sekunde" zum Beispiel notwendig ist, relativieren sich die Preise sehr schnell.



    Volker: Ja ich habe ein paar Exoten in der Sammlung, von denen ich denke, dass sie es verdient haben, ein ganz klein wenig Aufmerksamkeit zu bekommen ... ;)

  • Ich bin auf der letzten Baselworld durch Zufall auf Erwin Sattler aufmerksam geworden. Eigentlich wollte ich mich nur kurz auf den Sofas auf deren Messestand bequem machen, da ist mir folgender Tisch aufgefallen: http://www.erwinsattler.com/kollektion/innovationen/atlantis.html#!div1
    Nach kurzer Zeit kam ich mit einem sehr netten Konstruktuer von Erwin Sattler ins Gespräch. Anscheinend ist Erwin Sattler die Adresse in München, wenn es um exklusive Uhren geht. Mich hat das alles sehr fasziniert. Am meisten angetan war ich von den Sideboards: http://www.erwinsattler.com/ko…aero-sideboard.html#!div1 Nur leider preislich eine andere Dimension.

  • Hallo,


    ich war vor ein paar Wochen zur Schulung bei Sattler.
    Die Fertigungstiefe ist phänomenal.
    Es gibt sogar eine eigenes Testlabor.
    Sogar der Chef, Herr Müller, ist Uhrmacher und ist mitverantwortlich für technische Entwicklungen.


    Auf meinem Blog gibt es einen kleinen Bericht und Bilder zu meinem Besuch
    Hier ist der Link: Erwin Sattler


    Grüße aus der Uhrmacherwerkstatt


    Uli