Welche IWC Taschenuhr habt ihr in der Sammlung?

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    Auch wenn die Gefahr besteht, dass ich hier ein wenig Selbstgespräche führe ;) - in jedes guten IWC-Forum gehört auch ein Taschenuhr-Faden:


    Egal, ob ganz alt oder eher modern, Stahl, Silber, Gold, selbst gekauft oder vom Großvater geerbt: Einfach Bilder posten und (so vorhanden) vielleicht auch ein paar Informationen zum Hintergrund.


    Ich fange mal an - und wie es sich gehört, ganz am Anfang ;) :


    Eine ganz schlichte IWC Lépine Kal. 65, in einem Silbergehäuse, verkauft im Jahr 1925 an meinen Urgroßvater und seitdem im Familienbesitz:





    Mit dieser TU begann schon zu Kindeszeiten mein Interesse für Uhren, später habe ich ihr dann mal eine große Revision gegönnt. Die Kosten dafür lagen zwar vermutlich über dem Marktpreis der ganzen Uhr, aber der ideelle Wert hat es gerechtfertigt. Zudem läuft sie jetzt an guten Tagen in der Chronometernorm - das ist ja auch nicht zu verachten, für ein fast 100 Jahre altes Werk :gut:


    Ausführlicher vorgestellt habe ich die Uhr an dieser Stelle:


    Wie alles begann: IWC Cal. 65 Taschenuhr


    Ich bin gespannt, was noch woanders so in Schubladen, Regalen und auf Dachböden schlummert :lupe: ;)


    Gruß,
    Christian

  • :lupe: Tolles Foto! :gut: :blume:


    @ Christian


    Oh ja, sehr, sehr schön, dass etwas zu Taschenuhren kommt.
    Ich bin drauf u. dran, der vor Jahren gefrönten Leidenschaft
    wieder zu verfallen. Ich fand es herrlich, jeden Abend so gegen
    19.30 alle 8 Uhren aufzuziehen. Und wenn die dann gemeinsam
    tickten, war es ein Ohrenschmaus für mich. Ich weiß, manche
    werden sagen, das ist pervers. :G Egal. Mit gefiel es. Zwar waren
    es keine besonderen Taschenuhren, was ja auch immer im Auge
    des Betrachters liegt. Mal sehen, hier werde ich jedenfalls gern rein
    schauen, auch, wenn ich (noch?) nichts beisteuern kann.


    Edit:
    Ich habe mal Deinen Querverweis gelesen: :gut: :blume:

    • Offizieller Beitrag

    ... Klasse-Foto, Heiko :gut: - und von wegen trocken ;)


    Damit haben wir die Rubrik: IWC / Taschenuhr / Wasserdicht auch schon abgedeckt, mehr als die Ref. 5215 gibt es in diesem Segment nicht. Und weil man sich ja heute über Limited Editions von 1000 oder 2000 Stück freut: Die Gesamtstückzahl dieser Referenz liegt im ganz niedrigen dreistelligen Bereich - von der Variante mit dem schwarzen Blatt (im Bild links) gibt es nur wenige Dutzend bekannte Exemplare.


    Hier nochmal die Seite aus dem damaligen Händler-Workbook:



    (c) IWC / http://www.iwcforum.com/Articles/PocketWatches/text.html


    Und einen Weicheisenkäfig hat die Taschenuhr als echte Ingenieur natürlich auch :lupe: . Weitere Informationen zur Ingenieur-Taschenuhr finden sich z.B. hier:


    http://www.moeb.ch/Ingenieur/06d_SLPocket.html


    Gruß,
    Christian

    • Offizieller Beitrag

    ... weiter geht's mit der Taschenuhr-Zwangs-Berieselung ;) :


    Uhrenbörsen haben ja einen durchaus durchwachsenen Ruf unter Sammlern - nicht ganz zu unrecht angesichts der zum Teil mäßig seriösen Angebote. Gerade im Vintage-Bereich lässt sich dort manche Bastelarbeit bewundern und selbst Kernschrott wird noch als potenzielle Wertanlage gepriesen. Aber: Ab und an kann man doch noch einen wirklichen Treffer landen, der vieles vom Elend drumherum vergessen lässt.


    Ein solcher Fall ist diese Taschenuhr, die vermutlich die seltenste in meiner Sammlung ist - zumindest ist mir bisher kein anderes Exemplar untergekommen und auch die wahren Kenner aus der Szene hatten diese Uhr noch nie gesehen:



    Das Gehäuse und Zifferblatt kommt jedem IWC-Fan schnell vertraut vor - Name und Logo dagegen scheinen gar nicht zu passen:



    Die Lösung des Rätsels findet sich auf der Rückseite:



    Diese TU ist eine sogenannte "Schuluhr", wie sie angehende Uhrmacher als Abschlussarbeit ihrer Ausbildung anfertigen. Um die Berufsausbildung zu unterstützen, stellen die großen Hersteller hierfür Rohwerke zur Verfügung - meist Taschenuhrwerke, da sich diese besonders gut für diese Zwecke eignen. Jeder Prüfling ist dann für die Finissage und Assemblage des Werkes selbst verantwortlich. Entsprechend ist das ein Manufakturwerk im Wortsinne:




    Die bekannten IWC Schuluhren stammen fast alle von den großen Uhrmacherschulen wie Solothurn und verwenden ausschließlich schlichtere Werke (meist Cal. 67).


    Battenberg ist dagegen ein Sonderfall: Dies ist ein Berufsbildungswerk für Behinderte (z.B. Gehörlose), das noch heute im Uhrenbereich Abschlüsse anbietet. Bei der Einführung dieses Ausbildungsganges hatte man allerdings nicht so ein gutes Händchen - die ersten Absolventen wurden praktisch mit dem Beginn der Quarz-Krise fertig...


    Aus dieser Zeit stammt auch diese Uhr. Wer sie damals gefertigt hat, ließ sich aufgrund von Datenschutzrichtlinien leider nicht ermitteln. Aber zumindest ist die Uhr heute wieder in guten Händen gelandet ;) .


    Die ganze Geschichte zur Uhr mit weiteren Bildern findet ihr hier:
    Ein unerwarteter Zufallsfund - IWC Schuluhr Kaliber 97


    Gruß,
    Christian

    • Offizieller Beitrag

    ... mal wieder ein Meilenstein, Heiko :gut:


    IWC war mehr als 100 Jahre eine Marke für Zwei- oder Dreizeigeruhren, egal ob bei Taschen- oder Armbanduhren. Schon das Datum (bei elektronischen Uhren sogar Tag-Datum) war ein Riesenschritt. Das änderte sich erst Mitte der 1970er Jahre im Zuge der Quarzkrise. Warum? Ganz einfach: Es gab nichts mehr zu tun - und so fing ein Uhrmacher names Kurt Klaus aus Langeweile an, ein Kalendermodul zu entwickeln. Zunächt nur ganz simpel, ein Vollkalender mit Mondphase. Dieser wurde 1976 auf der Messe in Basel als Taschenuhr vorgestellt und kam so gut an, dass er in die Serienfertigung ging:


    Die ganze Geschichte findet sich hier:
    http://www.thepurists.com/watch/features/interviews/klauskapr03/


    Wobei Serie da relativ ist - diese Uhren waren so unfassbar teuer, dass die Stückzahlen sehr überschaubar waren. Von der originalen Ref. 5450 (Savonnette in einm 200g (!!!) Goldgehäuse) gab es eine limitierte Auflage von 250 Stück - die zum Ende hin (1984) satte 61.000 DM kostete, die skelettierte Version als Lepine (Ref. 5501) kostete sogar 79.000 DM :eek: :eek: . Für das Geld hätte man damals ganze Abi-Jahrgänge mit einer Rolex Submariner ausstatten können...


    Die Ref. 5503 wurde deshalb als "Sparversion" nachgeschoben, kostete dennoch 1984 bereits 13.900 DM - soviel wie damals 5-10 Rolex Daytona Paul Newman... - und selbst dieser Preis wurde bis zur Auslistung 1998 auf 25.000 DM fast verdoppelt.


    Hier noch der Auszug aus dem Händler Workbook:



    (c) IWC / http://www.iwcforum.com/Articles/PocketWatches/5503.jpg


    Heute hat sich das Bild deutlich gedreht - selbst komplizierte Taschenuhren sind meist dramatisch günstiger als vergleichbare Armbanduhr-Modelle. Aber in der DNA jedes Ewigen Kalenders von IWC finden sich noch heute diese frühen Kalender-Konstruktionen aus den 1970er Jahren wieder - insofern historisch wirklich relevante Uhren. Trotzdem als Spekulationsobjekt denkbar ungeeignet, wobei die Preise heute relativ stabil sind (allerdings auf niedrigem Niveau).


    Gruß,
    Christian

    • Offizieller Beitrag

    ... das Blatt sieht wirklich topp aus :gut: - Und wenn das Werk noch so sauber und unvermackt ist, dann kann man mit den eher minimalistischen Zierschliffen auf den Brücken leben - so kommt das Räderwerk auch mehr zur Geltung.


    Ich setze einmal fort mit einer weiteren Taschenuhr mit Glasboden - die IWC Ref. 5305:







    Diese Referenz ist insofern ungewöhnlich, als sie einen Sprungdeckel hat - was bei offenen Taschenuhren (Lépine) nicht üblich ist. Der zugehörige Drücker findet sich in der Krone :lupe: :



    Der Sprungdeckel gibt den Blick frei auf das Werk: Wie man hier sieht, handelt es sich um die letzte Ausbaustufe der klassischen Kal. 9x-Brückenwerke, das Kaliber 9720 mit 19 Steinen, reguliert in 5 Lagen - das Kal. 97 erkennt man an der Schwanenhals-Feinregulierung, die Incabloc-Stoßsicherung macht daraus ein Kaliber 972 und die Vergoldung erklärt dann die angehängte 0.



    Die Ref. 5305 wurde 1977 lanciert, als die IWC den absoluten Tiefpunkt erreicht hatte und eine Überlegung die Neuausrichtung als reiner Taschenuhr-Hersteller war, und blieb bis 1984 im Programm. Zum Schluss kostete diese TU mit 3.650 DM ungefähr so viel wie eine Ocean 2000 - entsprechend überschaubar waren die Stückzahlen.


    Dieses Exemplar wurde am 17.06.1986 verkauft - und zwar auf Helgoland :meistertaucher: , das war doch mal eine erfolgreiche Butterfahrt :G


    Die ausführliche Vorstellung der Uhr findet sich hier:
    Meine erste IWC aus den 80er Jahren...


    Gruß,
    Christian

  • Die Ref. 5305 hat eine Besonderheit, das ZB ist mit einer Emaille-Imitation beschichtet.


    Vermutlich die einzige IWC (TU) mit so einem ZB ?!


    Welches Material das ist, konnte ich bisher noch nicht bestimmen.


    Könnte simpler Kunststoff sein, ist aber bisher nicht bestätigt.


    Im Sommer könnte das auch mit einer Lupe, die als Brennglas verwendet wird, getestet werden. Wenn im Brennpunkt Material verdampft, würde das auf Kunststoff hindeuten :)


    Eine gute Gelegenheit, auch hier mal die Frage zu stellen: Welches Material wird für Emaille-Imitationen verwendet ?


    Grüße


    C.95

    • Offizieller Beitrag

    ... dieser Faden braucht dringend mal wieder etwas Schwung - und was würde da besser passen, als angesichts des miesen Wetters wenigstens auf dem Zifferblatt ein wenig goldene Sonnentrahlen zu verbreiten ;) :


    Das gelingt problemlos mit der IWC Ref. 5205, die unter den IWC-Taschenuhren der Moderne besonders hervorsticht. Ähnlich wie das Vorgängermodell Ref. 244/5202 aus den 60er Jahren, hat diese Uhr ein vergoldetes Zifferblatt, das zudem mit einem ziemlich genialen Sonnenschliff versehen ist:





    Das Werk zeigt sich dagegen noch klassisch vernickelt - ein Kal. 952 aus der vorletzten Baureihe von 1972, dieses Werk dient u.a. auch als Basis für die Minutenrepetitonen der ersten Generation (Ref. 5240):






    Das Datenblatt der Uhr (leider nur schwarz-weiß):



    Die ausführliche Vorstellung dieser Taschenuhr findet sich hier:


    Goldene Herbststrahlen - IWC Taschenuhr Ref. 5205


    Gruß,
    Christian

    • Offizieller Beitrag

    ... eine Uhr 110 Jahre in der Familie zu haben, ist schon eine beeindruckende Sache :gut:


    Hattest Du bei der Uhr den nachträglich aufgebrachten 24h-Innenkreis wieder entfernen lassen oder musste das Blatt getauscht werden :lupe:

    Zitat

    Man sieht auch bei dieser TU wieder in den Details wieder die alte Handwerkskunst, z.B. am gravierten Unruhkloben:

    Zitat

    Die TU wird hoffentlich noch die eine oder andere Familiengeneration erleben :gut:


    Gruß,
    Christian

  • Hi,


    die Uhr wurde viel benutzt, wie man am dünn gescheuerten Bügel sehen kann. Den Papierdruck habe ich von meinem Uhrmacher wieder entfernen lassen. Das war irgendwann mal Mode und wurde dann nachträglich aufgebracht. Manchmal geht der super ab wie bei meiner IWC, habe allerdings auch eine Omega, bei der ich den Papierdruck ebenfalls habe entfernen lassen. Bei dieser sind die farbigen Ziffern jedoch leider noch ein bisschen auf dem Blatt erahnbar.


    Grüße

    • Offizieller Beitrag

    ... ja, das ist einer der Vorteile der alten emaillierten Blätter, dass man solche "Aufkleber" oft noch unfallfrei wieder abbekommt. Und wenn doch etwas zurückbleibt, gehört das halt zur Geschichte der Uhr. Bei meiner "Familien-TU" (s. erster Post) hat das ZB unten einen Sprung - die Tat eines grobmotorischen Uhrmachers aus Reit im Winkl, der damals einen im Urlaub abgefallenen Sekundenzeiger wieder aufsetzen sollte. Der folgende Wutanfall meines Großvaters hat sich in der Familie über drei Generationen überliefert - auch früher war halt nicht alles Gold beim Service ;) ...


    Gruß,
    Christian

    • Offizieller Beitrag

    ... weiter geht es - diesmal ein klassischer "Abstauber", wie man als Fussballer sagen würde ;) : Die vorgestellte Taschenuhr ist zwar meine, die Geschichte dazu hat aber der Vorbesitzer recherchiert und dokumentiert (übrigens auch ein Lounger - da kann man ja mal raten, wer von den 3 Taschenuhren-Freunden das war :G ...).


    Vintage-Uhren sind ja leider keine ganz einfache Materie, da über die Jahre nicht jede Uhr im Originalzustand belassen wird, sondern gar nicht selten Veränderungen vorgenommen werden. Mal wird eine Krone getauscht, mal ein Zifferblatt oder ein Zeigerspiel, ein Band kommt weg oder eine Lünette neu. Selbst bei "echten" Uhren wird es so ziemlich schwierig, die Authentizität zu prüfen. Dazu gibt es dann noch alle Spielarten unterhalb der Kategorie "echt" - das reicht von Marriages (bei denen das Werk zwar echt ist, der Rest aber nicht passt) bis hin zu glatten Fälschungen. Je älter und insbesondere je wertvoller eine Uhr ist, desto mehr Probleme bekommt man.


    Taschenuhren werden eigentlich nicht komplett gefälscht, da das (außer vielleicht bei großen Komplikationen der absoluten Topliga) einfach kein lohnender Markt ist. Aber auch bei normalen IWC-TUs im Preissegment 300-3000 Euro kann es diverse Probleme geben - insbesondere Zifferblätter werden nicht selten nachgemacht, "aufgearbeitet" oder aus Service-Teilen ersetzt. Da viele Goldtaschenuhren gerade während der Goldpreis-Hausse ausgeschlachtet und die Gehäuse eingeschmolzen wurden, gibt es auch immer mehr Werke als Gehäuse am Markt - diese landen dann entweder in den gerade bei eBay oft zu findenden Osteuropa-Marriages oder werden in einem generischen Stahl-/Silber-TU-Gehäuse recycelt. Diese Uhren erkennt man an fehlenden Markierungen/Punzen - und wenn diese gefälscht werden, kann man zumindest oft anhand der Werk- und Gehäusenummern erkennen, dass da irgendwas nicht passt.


    Wenn man allerdings so eine Uhr vor sich hat, dann kann man beruhigt sein: IWC Savonnette Ref. 120 in 18k Gold - so ein Gehäuse fälscht niemand, das Blatt und Zeigerspiel ist erkennbar original und das Werk erkennt man ja auf den ersten Blick:



    Und auf den zweiten Blick vergleicht man die Uhr mit dem direkten Nachfolgemodell Ref. 123 - und wird ziemlich nervös :lupe: :eek: :



    Ich gebe zu, es ist auf dem Foto nur schwer zu erkennen, aber in der Vintage-Welt sind solche Details absolut entscheidend...


    Vielleicht hat ja jemand Lust auf ein kleines Suchspiel - wer den entscheidenden Punkt findet, kriegt von mir die (virtuelle ;) ) goldene IWC-Vintage-Spange mit Band und Schleife verliehen. Auflösung gibt es dann spätestens Sonntagabend.


    Viel Erfolg :lupe:
    Christian


    P.S.: Ehemalige Besitzer der Uhr sind natürlich von der Teilnahme ausgeschlossen - und ohnehin schon Träger sämtlicher Vintage-Ordenszeichen ;)

    • Offizieller Beitrag

    ... die Gravuren sind tatsächlich unterschiedlich :lupe: - die untere Ref. 123 hat (wie eigentlich üblich) nur die Goldpunzen im vorderen Innendeckel - den "vollen Text" gibt es im Rückdeckel:



    Das ist also schon mal ungewöhnlich für die oben gezeigte Ref. 120. Auch die individuelle Datumsgravur (30.05.1962) bringt von der zeitlichen Einordnung etwas Zweifel. Beides sind kleinere Indizen, begründen aber allein gesehen noch kein großes Problem - da gibt es noch etwas anderes ;) .


    Gruß,
    Christian

    • Offizieller Beitrag

    ... so, wie versprochen hier nun die Auflösung:


    Wenn man ganz genau hinschaut, erkennt man ungefähr auf der Höhe von 4.30 Uhr einen kleinen Knubbel:



    Hier wird es etwas deutlicher:



    Schaut man sich das einmal näher an und zieht dran, passiert folgendes:




    Das ist kein gutes Zeichen :lupe: : Denn eine TU Ref. 120 sollte ein Kal. 98 verbaut haben - und dieses Kaliber ist (wie alle moderneren Uhrwerke) so konstruiert, dass man allein über die Krone das Uhrwerk aufziehen und die Uhr stellen kann. Wie man es von Armbanduhren kennt, muss dafür die Krone gezogen werden, entsprechend hatten frühe Werke den Zusatz "tirette". Das Thema hatte ich mal in diesem Faden dargestellt:


    Special Editions gab es auch vor 75 Jahren schon - IWC Kal. 65T "Beyer Zürich"


    Hier ist dies nicht der Fall, es braucht einen getrennten Mechanismus, um die Krone vom Aufzugs- in den Einstell-Modus umzuschalten. Einen solchen Haken findet man aber nur bei alten Taschenuhren - nicht bei Nachkriegsmodellen :grb: . Entsprechend schnell öffnet man mal den Rückdeckel...


    Das sollte drin sein (Kal. 98):



    Und das ist drin:



    Hmmm... :grb: . Zunächst ist man erleichtert: Das ist eindeutig ein IWC-Kaliber, nämlich ein Kal. 66 - noch dazu in einer extrem seltenen "modernen" Ausführung, also vernickelt und mit Genfer Streifen. Das ist schön :gut: .


    Der nächste Blick geht zur Werknummer:



    Laut DateYourIWC stammt das Werk von 1919 und ist tatsächlich ein Kal. 66. Das passt also. Was nicht so passt: Die Gehäusenummer deutet auf eine Auslieferung um 1959 hin ... :grb: .


    Und das klingt dann nicht so gut: 40 Jahre Unterschied bei den Nummern (wenn sie stimmen) und ein "falsches" altes Werk in einer neuen Taschenuhr? Da kann etwas nicht stimmen. Andererseits: Niemand fälscht ein 18k-Gehäuse, die technische Ausführung sieht professionell aus und auch die Finissage passt zur Zeit der Auslieferung.


    Die Frage ist also: Bastelarbeit oder eine Sonderanfertigung?


    Jetzt kann man über IWC viel schimpfen (und manchmal durchaus zurecht), aber im Vintage-Bereich haben sie ihre Sachen im Griff (anders als viele andere Marken).


    Und so hat sich der hauseigene Kurator David Seyffer damals hingesetzt und für die Klärung des Sachverhalts einmal die Archive gewälzt. Ergebnis: Die Uhr ist echt und exakt so authentisch :gut: .


    Das verwendete Uhrwerk wurde tatsächlich als Teil der Produktionsserie 1360 (600 Stück Kal. 66) um 1919 produziert. Allerdings bezeichnen diese Daten (die in DYIWC verwendet werden und ursprünglich von Meiss bzw. Tölke/King stammen) nur die Produktion der Rohwerke. Und es kann eine Weile dauern, bis diese Werke dann tatsächlich finissiert und verbaut werden. Der heutige SCM-Verantwortliche dürfte große Augen kriegen angesichts der Tatsache, dass das erste Werk aus dieser Serie erst 1939 fertiggestellt und ausgeliefert wurde - 20 Jahre nach der Herstellung. Und während die ersten 300 Werke aus dieser Serie dann bis 1946 verkauft waren, blieb der Rest irgendwo im Regal zurück.


    In den 1950er Jahren "kleckerten" noch einige wenige Auslieferungen zusammen, bis dann ein größerer Auftrag aus Skandinavien kam. Und aus irgendwelchen nicht mehr nachvollziehbaren Gründen wollten die unbedingt ein Kal. 66 und kein Kal. 98 in ihren Uhren. Das war also keine "Resteverwertung", sondern eine Auftragsarbeit. Die Gehäuse für diese Bestellung wurden im April 1959 bei der Firma Wyss in Biel in Auftrag gegeben, die Auslieferung erfolgte dann im November 1961 an den Juwelier O. Arikola in Helsinki - satte 42 Jahre nachdem das Rohwerk produziert wurde :eek: .


    Und noch ein Detail: Die Uhr trägt Gravuren - im Deckel innen steht ein Datum, 30.05.1962 und außen sind die Initialen "BB" graviert. Der Juwelier hat es also offenbar wesentlich schneller geschafft, seine Ware unter die Leute zu bringen ;)


    Nach so viel Text haben wir uns noch ein paar mehr Bilder verdient: 1919 gebaut, 1961 fertiggestellt und 2015 im Forum ;)














    Tja, was lernen wir daraus: Im Vintage-Bereich ist eine Menge möglich - meistens geht es in die Hose, wenn an einer Uhr irgendetwas anders ist, als es sein sollte. Manchmal hat man aber auch Glück und man hat eine echte Rarität erwischt. Und dieser Kitzel ist ja ein wesentlicher Teil der Faszination von Vintage-Uhren... ;)


    Gruß,
    Christian


    P.S.: Das letzte Werk aus dieser Serie wurde übrigens erst 1968 verkauft - und wer jetzt Lust bekommen hat: Ungefähr 50 Werke aus dieser Serie liegen noch heute im Regal. Wäre doch mal eine Idee für eine Forums-Uhr :G ...