Das Ende der Taschenuhr - Teil 3: JLC Frackuhr Kal. 818/2

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Uhrenfreunde,


    als dritten Teil meines Abgesangs auf die Taschenuhr...


    Das Ende der Taschenuhr - Teil 1


    Das Ende der Taschenuhr - Teil 2: Omega De Ville


    ...möchte ich an dieser Stelle die Jaeger-LeCoultre Frackuhr Kal. 818/2 vorstellen.


    Auch hier ein wenig zum Hintergrund: JLC gehört ja nicht unbedingt zu den "lauten" Marken, die man übermäßig im Markt oder in Foren wahrnimmt. Obwohl die Marke mit der Reverso und der Atmos gleich zwei absolute Klassiker der Uhrengeschichte hervorgebracht hat, hat die Marke bei weitem nicht die Breitenwirkung von Rolex oder Omega oder das Prestige von Patek oder Lange. Was nicht ganz fair ist, denn keine andere Marke kann auf eine so vielfältige Geschichte und Anzahl an eigenen Werken zurückblicken wie JLC - und das gilt nicht nur für Brot- und Butterwerke sondern auch für Komplikationen jeglicher Art, z.B. Repetitionen.


    Nicht umsonst gilt die JLC als die "Grande Maison" - oder wie ich es immer gerne veranschauliche: Patek, VC oder AP haben Werke von JLC verbaut. JLC aber nie Werke von Patek, VC oder AP...


    JLC war gerade in der Nachkriegszeit, als die arbeitsteilige Struktur in der Uhrenindustrie noch intakt war, insbesondere als Werkelieferant aktiv - praktisch die Luxus-Variante der modernen ETA. Viele Klassiker der großen Marken gehen dabei auf JLC-Kaliber zurück, das bekannteste Beispiel sind sicherlich die Ur-Versionen der AP Royal Oak und der PP Nautilus, deren Kaliber auf dem JLC Kal. 920 basierten.


    Ebenso wie später mit AP, gab es seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts eine gesellschaftliche Verknüpfung mit VC - deren Gründerfamilie hatte in der Not der Kriegszeit 1940 die Mehrheit an die JLC-Eigner verkauft. In der Folge stellte VC die Rohwerke-Produktion praktisch ein - was unter anderem zur Folge hatte, dass der verantwortliche Entwicklungsdirektor kündigte und in Schaffhausen einen neuen Job fand: Albert Pellaton, der u.a. für IWC das Kal. 89 (bekannt aus dem ersten Teil dieser Serie) und das erste Automatik-Werk Kal. 85 entwickelte - Werke die z.B. in der Mark 11 oder den Ingenieur-Uhren weltberühmt wurden. Die Uhrenbranche ist halt eine kleine Welt...


    Die Brot- und Butter-Kaliber von Vacheron in der Nachkriegszeit waren das Kal. 1001 (kleine Sekunde) und Kal. 1002 (Zentralsekunde). Ich hatte vor Urzeiten hier mal ein Beispiel für ein Kal. 1002 vorgestellt, leider mit sehr miesen Fotos:




    Die Basis für diese Kaliber kamen von JLC, nämlich das Kal. 818 (kleine Sekunde) und das Kal. 819 (Zentralsekunde). VC hat dabei das Brückenlayout etwas attraktiver gemacht (zwei Finger statt einem "Knubbel") und bei der Finissage natürlich etwas mehr Aufwand betrieben. Das Räderwerk etc. ist aber identisch.


    Im Zuge der Quarzkrise ging es ans Eingemachte und bei VC besann man sich auf Kostenreduktion: Bei der Nachfolgegeneration der Kal. 1001/2 wurde auf diese Anpassungen verzichtet und stattdessen 1:1 das JLC Kaliber 818/2 übernommen - geändert wurde nur die Kaliberbezeichnung (in VC 1014), das kommt einem ja heute noch bekannt vor ;)


    Aus der gleichen Zeit stammt nun diese JLC-Taschenuhr, die im September 1976 in Innsbruck verkauft wurde. An den extrem schlanken Maßen (ca. 40 mm im Durchmesser, weniger als 5 mm in der Höhe) erkennt man ihre Funktion als sog. "Frackuhr": Zur formellen Abendgarderobe trägt der Mann eigentlich keine Armbanduhr, sondern eine elegante, flache Taschenuhr mit Kette - wenn Old School, dann richtig :lupe:


    Da JLC zu dieser Zeit kein passendes TU-Kaliber mehr im Programm hatte, behalf man sich einfach mit dem Armbanduhr-Kaliber 818/2, dass aufgrund seiner Höhe von unter 3 mm dafür durchaus passte - allerdings wiederum komplett verloren wirkt im Gehäuse angesichts des Werk-Durchmessers von 20,9 mm.


    Obwohl das technisch also nur einen Kompromiss darstellt, finde ich die Uhr ganz gelungen - klassisch elegant, kein Schnickschnack. Insbesondere der sehr schöne Strahlenschliff des Zifferblatts überzeugt. Das Gehäuse ist 18k Gold, allerdings so dünn, dass die Uhr ein Monocoque-Gehäuse hat. Man muss deshalb das Werk von der ZB-Seite aus entnehmen, es gibt keinen Rückdeckel.


    Aber nun genug Text - Bilder :G :











    Die letzten Bilder habe ich ohne das Glas gemacht, damit die Strahlkraft des Zifferblatts besser zur Geltung kommt - schlicht, aber ergreifend :lupe:


    Die Bilder vom Werk folgen gleich.


    Gruß,
    Christian

    • Offizieller Beitrag

    ... und jetzt die versprochenen Bilder vom Werk:


    Es braucht schon einen ziemlich breiten Werkhaltering, um das 818/2 in dieses Gehäuse zu kriegen :lupe:



    Das Werk ist jetzt optisch und von der Finissage her keine komplette Offenbarung, aber ein ehrliches Einstiegskaliber seiner Zeit (Einstieg im Bereich "gute Uhr" wohlgemerkt). Die doppelte Stoßsicherung sorgt zudem für eine alltagstaugliche Robustheit:






    Weitere Informationen zum Werk findet man hier:


    http://www.ranfft.de/cgi-bin/b…&a183&2uswk&LeCoultre_818


    Viel kam dann bei JLC im Bereich Taschenuhren nicht mehr - nur noch ganz vereinzelte Exemplare in den 1980er Jahren (und eventuell minimal später). Viele dieser TUs hatte dann übrigens IWC-Werke (Kal. 982) - so wurde selbst JLC nach der Quarzkrise noch zum "Einschaler" ;)


    Gruß,
    Christian

    • Offizieller Beitrag

    ... noch ein kleines Detail, weil ich danach gefragt wurde - die Kerben am Rand (8 Uhr bis 9 Uhr) sind keine grobmotorischen Öffnungsspuren, sondern haben eine Bedeutung:



    Größer :lupe: :



    Eingeritzt ist "599" - es war früher durchaus üblich, Gehäusebestandteile so zu markieren, um Verwechslungen bei der Assemblage zu vermeiden. Manchmal wurde in ein Gehäuse die Werknummer eingekerbt, um die im Stammbuch eingetragene Gehäuse-Werk-Kombination sicherzustellen (der Uhrmacher hatte ja meist ein paar baugleiche Uhren nebeneinander auf dem Tisch). In diesem Fall bezieht sich die Kerbe auf die Gehäusenummer, die auf "599" endet. Durch das Monocoque-Gehäuse ist die Gehäusenummer ja nicht sichtbar von oben - und so kann man mit einem schnellen Blick von oben die richtige Zuordnung prüfen, ohne dass man das Werk wieder herausholen muss. Die gleiche Markierung findet sich zudem an der Goldfassung des Glases - denn auch das muss ja am Ende wieder den Weg zum richtigen Gehäuse finden.


    Die Referenznummer der Uhr ist übrigens 9019, hatte ich oben noch vergessen.


    Gruß,
    Christian