Sechs Monate mit dem Seventies Chronograph Panoramnadatum

  • 2009 war ich das erste mal Glashütte und stellte bei G.O. eine Frage, die offenbar schon andere vor mir gestellt hatten:


    "Wann können wir mit einen integrierten Chronographen in einer erreichbaren Preisklasse rechnen?"


    Die Rattrapante und den PanomaticChrono gab es damals ja schon, der PanoRetroGraph war bereits glorreiche Geschichte.


    Die Antwort handelte von Entwicklungskapazitäten und Prioritäten und klang für's Erste nicht wirklich ermutigend.
    Also blieb Kaliber 39 mit dem DD-Modul, aber das hat mich nicht wirklich gereizt, zumal ich mich zu dieser Zeit bereits an einer G.O. Sport Evolution freuen konnte, die auch vom Kaliber 39 angetrieben wird.


    2014 war es dann soweit:
    Auf der BaselWorld stellte Glashütte Original das Kaliber 37 vor, und das Konzept war von Anfang an klar: Stabil und zuverlässig sollte es sein, so einfach wie möglich aber dennoch sehr leistungsfähig. (Das erinnert doch spontan an das neue Basiskaliber 36. Es scheint, wir sehen hier, wie eine neue Strategie metallene Gestalt annimmt.)


    Einfach ist natürlich ein ziemlich relativer Begriff für ein Werk, das aus 450 Teilen besteht. Das ist eine stattliche Zahl und die kommt natürlich nicht von ungefähr. Sie ist so stattlich wie die Ausstattungsliste des Kalibers 37:

    • 12 Stunden-Chronograph mit Säulenrad
    • Flyback-Schaltung
    • Gangreserveanzeige
    • Panoramadatum
    • 70 Stunde Gangreserve
    • Automatikaufzug

    Dazu kamen innere Werte wie die erstmals bei G.O. verwendete rückerlose Regulierung durch Schrauben am Unruhreif.


    Ich muss sagen, ich war beeindruckt. Das klang nicht halbherzig und auch nicht nach unerreichbarem High-End, sondern so, als wollte die Manufaktur das Thema „tragbarer Chronograph“ für die nächsten Jahre umfassend erledigt haben. Hoffnung keimte auf, dass vielleicht eines Tages …


    Spannend waren auch die Uhren, in denen Kaliber 37 debütierte. Zwei sehr verschiedene Welten:


    Zum einen der Senator Chronograph Panoramadatum, 100% ein Mitglied der Senator-Familie. Edel, elegant und formal.


    Zum anderen der Seventies Chronograph Panoramadatum. Sehr eigenständig, modern, und sportlich elegant gleichzeitig. Offensichtlich auf das Segment der Luxus-Sportuhren gezielt.


    Ich hatte zuerst die Gelegenheit, mir den Senator Chronograph in Platin anzuschauen. Sehr edel mit einem fantastischen anreibeversilberten und gravierten Zifferblatt. Da hat man in Pforzheim in der Zifferblattfertigung ganze Arbeit geleistet.
    Ob die erkennbar stabile Bauart des Werks so richtig zu einem Senator in Platin für 45.000€ passt, das muss jeder für sich selber entscheiden. Ich war offen gestanden damals ein wenig irritiert von diesem Kontrast.


    Diese Frage stellte sich nicht im Geringsten, als ich letzten Sommer bei den Dresdener Musikfestspielen Gast der Manufaktur sein durfte und in der Boutique in Dresden das erste mal den Seventies Chronograph in die Hand nehmen konnte. Blaues Zifferblatt am Stahlband. Genau die Version, die mich schon auf dem Papier angesprungen hatte.


    Nachdem ich sie vorwärts und rückwärts, aufwärts und abwärts, von links nach rechts und wieder zurück inspiziert hatte, war ich mir sicher, dass die Designer, Uhrmacher und alle ihre Kollegen in Glashütte es zu 100% hinbekommen hatten. An dieser Uhr stimmte einfach alles. Das Design, die Technik, die Haptik, das Gefühl. Mir schwante, was über kurz oder lang passieren würde...


    Dieses Gefühl hielt im kommenden halben Jahr mehreren Besuchen bei meinem Händler und den unvermeidlichen Diskussionen mit meinem Bankkonto stand, und schließlich war es so weit:



    Das ist jetzt ein halbes Jahr her, und wir haben uns bestens miteinander eingelebt. Zeit, meine Erfahrungen mit Euch zu teilen.


    Was sofort am meisten ins Auge springt, ist natürlich das blaue Zifferblatt. Es ist tatsächlich das blaue Blatt oben auf dem Bild, nicht das graue. Aber das zeigt gleich die interessanteste Eigenschaft Trumpf dieses Blatts: Seine starke Reaktion auf das Licht. Es kann von einheitlich grau über einheitlich dunkelblau bis strahlend blau und bis hin ins Türkis daher kommen. Mal sticht der Sonnenschliff deutlich hervor, mal verschwindet er vollständig. Es ist jedes mal wieder eine Überraschung, wenn man auf diese Uhr schaut.




    Das Layout des Zifferblatts ist meiner Meinung nach sehr gut gelungen. Den 12 Stunden-Zähler als Fensterle zu bauen scheint mir die bessere Wahl gegenüber einem dritten Hilfszifferblatt zu sein. Das hätte das Zifferblatt wohl zu voll gemacht.


    Dass die Designer diese Möglichkeit auch für den Seventies Chronographen ernsthaft in Betracht gezogen haben, belegt eine Zifferblatt-Prototyp, der sich unauffällig zwischen vielen anderen Zifferblättern im einschlägigen Schaukasten in der Manufaktur versteckt:



    Ich kann zwar den 12-Stunden-Zähler ohne Brille nicht ablesen, aber das ist mir das Design wert. Und mal ehrlich: Wie oft stoppt man Zeiten über einer halben Stunde? Bis dahin sind die Eier längst gar und der Tee gezogen.


    Viel wichtiger ist mir das Panoramadatum, das ich auch ohne Brille problemlos ablesen kann. Das brauche ich tatsächlich ständig. Wenn Ihr auf die Fotos oben schaut, dann werdet Ihr sehen, wie die Hintergrundfarbe des Datums der Farbe des Zifferblatts folgt. Mal grau, mal kräftig blau. Wie sie das hingebracht haben, das weiß der Geier. Aber billig war es bestimmt nicht. (So ein bisschen muss ich den Preis eines solchen Stücks ja auch vor mir rechtfertigen....)


    Warum die Zeiger und die Indexe aus Weißgold gebaut werden, habe ich erst später verstanden. Unter schwachem Licht treten sie manchmal ganz hell und kontrastreich vor dem dunklen Blatt hervor. Viel stärker als Stahlzeiger. Das ist ein äußerst edler Anblick, den ich leider noch nicht geschafft habe, zu fotografieren.
    Der Stoppsekundenzeiger besteht übrigens aus einer extrem harten Legierung (Pfinodal heißt sie, wenn ich es richtig im Kopf habe). Das soll verhindern, dass der Zeiger beim Zurücksetzen jederzeit seine Form exakt behält und nicht nachvibriert. Noch so ein Detail....


    Die Leuchtmasse auf den Zeigern tut einen guten Job, wenn es darum geht, tagsüber den Kontrast der Zeiger vor dem Zifferblatt zu erhöhen. Da haben helle Zeiger (sei es Weißgold oder Stahl) ja gerne mal die Eigenheit, optisch mit dem Zifferblatt zu verschmelzen. Nachts muss sich die Seventies aber dann doch von jeder Speedy Pro zeigen lassen, wo der Bartel den Most holt. Insbesondere die Punkte über den Indexen haben nachts wenig zu verkünden.


    Gleich geht es weiter....



  • Gehäuse und Band sind Design und Maschinenbau vom Feinsten. Die Mischung aus Geraden und sanften Kurven und von polierten und gebürsteten Flächen ergeben diesen besonderen Mix aus Sportlichkeit und Eleganz, den man sonst vielleicht von einer Royal Oak oder einer Nautilus kennt.
    Mit 40mm Breite ist man zum Glück sehr vernünftig auf dem Teppich geblieben. Die Diagonale des Zifferblatts ist natürlich ein gutes Stück größer.




    Grundsätzlich hat das Gehäuse die Form eines Pyramidenstumpfs, dessen Schräge sich im Armband fortsetzt. Dadurch wird die Höhe des Gehäuses von 14mm geschickt kaschiert. 14mm sind für einen Automatik-Chronographen mit 10bar Dichtigkeit sicherlich nicht viel. Aber durch ihre Form und den Boden, der sich gut ins Handgelenk schmiegt, sieht die Uhr am Handgelenk sogar eher wie 12mm aus.


    Das Band ist am Anstoß 26mm breit (an der Schließe 19mm) und geht nahtlos ins Gehäuse über. Offensichtlich wurden Gehäuse und Band als eine Einheit entworfen, auch wenn alternativ ein Kautschuk- und ein Lederband angeboten werden.




    Überhaupt das Stahlband: Das ist das Beste, was ich bisher auf dem Markt gesehen habe. Massiv, trotzdem sehr beweglich und anschmiegsam, Spaltmaße, die eigentlich gar nicht vorhanden sind, ein genialer Mechanismus zur Verbindung der einzelnen Glieder ohne Bauteile, die man verlieren könnte und dazu diese Schließe.
    Die 8mm Verstellbereich, die von außen bedient werden können, sind einzigartig und die Konstruktion ist ein Traum, wenn man auf Mechanik steht. (Weshalb waren wir gleich hier?)
    Waren Band und Schließe bereits bei der Sport Evolution richtig gut, wurden beide doch noch einmal verbessert. Mein Sport Evo-Band hat noch geschraubte Pins im Band. Da hat sich bei mir einer im Laufe der Zeit gelöst, was nicht schön ist, falls man es nicht rechtzeitig bemerken sollte. Das kann bei der neuen Lösung mit den drehbaren und arretierenden Knebeln (das sind die geschlitzten „Schraubenköpfe“ im Bandglied im Bild oben) nicht mehr passieren.


    Eine Kleinigkeit sei kritisch angemerkt: Die Schließe ist teilweise so präzise gearbeitet, dass ein paar scharfe Kanten entstehen, die beim Tragen gestört haben, bis ich mich ihrer angenommen habe. Das sollte aber eigentlich die Manufaktur erledigt haben. Schwanenhalsfedern poliert man ja auch, bis sie schwarz werden.


    Apropos Kleinigkeiten: Schaut Euch mal unten die Schrauben an, die den Boden halten. Das sind Torx mit einem Kopfdurchmesser von etwa 1,5mm! Wer so etwas selber herstellt hat entweder nichts Besseres zu tun oder er kann es einfach. Ich tippe im vorliegenden Fall auf letzteres. Ich habe gelesen (fragt mich bitte nicht, wo), dass diese Schrauben bis in die Lünette reichen und Lünette und Boden gleichzeitig gegen das Gehäuse ziehen. Ob deshalb die Torx-Schrauben notwendig waren? Ich weiß es nicht. Bei der Sport Evo reichen jedenfalls fünf einfache Schlitzschrauben für 20bar Dichtigkeit. Vielleicht sollen diese Schrauben aber auch einfach nur so gut aussehen, wie sie es tun.




    Das Werk passt mit seiner Machart perfekt zum Stil der ganzen Uhr. Gerade heraus, robust, so einfach wie möglich und dennoch eindeutig Glashütter Bauart. Man sieht, dass die diversen Hebel ziemlich massiv ausgelegt sind und dass sie keine Stufen haben, also immer nur in einer Ebene verlaufen. Das reduziert natürlich die Kräfte, die in die einzelnen Hebelchen wirken und minimiert Fehlerquellen. Dass diese Bauweise nicht zu einem der schönsten Chronographenwerke auf dem Markt führt, liegt auf der Hand. Aber trotzdem ist es eindeutig, aus welchem Haus es stammt.


    Die Finissierung ist nicht die Beste, die man bei Glashütte Original bekommen kann.
    Der Unruhkloben ist nicht handgraviert, aber das hätte hier wohl auch nicht richtig in den Stil des Werks gepasst. Die Oberflächen und Seiten mancher Platinen sind etwas grob in ihrer Struktur und die Anglierungen – soweit vorhanden – scheinen nicht poliert zu sein. Funktionalität stand hier offenbar klar im Vordergrund.




    Ich bin sicher, dass die Manufaktur hier bewusst einen Schlussstrich gezogen hat, um den Preis so gestalten zu können, wie er ist. Für ein paar tausend Euro mehr hätte es bestimmt auch Perfektion bis in den letzten Winkel gegeben. Nur würde das die potentielle Käuferschicht schon wieder reduziert haben. Ich selbst wäre dann auch ausgestiegen. (Im oben angesprochenen Senator Chronographen in Rotgold oder Platin sieht das ganze aber schon anders aus. Dort würde ich Perfektion erwarten. Ob es andererseits klug wäre, das Werk in den Senatoren in einem höheren Finissierungsgrad zu verbauen? Ich vermute, dass man sich über diese Frage in Glashütte die Köpfe ausgiebig zerbrochen hat.)


    Die Performance des Werks ist tadellos. Selbst bei meinem Bürojob zieht sich des Federhaus im Laufe des Tages langsam auf. Das ist sehr schön an der Gangreserveabzeige abzulesen.
    Die Steuerung des Chronographen fühlt sich ausgesprochen knackig an. Die Druckpunkte sind sehr klar definiert und beinahe hart. Das passt zum sportlichen Charakter der Uhr.
    Die Ganggenauigkeit hält, was das Marketing verspricht. Irgendwo um die 2 Sekunden am Tag sind schon eine Ansage. Der gemessene Abfallfehler meines Exemplars könnte angesichts seiner Justierbarkeit über die Schwanenhalsfeinverstellung kleiner ausfallen. Aber das ist wohl eher eine akademische Übung und ohne Bedeutung für das Ergebnis am Arm.
    Das Gefühl beim Aufziehen kenne ich von Kaliber 39 weicher als beim 37er. Da spürt man schon, dass sehr kleine Zahnräder Teil des Aufzugsstrangs sind und dass man noch einige flache Räder extra für die Gangreserveanzeige mitdreht. Das fühlt sich ein wenig schleifend an. Andererseits ist das Aufzugsgefühl von Kaliber 39 auch wirklich ein Gedicht.


    Es wird Euch schon aufgefallen sein: Ich liebe diese Uhr. Es ist das Paket aus dem gesamtheitlichen, modernen Design, dem sensationellen Zifferblatt, der maschinenbaulichen Qualität von Gehäuse und Band und aus dem ausgesprochen effizient konstruierten und schlüssigen Werk. Es passt alles hervorragend zusammen, so wie es ist. Dazu gehört auch der Verzicht auf das letzte gravierte Schleifchen im Werk und der daraus resultierende Preis von 13.700€, den ich angesichts des Gebotenen für eher günstig halte.


    Also: Anschauen lohnt sich!




    Ein herzliches Servus aus dem Süden,
    Martin

  • hab auf dem letzten Glashütte-Event (Danke nochmals für die Möglichkeit, WL!) auch ein wenig mein Herz an Glshütte verloren.
    War nicht nur ein tolles Event, auch die Uhren sehen live nochmals viel besser als auf Bildern aus.
    Will gar nicht wissen, wie der Chrono erst am Arm wirkt. Sieht auf deinen Pics (Danke dafür und den Bericht!) schon wunderschön aus!!!

  • Wunderschöne GO :verneig:


    Mit dem Datum und 12 Stunden Zähler gebe ich dir recht, schön gelöst und super abzulesen :gut: Einen tollen Bericht hast du da geschrieben :respekt: Weiterhin so viel Freude mit dem Chrono!

  • Die Uhr ist ein Traum. Herzlichen Glückwunsch dazu!


    Ich hatte sie in der Boutique auch mal Arm und finde sie optisch und vor allem auch haptisch absolut herausragend! :verneig:


    Vieles aus anderen Häusern, was man in dem Preisrahmen der GO geboten bekommt, ist dagegen am Arm ne echte Möhre.

  • Ich bin nur zufällig auf diesen Bericht gestoßen; aber umso begeisterter davon. Danke für Deine Beschreibung und geäußerte Meinung zu Deinem Neuerwerb. Das zu lesen, hat mir viel Freude bereitet.

  • Tolle Sache! Uhr und Bericht einfach klasse. Da juckts einen doch gleich, den Wecker selbst einmal probeweise anzulegen.

    Wie... Uhrenvirus?! Was ist falsch daran, sich zur Mondphase in seine Glashütte zurückzuziehen, seine Vulcain-Lampe zu illuminoren, ein Radio mir direkt neben den Sessel zu stellen, ein gutes Bucherer zu lesen und einfach etwas zu rolexen? Andere gehen halt mit den Söhnen von Lange Oystern ernten, mit dem jungen Hans als Explorer auf die Royal Oak oder mit Paul Newman zum Daytona Beach...

  • Schöne Vorstellung :gut: und Gratulation zur Uhr. :blume:

    Gruß, René



    Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.

    Friedrich Nietzsche