Liebe IWC-Freunde,
es ist tatsächlich Sommer geworden selbst hier im Norden und so stellt sich schnell eine gewisse Entschleunigung ein - man hat Zeit und/oder Urlaub und kann auch gedanklich mal etwas die Füße baumeln lassen. Heute macht man das ja nicht mehr mit einem guten Buch, sondern hält auch auf Terrasse oder Balkon irgendein ein "iSonstwas" in der Hand und daddelt durchs Netz.
Gestern stieß ich dabei bei Spiegel Online auf eine Autovorstellung, den BMW 2er Active Tourer. Ich muss gestehen, dass ich mit Autos im Allgemeinen und BMW im Besonderen nicht allzu viel am Hut habe und mein Wissen in diesem Bereich entsprechend rudimentär ist. Dennoch (oder deswegen?) fand ich das vorgestellte Auto bemerkenswert: Ein hoch-aufgestellter Familienvan, mit einem Dreizylinder-Benzinmotor und Vorderradantrieb - quasi der Golf Plus von BMW, nur 50% teurer.
Ich hatte jetzt in meiner bisher flüchtigen Wahrnehmung unter "BMW" ein paar Dinge als Markenkern abgespeichert, die nicht so Recht ins Bild passen wollten: Dreizylinder? Familienvan? Golf Plus? Und vor allem: Vorderradantrieb??? Ich hatte immer gedacht, dass zumindest der Vorderradantrieb das größte aller Übel sei und deshalb niemals nie nicht bei BMW in Frage käme. Nun ist es mit solchen Dogmen immer so eine Sache, manchmal überholen einen die Entwicklungen der Zeit - aber muss man wegen eines solchen Tröten-Autos mit einem absoluten Eckpfeiler der eigenen Marke brechen? Das ist ja nicht der neue Käfer, sondern irgendein Nischenauto, von dem man ein paar 10.000 Stück verkaufen wird. Erstaunlich...
Wenn man drüber nachdenkt, wird ein solcher "Tabu-Bruch" heute aber immer mehr zur Regel. Mir fiel z.B. diese Mercedes Kleintransporter-Möhre ein, die ein umgeklebter Renault war und völlig im Crash-Test versagte. Das Auto ist so egal, dass ich nicht mal mehr den Namen weiß, aber offenbar waren die paar zusätzlichen Exemplare es wert, eine absolute Grundtugend von Mercedes
(Sicherheit) in die Tonne zu hauen. Und die Reihe lässt sich beliebig fortsetzen...
Offenbar ist es heute ok, wenn man auch nur zur Eroberung eines kleinen Nischenmarkts lange eingeführte und gepflegte Produkt-/Markeneigenschaften über Bord wirft. Und natürlich stehen unsere Autofreunde nicht allein - womit wir, man ahnt es , bei Uhren gelandet sind.
Auch hier haben wir in den letzten Jahren immer wieder erstaunliche Volten bei der Produkt- und Markenentwicklung erlebt. Stahluhren bei Patek, Quarz-Uhren bei GO oder Sellita-Werke bei Zenith kommen mir dabei allein aus
der jüngsten Vergangenheit in den Sinn.
Wie bei vielen anderen Dingen, war natürlich IWC bei diesem Thema ebenfalls ganz vorne dabei - bereits 2007 wagte
man einen Schritt, der auch heute noch vielfach beklagt wird: Die Ingenieur ohne Magnetfeldschutz ...
Ähnlich wie der Hinterradantrieb bei BMW, hatte sich der Magnetfeldschutz als Kerneigenschaft der Ingenieur-Baureihe über Jahrzehnte etabliert. Seit dem Start der Reihe Mitte der 1950er Jahre, hatte jeder dieser Uhren diese Eigenschaft, bis auf die Weltrekorduhr 500,000 Am/h immer erreicht durch einen Weicheisenkäfig - der sorgte für einen Schutz bis 80,000 Am/h (entsprechend
einem Milgauss, als Übersetzung für die Rolex-Freunde ;)). Das blieb auch bestehen, als 2005 nach mehrjähriger Abstinenz die Ingenieur-Reihe wiederbelebt wurde - allen voran mit der Referenz 3227 und dem neuen Kal. 8000.
So der ganz große Durchbruch gelang mit diesen Modellen nicht, viele ältere Uhrenfreunde hatten sich zwischenzeitlich an die Ingenieur in den "Damengrößen" um 34mm der 1980er und 1990er Jahre gewöhnt und beklagten das allzu wuchtig geratene Gehäuse der 3227. Die allerdings - das wird niemand bestreiten - alle Qualitäten einer "echten" Ingenieur hatte, also Weicheisenkäfig, Inhouse-Werk mit Pellaton-Aufzug und des vielfach zitierte "Genta-Design" (wenn auch der Schöpfer der ursprünglichen
1832 Jumbo nichts mit dieser Neuauflage zu tun hatte).
Was tun? Bereits zwei Jahre später, 2007, entschied man sich zu einer Modellpflege – und da man offenbar keine Zauberlösung zur Hand hatte, versuchte man einfach, alle vorgebrachten Kritikpunkte irgendwie zu adressieren. Zu groß und zu schwer? Dafür gab es die 3228, die nun in 40mm auch kleinere Handgelenke erobern sollte. Keine innovativen Materialien? Dafür gab es nun die 3234 mit den Keramik-Elementen. Schweineteuer? Da muss man dann den Mehrwert zeigen, den so ein tolles Inhouse-Werk bringt – und da man das bisher einfach nicht sah, flog der Weicheisendeckel raus und der Glasboden kam rein. Die entsprechend freudigen Reaktionen halten sich bei manchen bis heute – was man entspannt in Kauf nehmen kann, wenn sich die Uhren wie geschnitten Brot verkaufen. Taten sie leider nicht – die 3228 hielt nur ein Jahr, in dem es wohl für keine 1000 Exemplare langte. Die 3234 macht Eigentümern noch heute beim Verkauf Freude. Und dann gab es noch eine Uhr, die es gleich richtig krachen ließ: Zu groß, zu teuer, ohne Weicheisenkäfig – warum nicht alles in einem Modell ? Und schon war die „Grosse Ingenieur 5005“ geboren…
Optisch sehr eng an die 3227 angelehnt, wurde insbesondere das Zifferblatt spürbar aufgeweitet. Das Gehäuse wuchs auf 45,5mm, damit ausreichend Platz war für das Kal. 51112 – entsprechend sollte so ein Pendant zur „Grossen Fliegeruhr“ Ref. 5002/5004 und der klassischen Portugieser 5001 geschaffen werden.
Der Erfolg war eher mäßig: Die Uhr zielte durch die Mischung von Größe und Preis ohnehin nur auf eine kleine Nische – 10.300 Euro war der Preis am Lederband, ab 2008 gab es dann für 11.200 Euro die Version ab Stahlband. 2012 verabschiedete sich diese Referenz aus dem Katalog, der letzte Listenpreis lag bei 12.000 Euro. Zumindest hielt sie länger durch als die 3228 und die 3234…
War die 5005 nun ein Flop? Wirtschaftlich betrachtet vielleicht – schaut man sich die Uhr aber genauer an, hat sie ihren Charme:
Zunächst erscheint die Größe riesig, aber 45,5mm sind heute relativ normal. Wirklich „groß“ sind heute Uhren mit 47, 48 oder noch mehr mm Durchmesser. Die Uhr ist mit knapp 15mm auch überraschend flach, durch den fehlenden Weicheisenkäfig nur 0,5mm mehr als die kleinere 3227. Und wenn man es mit den 19,2mm des vergleichbar großen PO Chronos vergleicht, ist die 5005 ein wahrer Handgelenkschmeichler. Dazu kommt, dass die Größe der Uhr einen Sinn hat – denn das Kal. 51112 füllt das Gehäuse komplett aus.
Und das Werk lässt sich durchaus „sehen“ – u.a. mit dem Pellaton-Aufzug und dem klassischen Gold-Medaillon. Durch die neue Feinregulierung analog zum Gyromax-System und die höhere Taktfrequenz sind auch die Kernprobleme der vorherigen Generation weitgehend überwunden – die 5005 laufen in der Regel sehr genau, auch über die volle Gangreserve von 7 Tagen (eigentlich 8,5 Tagen). Schließlich ist der Sitz am Handgelenk gar nicht schlecht, insbesondere bei der Version mit dem Stahlband – denn dieses ist (anders als das Krokoband) flexibel am Anstoß und passt sich besser der Kontur des Handgelenks an.
Leider ist diese Version überaus selten und es dauerte ein paar Jahre, bis ich diese 5005 überhaupt mal am Arm hatte. Da hat es dann aber gleich „klick“ gemacht…
Und so hat sich der Bruch mit heiligen Traditionen wenigstens gelohnt, weil am Ende eine „große“ Uhr herausgekommen ist – mit einem
klassischem Design und einem einmaligen Werk. Da kann man einen solchen Tabubruch verzeihen – das ist halt etwas anderes, als ein Dreizylinder Opa-Carrier…
Man ahnt es: Obwohl ich eigentlich zumindest für dieses Jahr nichts mehr machen wollte und auch schon echten Traumuhren entsagen musste, gibt es doch noch einen Neuzugang – aber da gleichzeitig zwei Uhren gingen, ist es dann auch für das eigene Gewissen ok
Wie immer nach so viel Text – Bilder :
Gruß,
Christian