Mein Besuch im Seiko Museum in Tokio

  • Liebe Seiko-Sammler,
    nachdem ich vor ein paar Jahren das Glück hatte, dass Shizukuishi-Watch Studio von Seiko in Morioka besuchen zu können (hatte darüber hier berichtet), war es mir diesmal vergönnt das Seiko Museum in Tokio zu besuchen.
    Als Spontanbesuch, da nur wenig Zeit zur Verfügung stand, hatte ich Glück für den gleichen Tag einen Besuchstermin zu bekommen.
    Bei meinem Anruf um 11 Uhr teilte man mir einen Termin für 14 Uhr mit. Man (bzw. Frau) spricht übrigens Englisch, was im allgemeinen in Japan nicht immer der Fall ist.
    Nach einer pfadfinderischen Anreise mit diversen Bahnen und einem Fussweg durch das Gassenwirrwar der Stadt Tokio (es sieht aus wie ein Vorort, der aber keiner ist, sondern immer noch zum Millionenmolloch der Stadt gehört) ereichte ich das grau gefärbte Gebäude. Auf den ersten Blick sieht es sehr unscheinbar aus, vor allem da ich es zuerst von der Rückseite her erblickte.
    Wie gut das es Google Streetview gibt, sonst hätte ich es nicht so schnell gefunden!


    Nachdem ich das Haus durch eine gläserne, automatische Schiebetür betrat, kam ich zunächst in einen kleinen Empfangs- und Verkaufsraum, in dem ich von zwei netten Damen begrüsst wurde. Sie wollten noch gerne wissen, woher ich den komme und wie ich von der Existens des Museums erfahren habe, bevor eine der beiden zum Telefon griff und offensichtlich meinen persönlichen Museumsführer über meine Ankunft informierte.
    Es trat mir ein Herr im gesetzten Alter (wobei das bei Japanern sehr schwer einzuschätzen ist) entgegen und begrüsste mich sehr freundlich per westlichem Handschlag.
    Er stellte sich als Herr Hiroaki Kobari vor und nachdem ich mich als aus Deutschland kommend vorgestellt hatte, lachte er und sagte mir, dass er ein paar Jahre in Deutschland bei Seiko in Willich tätig war. Darum also der spontane Handschlag, was ja sonst in Japan völlig unüblich ist.
    Sein Englisch ist sehr gut und so deutete er mir den Weg in die Ausstellungsräume im Erdgeschoss, welche unmittelbar hinter dem Empfang beginnen.
    Zunächst betraten wir einen Raum mit Ausstellungsstücken aus der frühen Kindheit der Zeitmessung. Von der Sonnenuhr, über die ersten Hemmungen von Huygen und Dennison bis hin zur ersten von Seiko gefertigten Eisenbahn-Taschenuhr. Zu jedem Stück gab mir Herr Kobari eine sehr detaillierte Erklärung und auch einen sehr tiefen Einblick in die Geschichte jedes einzelnen Exponats, welcher ich fasziniert folgte.


    Dann machten wir einen Sprung in die Zeitmessung beim Sport, welche sich ebenfalls im Erdgeschoss befindet. Darunter befindet sich ein amüsantes Foto der ersten Olympiade in Japan, wo hinter einander gereihte Herren in Uniform mit gespanntem Blick und jeweils einer Seiko-Stoppuhr in der Hand den Zieleinlauf bei den Läufern folgten. Herr Kobari erklärte mir, dass pro Läufer je 3 Zeitnehmer zuständig waren, um ein möglichst präzises Ergebnis zu erhalten.



    Für jede Sportart eine andere Stopuhr
    Anschliessend begaben wir uns in die erste Etage, welche mit einem von einer separaten Glastür verschlossenen Raum, in dem frühe japanische Zeitmesser ausgestellt sind, beginnt.
    In diesem Raum, welcher noch einmal extra klimatisiert wird, wurde mir der völlige Unterschied zur westlichen Zeitmessung erklärt. Hier ging es primär um die unterschiedliche Dauer des Tages und der Nacht im Zusammenhang mit den verschiedenen Jahreszeiten. Wieder einmal brillierte Herr Kobari mit einer faszinierenden Erklärung, welche ich als Westler auch hier dringend benötigte. Denn ohne Beschreibung stünde man nur rätselnd davor!
    Bei allen Ausstellungsstücken handelt es sich um Originale, darunter auch ein sehr wertvoller Zeitmesser des Firmengründers der Firma Sharp.



    Anschliessend begaben wir uns in die weiteren Ausstellungsräume, in welchen die Seiko-Geschichte ab Ende des 2. Weltkrieges gezeigt wird. Unter anderem wird dort der erste TV-Spot Japans gezeigt. Natürlich von Seiko. Ein Trickfilm, sehr einem alten Disneyfilm ähnelnd. Dieser wurde jeweils morgens und abends mit einem Zeitzeichen gesendet. Sozusagen das erste öffentliche Zeitsignal, so dass man seine Uhr danach stellen konnte.

    Im weiteren Verlauf werden fast alle mechanischen Kaliber gezeigt, die allererste Grand Seiko und mit besonderem Stolz zeigte mir Herr Kobari die zur Chronometerprüfung nach La Chaux de Fonds eingesandten Werke und die dazugehörigen Urkunden aus der Schweiz.
    Dann zeigte er mir ein Foto der allererst entwickelten Quarzuhr. Die sah aus wie ein grosser Schrank mit zahlreichen Schalt- und Anzeigeelementen.
    Und in unmittelbarer Nähe wird die erste Quarzarmbanduhr, eine goldene Astron präsentiert.
    Was für eine Verkleinerung!



    von ganz gross

    bis klein. Was für eine Entwicklung!
    Als ich Herrn Kobari auf die Folgen für die vor allem schweizer Uhrenindustrie ansprach, bemerkte ich schon eine Betroffenheit. Er selbst schilderte den grossen Verlust von Arbeitsplätzen und das Verschwinden zahlreicher Uhrenmarken.
    Fairerweise muss man aber sagen, das auch die Schweizer ihre Chance auf ein eigenes Quarzwerk hatten, dies aber nicht mit dem nötigen Nachdruck verfolgten.
    Die sogenannte Quarzrevolution war lediglich ein Ergebnis von der Firmenphilosophie Seiko, stets einen Schritt voraus zu sein.
    Nun begaben wir uns in Richtung Mechanik. Vor allem die Entwicklung der Grand Seiko wird hier sehr anschaulich gezeigt. Von der ersten bis zu aktuellen Modellen ist hier alles ausgestellt. Eine andere Stelle zeigt die verschiedenen Referenzen der Seiko Credor, welche ja vor der Neuauflage der Grand Seiko entstand. Unter anderem wird hier die wohl teuerste Seiko gezeigt: eine Damen Schmuckarmbanduhr, vollkommen mit Diamanten besetzt. Selbst das Glas besteht aus einem einzigen, plan geschliffenem Diamanten.
    Herr Kobari nannte mehrere Hundert Karat als Wert. Den monetären Wert konnte ich nur erahnen!
    Zum Schluss wird natürlich das neueste Produkt, die Seiko GPS-Uhr Astron präsentiert.
    Auch mein kompetenter Führer trug ein Exemplar.


    Die wohl teuerste Seiko
    Damit war der offizielle Rundgang unter der Leitung von Herrn Kobari beendet.
    Wir verabschiedeten uns und ich hatte noch genügend Zeit, um noch einige Fotos zu machen. Im Gegensatz zu vielen Museen, wo das Fotografieren ja nicht immer erlaubt ist, darf man im Seiko Museum ruhig auf den Auslöser drücken.
    Beim Verlassen des Gebäudes überreichten mir die Empfangsdamen noch einen Umschlag mit einer englischen Kurzfassung der Firmengeschichte.
    Alles in allem war dies ein sehr interessanter Einblick in die Geschichte der Firma Seiko.
    Vor allem die frühen japanischen Zeitmessgeräte gaben mir als europäischen Besucher einen Einblick in die Unterschiede zu den frühen Uhren Europas.
    Mein ganz besonderer Dank gilt Herrn Hiroaki Kobari, welcher mit seinem hervorragendem Wissen diesen Besuch zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht hat.

  • Klasse :verneig: Vielen Dank!


    Und mir Recht darf man das alles mit ganz großem Stolz präsentieren, denn Seiko ist schon eine wirklich geniale Marke, mit hochintessanter Historie und Entwicklungen und Erfindungen.


    Was hast Du bloss für ein Glück gehabt, dieses Museum zu sehen! Tolle Sache!


    Vielen Dank fürs teilen, und den intessanten Bericht, hat Spaß gemacht, mal wieder an Seiko als tollen Hersteller zu denken.


    Ich glaube, ich muss meine Willard mal wieder anschnallen....... :grb:


    Viele Grüsse,


    Petra

  • Sehr schön, ein ganz toller Tag für dich!
    Vielen Dank für diesen sehr schön geschriebenen Bericht, ich habe ihn mit Genuß gelesen...

    Grüße - Gerd... :wink:


    Sascha, Unvergessen!:blume:


    Kein Instagram, kein Facebook. Kein TikTok, kein anderes Gedöns, das ist ja wie ein Gefängnisausbruch! Herrlich!

  • ....Was hast Du bloss für ein Glück gehabt, dieses Museum zu sehen! Tolle Sache!...


    ich hoffe das es an meinem Smartphone liegt, dass ich meine eingestellten Fotos nicht sehe!
    Ich komme beruflich des öfteren nach Japan und habe dort i.d.R. einen freien Tag für mich.
    Darum auch der kurzfristige Besuchstermin.
    Es hat sich wirklich gelohnt!