Für einen echten Uhren-Aficionado gehört es heute zum guten Ton, sich in den Metropolen dieser Welt auf eine Wartelisten setzen zu lassen, um wenigstens eine der so raren limitierten Uhren seiner Lieblingsmarke zu erhaschen. Und welch unbezahlbares Vergnügen und lehrreiche Erfahrung ist es, wenn einem die Geschäftsleitung bedauernd mitteilen lässt, dass man leider nicht für würdig genug befunden wurde. Schade, aber nächstes Mal vielleicht ... Das sind Momente, die unser Hobby so besonders machen.
OK: Für viele sind Rolex, Panerai, Patek, Audemars Piguet, Hublot, Herr Lange und seine Söhne oder die Glashütter Originalen Musikanten der Mittelpunkt der Welt. Tolle Uhren, klar. Exzellentes Marketing, keine Frage. Begehrenswert, ohne Zweifel. Aber will ich immer ein von pfiffigen Strategen erdachtes Image mit mir am Handgelenk tragen? Nicht unbedingt. Muss es immer höher, komplizierter, seltener sein? Auf gar keinen Fall! Und kennen wir nicht alle die bedauernswerten Hochfrequenz-Kauf-und-Verkauf-Uhrenliebhaber, die kaum die Zeit finden, sich an ihrem Neuerwerb zu erfreuen, weil der Jagdinstinkt bereits das nächste Ziel gewittert hat – besser, seltener, komplizierter, goldener .... und die eben erworbene Uhr schon wieder gehen muss. Man möge mich nicht falsch verstehen, aber was kommt danach?
Glücklicherweise gibt es ja aber auch noch Uhren, die so überhaupt nicht zum besitzstandsanzeigenden Aushängeschild der horologischen Leidensfähigkeit taugen, die auch keine Laudatio auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ihres Trägers halten oder gar so selten sind, dass ihr Besitzer von der UNESCO als Weltkulturerbe eingestuft wird. Uhren, die man nicht erjagt, sondern die einen finden oder die man zufällig findet. Uhren mit denen alles anfängt, oder die einem den Spaß an der Uhr zurückbringen. Uhren, die man einfach tragen kann, ohne gleich massive Wertverluste zu verursachen.
Anmerkung des Autors: Ja, ich weiß, das Lesen längerer Texte ist für viele eine echte Herausforderung. SMS, WhatsApp, Ampellisten und Konsorten fordern ihren Tribut. Doch ich glaube an sie, verehrte Leserinnen und Leser, denn wer Mikrokratzer auf Bildern zu interpretieren weiß, Serviceblätter auf den ersten Blick zu erkennen vermag und Typografievarianten auf Datumsscheiben sicher im zeitgeschichtlichen Kontext einordnen kann, der schafft dass schon. Und wenn sie sich jetzt noch vorstellen, dass ich diese Zeilen mit einem breiten Grinsen und einer milden Ironie verfasse, sollte eigentlich nichts mehr schiefgehen. Denn ich möchte – da bin ich sehr egoistisch – beim Schreiben Spaß haben. Und ich erfreue mich am Gedanken, dass es vielleicht den einen oder die andere gibt, denen ein paar handgedengelte Sätze Vergnügen und Kurzweil bereiten und mir darum vergeben, dass ich so schamlos opulent vor mich hin fabuliere.