... einen hab ich noch
Mir ist neulich aufgefallen, dass ich mich einem kleinen Jubiläum nähere - und zwar 5 Jahre Watchlounge . Da kam der Gedanke, dass so etwas doch in einem würdigen Rahmen begangen werden muss. Und wie es der Zufall will, hat sich da eine angemessene Gelegenheit ergeben
Bevor ich da ins Detail gehe, aus der Erfahrung jahrelanger Uhrenbeklopptheit ein paar Weisheiten:
1. Nicht jede Uhr, die ein Schnäppchen ist, muss/kann/sollte man kaufen
2. Was vom Konto raus geht, muss irgendwann auch wieder hereinkommen
3. Wenn man ein Impulskäufer ist, sollte man keine Uhren mit unbestimmter Lieferzeit bestellen
4. Mit "Kleinkram" nebenbei kann man erschreckend viel Geld verplempern
5. Uhren zu kaufen geht wesentlich leichter von der Hand, als Uhren zu verkaufen
6. Wer ein Gebot abgibt, muss einen möglichen Zuschlag einplanen
Die Ausgangssituation hatte ich ja schon mal beschrieben: Um den Jahreswechsel hatte ich mir tiefsinnig und wohl überlegte Gedanken gemacht, was denn im kommenden Jahr als Neuzugang reizvoll wäre. Ein technisch sehr interessantes Modell mit einer noch nicht vorhandenen Komplikation einer noch nicht vorhandenen Marke kam dabei als Sieger durchs Ziel und sollte folglich beschafft werden. Gerne zügig. Das ging dann etwas in die Hose, da eine direkte Lieferbarkeit nicht gegeben war - so wurde bestellt und gewartet. Die Folgen der Warterei sind bekannt, damit das Geld sich nicht als Tagesgeld langweilte, wurden nach und nach drei andere Uhren beschafft - auch nicht schlecht, aber eben eigentlich nicht eingeplant.
Dann traf die erhoffte Bestellung ein, was eine gewisse Sammlungsbereinigung erforderte, da das vorgesehen Budget bereits verplempert war. Soweit so gut. Nur: Nach relativ kurzer Zeit wurde mir klar, dass der überraschend häufige Stillstand der neuen Uhr nichts mit meinem Büroschlaf zu tun hatte, sondern das gute Stück schlicht nicht aufzog. So soll es sein, ein halbes Jahr warten, nur damit das Sch...-Ding gleich wieder retour geht . Aber: was soll man sich groß aufregen...
Entsprechend tiefenentspannt döste ich mich durch einen sehr sonnig-erholsamen Urlaub und patschte aus alter Gewohnheit ab und an durch Foren und eBay-Angebote. Dort kam überraschend ein sehr seltenes Stück zum Aufruf, das man von privat nicht so oft sieht und das preislich noch in den Anfängen steckte. Kurzer Ärger, dass eine solche Uhr ausgerechnet jetzt angeboten wird, wo ich weder Zeit noch Liquidität hatte - man kann halt nicht immer Glück haben. Zumindest aber mal ein Pro Forma-Gebot abgegben, um den Verkaufspreis mitzubekommen...
Am nächsten Morgen stockte beim Blick aufs Smartphone ein wenig das Frühstück nach dem dezenten Hinweis "Herzlichen Glückwunsch zum Kauf..." . Es gab zwei konkurrierende Gedankenstränge, der eine: "Wahnsinn, zu dem Preis - wie kann das denn sein, yeah!!". Der andere: "Bist Du völlig bescheuert, so viel Geld 'einfach mal so' rauszuhauen???". Das gibt einem dann ja schon zu denken, zu mal wenn man sonst eher rational agiert und durchaus auch mehrstellige Zahlen korrekt addieren kann. So stellte sich die Frage - was tun? Rauswinden? Das gehört sich nicht, kann im Zweifel eine Menge Ärger machen - und außerdem: So eine Gelegenheit... jedoch: bei näherem Hinsehen (wie es der Profi macht, natürlich nach dem Kauf ) gingen alle Warnlampen an, da "aus Erbschaft", kaum Feedback und das alles nur Jahre her und für Kleinkram, dazu noch eine dubiose Adresse und ewig weit weg. Weltklasse
Also musste mein rationales Ich übernehmen und an die Schadensbegrenzung gehen: Etwas auf Zeit spielen, eine persönliche Übergabe organiseren und in einer Notverkaufs-Aktion wenigstens einen Rest an ökonomischer Ernsthaftigkeit wieder herstellen. Das klappte dann glücklicherweise einigermaßen reibungslos, da ist der Standort Hamburg mit seiner ausreichenden Zahl an ebenfalls Uhren-Bekloppten Loungern doch von Vorteil . Und so brach ich zu einer tagesfüllenden Expedition gen Süden auf - die (wiederum glücklicherweise) erfolgreich war. Es gibt tatsächlich echte Erben von echten Uhren - auch solche, die in ihrem Leben noch nie was mit Uhren zu tun hatten und gar nicht wissen, was sie da vor sich haben.
Mental Note: Mach einen Zettel an jede Box und lege eine Liste dazu, damit die Nachfahren wissen, was das ist und was es ungefähr bringen sollte.
Inzwischen ist der finanzielle Einschlag einigermaßen behoben und das emotionale Ich kann wieder übernehmen - mit Freude über eine komplette IWC Jubiläums-Portugieser 5441 in Rotgold - zur Uhr selbst brauche ich den alten Hasen nichts erzählen, deshalb nur kurz für potenzielle Erben :
Die sogenannte "Jubi-Portugieser" wurde 1993 anlässlich des 125jährigen Geburtstags der IWC aufgelegt. Damals gab es verschiedene Sondermodelle, unter anderem die komplizierteste je gebaute IWC, die "Il Destriero Scafusia" mit 22 Funktionen - eine Steigerung der Grande Complication. Von dieser Uhr gab es nur 125 Stück und der Preis war eher prohibitiv, auch für Besserverdiener. Deshalb wurde noch ein weiteres Modell entwickelt, das zum einen auch für Normalsterbliche bezahlbar sein sollte und zum anderen unbedingt ein IWC-Werk enthalten sollte. Die einzigen eigenen Werke, die noch in ausreichender Zahl verfügbar waren, waren Taschenuhrwerke Kal. 98. Und so entstand in der Tradition der "Ur-Portugieser" und der "Portugieser Missing Link" eine klassisch schlichte Uhr, die für viele als die schönste IWC überhaupt gilt.
Es gab drei Versionen, 1000 Stück in Stahl, 500 Stück in Rotgold und 250 in Platin. Diese Uhren waren zügig ausverkauft, auch meine ging gleich nach dem Beginn der Auslieferung über den Tresen - der Vorbesitzer hatte also nicht nur Geschmack, sondern offenbar als guter Kunde auch Beziehungen.
Und so sieht sie aus - schlicht, drei Zeiger, Fadenschrift:
Schön ist sie schon... - und wenn das auch eine ernsthaft bedenkliche Dummheit war, dann war es zumindest für die richtige Uhr
Gruß,
Christian
PS.: Das rationale Ich hat übrigens beschlossen, in diesem Jahr definitiv keine Uhr mehr zu kaufen, sondern maximal die Neuheiten auf Tauglichkeit für Anschaffungen in fernen Folgejahren zu prüfen. Mal gucken, wie weit da meine Selbstdisziplin reicht...