Das Ende einer Ära - der Traum eines Sammlers...

    • Offizieller Beitrag

    Liebe IWC-Freunde,


    mit einiger Verzögerung folgt jetzt endlich die Vorstellung eines ganz besonderen Neuzugangs, der mich Ende letzten Jahres doch ein wenig Nerven gekostet hat:


    Wenn man nun schon eine Weile in der Uhrenwelt unterwegs ist, wird es zunehmend schwerer, noch wirklich lohnende Ziele zu finden. Das hat verschiedene Gründe: Alle wirklich nahe liegenden und preislich erreichbaren Sachen hat man schon (oder hatte sie zumindest mal ;) ), die meisten noch vorhandenen Träume sind dagegen nicht finanzierbar oder würden zumindest so umfangreiche Umstrukturierungen in der Sammlung erfordern, dass man sich am Ende doch nicht aufraffen kann. Zudem erfinden die Neuheiten in aller Regel das Rad nicht neu, ziehen bei der Preisgestaltung aber trotzdem zuverlässig immer weiter die Schraube an.


    Ein echtes Zucken des "Muss ich haben!"-Muskels wird entsprechend selten, man hat einfach (fast) alles schon mal gesehen. Aber: Auch hier gibt es Ausnahmen, die selbst den mittelalten Hasen noch nervös werden lassen.


    Wenn man sich heute die Kollektionen vieler Marken anschaut, dann wird mit immer stärkerem Wortgeklingel die einmalige Historie bestimmter Modelle oder Linien betont - die entweder alle direkt auf Breguet senior persönlich zurück gehen oder sich jahrzehntelang im extremen Einsatz als "Toolwatch" bewährt haben. Nun kann man da viel erzählen und der Bezug zur Realität lässt sich oft nur mit der Brechstange herstellen - was manchmal durchaus gewollt erscheint, denn reale "Einsatzuhren" haben ja durchaus Konfliktpotenzial, zumindest was den militärischen Bereich angeht. Und dabei ist es egal, ob moderne "Navy Seals"-Uhren plötzlich einen ganz anderen Beigeschmack kriegen oder ob man im Vintage-Bereich eine erstaunliche Distanzlosigkeit zu faschistischen Regimen in Kauf nimmt.


    Einen Vorteil haben solche Uhren jedoch: Egal ob eine Heuer 1550 SG, eine Blancpain FF oder eine IWC Ocean BUND - diese Uhren sind "echt" und in ihrer Funktionalität absolut authentisch, was man in der heutigen PR-Welt kaum noch findet. Eine solche Geschichte kann man sich nicht kaufen - und sie trägt manchmal viele Jahrzehnte ganze Kollektionen (wie z.B. die Speedmaster bei Omega).


    Auch IWC hat in seiner Geschichte eine ganze Reihe solcher "echten" Uhren zu bieten, insbesondere in den Bereichen Marine und Luftstreitkräfte. Wählerisch war man dabei nicht und so kamen IWC-Uhren auch in den dunkelsten Zeiten an Bord deutscher U-Boote (ca. 2500 Stück) und Bomber (rund 1000 B-Uhren, die als Urmuster der "Grossen Fliegeruhr" dienen) zum Einsatz. Aus bekannten Gründen gingen die meisten dieser Uhren im Einsatz mit ihren Nutzern verloren. Die überlebenden Stücke sind noch heute gesucht bei Militäruhren-Sammlern.


    Aber auch nach dem zweiten Weltkrieg gab es eine ganze Reihe offizieller Dienstuhren von IWC - die bekanntesten dürften die Mark 11 und die Ocean BUND sein, die gerade in speziellen Version (z.B. die Ocean BUND AMAG) extrem selten und entsprechend teuer sind.


    Wie bei vielen anderen "alten" Marken (z.B. Ulysse Nardin, Vacheron Constantin, selbst Patek), haben auch bei IWC die sogenannten "Deck Watches" oder Beobachtungsuhren die längste Geschichte und die größte Verbreitung. Diese Uhren waren für die exakte Navigation auf Schiffen lange unabdingbar und wurden nur langsam durch die modernen Navigationsinstrumente ersetzt.


    Was nur wenige wissen: Auch in den Zeiten von Atomuhren, Radar und GPS haben Marineschiffe immer die sogenannte "eiserne Zeitreserve" mitgeführt - eine mechanische Borduhr, die jeden Tag aufgezogen wurde und für den absoluten Notfall des totalen Systemversagens als letztes Backup diente. Und zwar bis heute - so viel Tradition hat sich die Marine erhalten können.


    Gerade in den Anfangsjahren der Bundesmarine nutzte man zu diesem Zweck schlicht die Restbestände aus Kriegszeiten - wobei natürlich die Insignien untergegangener Regime getilgt wurden. Ganz ausgekommen ist man mit diesen Uhren jedoch nicht, so dass auch die Bundesmarine nach dem Krieg zwei Mal bei IWC als Kunde für Taschenuhren vorstellig wurde: 1966 orderte man insgesamt 125 Taschenuhren der Referenz 135 mit dem Kal. 67, später gab es eine zweite Serie auf Basis der Ref. 5301 (Cal. 972), von denen bis 1987 insgesamt 54 Stück ausgeliefert wurden. Diese Uhren sind also extrem selten - und noch seltener auf dem freien Markt erhältlich, da sie oft als Erinnerungsstücke an verdiente Kommandanten gingen (insbesondere, wenn das Schiff außer Dienst gestellt wurde).


    Nur ganz wenige dieser Uhren gelangen legal auf den freien Markt - nämlich dann, wenn sie über die Verwertungsgesellschaft des Bundes Vebeg in Frankfurt versteigert werden. Und das ist dann eine Sache für ganz wenige Insider, denn die Termine solcher Versteigerungen hat praktisch niemand im Blick. Es sei denn, er kriegt einen Tipp ;) ...


    Rechtzeitig vor Weihnachten fand wieder eine solche Vebeg-Auktion statt - diesmal eine ganz besondere: Denn es kamen rund zwei Dutzend mechanische Uhren zur Versteigerung - unter anderem die wohl letzten IWC-Uhren, die sich noch in den offiziellen Bundeswehrbeständen befanden. Darunter waren 6 Ocean Bund, 5 TUs 135-17 (Cal. 972), 5 TUs Cal. 6718/22 und ganze 3 TUs 135-19 (Cal. 67). Und so saßen an einem trüben Dezember-Tag eine Handvoll eingeweihter IWC-Sammler vorm Rechner und fieberten den Auktionen entgegen - um am Ende mit reicher Beute abzuziehen. Dankenswerter Weise haben die alten Hasen dabei auch an den Nachwuchs gedacht (danke dafür :wink: ), so dass auch ich noch etwas abbekommen konnte :jump:


    Allerdings ist das gar nicht so einfach, wie es klingt: Die Vebeg verdient eigentlich ihr Geld mit ausgemusterten Lastwagen, PKWs und anderem Großgerät und hat entsprechend fast ausschließlich mit Händlern zu tun. Die AGBs sind deshalb unerbittlich: Rechnung abwarten, überweisen, dann kommt der Abholschein und dann muss die Ware in Frankfurt abgeholt werden - nichts mit Versand oder anderem unnützen Komfort. Glücklicherweise gelang es, einen Sammeltransport in den Norden zu organisieren - ein befreundeter Uhrmacher fuhr nach Frankfurt und holte dort "en gros" die Uhren ab.


    Die Original-Verpackung der Vebeg kann man sich dabei nicht ausdenken:



    Weltklasse - da können die gesammelten "coolen" Markenartisten und Vertriebsgenies noch was lernen :G ...


    Pünktlich zu Weihnachten war es dann soweit: Ich hielt meine erste echte IWC-Beobachtungsuhr in den Händen - eine IWC Ref. 135-19 mit dem Kal. 67, komplett mit Kasten :jump: .


    Zeugnis einer zu Ende gehenden Ära - das letzte Kapitel in der jahrhundertelangen Geschichte der mechanischen Beobachtungsuhren wird geschlossen. Was bleibt - sind Bilder :G :









    Echte "Tool Watches" haben Gold-Chatons - glaubt einem heute auch keiner mehr ;) .


    Gruß,
    Christian

  • Tolle Geschichte zu einer tollen Uhr - dargereicht als perfekte Sonntag-Morgen-Lektüre! :gut:


    Die Vebeg ist in der Tat ein sehr eigenwilliger Laden - ich hab das vor Jahren beim Versuch erlebt, denen einen ganz bestimmten Magirus Deutz Mercur aus THW Beständen abspänstig zu machen... allein die Vorstellung, wie dort wohl solche Uhren versteigert werden, sorgt schon für Lachkrämpfe :lol:

    Bis bald wieder
    Jochen


    Wenn die Zeit kommt, in der man könnte, ist die vorüber, in der man kann.

  • Danke für den Bericht zu der C.67 BUND, Christian.


    Ich habe zufällig noch einige Fotos von einem C.67 auf dem Server.


    Auch einen optischen Vergleich des C.67 mit einem flachen C.952


    Zeigt auch die Glycodur (C.952) - und Bimetall (C.67) - Varianten der Unruh.


    Ein sehr robustes Kaliber, das AUCH optisch einiges zu bieten hat.


    Grüße


    C.95



    • Offizieller Beitrag

    ... danke für die warmen Worte :wink:


    Hier nochmal ein paar Detailaufnahmen, an denen man die Besonderheiten dieser Uhr erkennt:


    Der Kasten, in dem die Uhr aufbewahrt wurde hat schon etwas gelitten - kein Wunder, wenn der Glaseinsatz fast 50 Jahre lang täglich herausgezogen wurde:



    Ordnung muss sein - deshalb hat auch der Holzkasten seine eigene Versorgungsnummer:



    Auch die Uhr hat auf der Rückseite die Versorgungsnummer des Bundes eingraviert:




    Die Nummer 6645-12-144-3142 erlaubt schon von außen die eindeutige Zuordnung - die späteren Modelle mit dem Cal. 972 haben eine andere Endung (-151-5866 bzw. -5867), die umgebauten Taschenuhren aus der Kriegszeit (bei denen u.a. der gravierte Rückdeckel getauscht wurde) haben noch Nummern die mit dem Ländercode (12 für Deutschland) anfangen - die "66" und "45" ordnen die Uhr der passenden Kategorie zu, die hinteren Zahlengruppen identifizieren dann das spezifische Teil.


    Der Aufkleber darunter stammt vom Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) - was die Nummer bedeutet, konnte ich nicht mit Sicherheit klären (vielleicht haben wir hier Experten im Forum :grb: ). Eventuell ist es ein Verweis auf eine Abteilung oder Dienststelle.


    Zumindest eine der TUs aus der Auktion konnten wir einem spezifischen Schiff zuordnen und zwar aus der Klasse 333 / 352, also Minenjagd- bzw. suchboote, die gerade außer Dienst gestellt werden. Eventuell stammt ein Teil der Uhren auch von Fregatten der "Bremen"-Klasse, die ebenfalls zur Zeit ausgemustert werden.


    Diese Taschenuhren wurden von IWC mit einem Toleranzbereich von max. 3s/Tag ausgeliefert und regelmäßig von Bundeswehr-Uhrmachern gewartet. Nach meiner Kenntnis geht diese Tradition auch zu Ende, aktuell ist wohl nur noch ein einziger Uhrmacher beim Bund beschäftigt. Der Arbeitsnachweis wird dabei sehr deutlich gemacht :lupe: :



    Ganggenau ist die Uhr auch nach Jahren noch, auch ohne dass großartig am Rücker gedreht werden musste:



    Ohne Rückdeckel sind diese Uhren übrigens nur von absoluten Experten (die die entsprechenden Nummernkreise kennen) von "normalen" Taschenuhren zu unterscheiden, entsprechend wichtig ist die komplette Dokumentation:



    Eigentlich schade, dass so eine bewährte Tradition jetzt relativ schnöde endet. Man kann natürlich argumentieren, dass man Steuergelder sinnvoller einsetzen kann, als für eigentlich redundante IWC-Taschenuhren. Wenn man aber die Kosten der jeweiligen Systeme im Hinterkopf hat (z.B. bei aktuellen U-Booten ca. 500 Millionen Euro aufwärts), dann fällt das wohl absolut nicht ins Gewicht. Zumal: Diese Taschenuhren funktionieren - auch nach 50 Jahren im Einsatz. Manche aktuellen Systeme schaffen ja keine 50 Minuten... :rolleyes:


    Gruß,
    Christian

  • Christian,


    herzlichen Glückwunsch zu diesem tollen Stück IWC-Bundeswehr-Zeitgeschichte.


    Hier ist übrigens das komplett vergoldete Uhrwerk einer 5301 Toolwatch mit 972er Kaliber:



    Herzliche Grüße,


    Marcus

    Herzliche Grüße,


    Marcus


    * Ich kann nicht beeinflussen was andere über mich denken, aber ich kann entscheiden, ob es mich interessiert. *

  • Christian,


    Du hast mich mal wieder tief beeindruckt mit Deiner akribischen Darstellung des Themas. :gut:
    Deine Themen der letzten Monate haben eines auf jeden Fall bewirkt:
    ich wende mich - nach Jahren wieder - dem Thema Taschenuhren zu und stelle fest
    (gerne benutze ich dafür ein geflügeltes Wort :) ), dass ich weiß, dass ich (dazu) nichts weiß.
    Das wiederum animiert mich, dieses Thema zu studieren, was ein langer Weg sein dürfte.
    Trotzdem ein schönes Ziel, wie ich finde.


    Noch einmal vielen Dank! :gut: :wink: