... zweiter Teil der wochenendlichen Foto-Session, diesmal noch mehr für Randgruppen: Taschenuhren
Ab und an hole ich ja mal diese antiquierten Dinger hervor, die ansonsten meist nur als Nachlass-Anfragen zur Bestimmung des Einschmelzwertes in den Foren auftauchen. Und um ehrlich zu sein, ich renne auch nie mit einer Taschenuhr in der Tasche oder um den Hals durch die Gegend. Aber dennoch haben gerade Taschenuhren für den interessierten Uhrenfreund diverse Vorteile:
- sie sind günstig, kosten nur ein Bruchteil vergleichbarer Armbanduhren
- sie sind qualitativ hochwertig, insbesondere wenn man sich auf die Stücke aus "gutem Hause" konzentriert
- sie sind authentisch, auch wenn es schon vor hundert Jahren Marketing-Sprüche gab, "Manufaktur" ist hier oft noch sehr nah an der Wahrheit
- sie sind praktisch, denn man kann sie viel besser in der Vitrine aufstellen, als all die Armbanduhren, die man gerade nicht tragen kann
- sie sind werthaltig, da nicht selten der "Abwrackwert" nahe oder sogar höher als der Kaufpreis liegt (insbesondere bei Golduhren).
Und die Dinger sind so cool wie ein Opa mit Hut im Opel Record Automatik - ich habe mir sagen lassen, das ist wieder im Kommen
Die beiden heutigen Exemplare passen beide sauber in meine Sammlung zum Thema "IWC Taschenuhren mit Kal. 9x-Brückenwerken": Zum einen die Ref. 123, die einzige Savonnette-TU von IWC dieser Generation, deren Zifferblatt-Gestaltung man als "schlicht/modern" bezeichnen kann. Gerade die Savonnette-Uhren zeichnen sich sonst durch einen eher griechisch-römischen Stil aus, mit römischen Ziffern und verspielten Zeigern, hier mal als Beispiel meine 800-Jahre-Luzern-TU:
Diese Uhren waren immer schon eher im gehobenen Segment angesiedelt - nie in Stahl, selten in Silber und meist in 18k Gold. Durch die drei Deckel und die vergleichsweise stabile Bauweise, ist der Materialeinsatz bei diesen Modellen dramatisch höher als bei einfachen Lépine-Taschenuhren (mit offenem Zifferblatt) - schlanke Frackuhren haben da einen Goldanteil von zum Teil nur 20 oder 30g, bei schweren Savonnettes ist das nicht selten das dreifache - was in Zeiten steigender Goldpreise natürlich die Preise erheblich treibt.
Die Referenz 123 findet sich nur relativ kurz in der IWC-Kollektion, ungefähr zeitgleich mit der vor kurzem vorgestellten 810A, also zweite Hälfte der 60er Jahre - Nachfolgemodell war die Ref. 5400. Verbaut ist das "Portugieser-Kaliber" Kal. 98, noch in der ursprünglichen Version ohne Stoßsicherung. Fast schon typisch für Nachkriegstaschenuhren bei IWC sind die Unterschiede bei Werk und Gehäuse: Das Werk stammt aus dem Jahr 1946, verkauft wurde die Uhr dagegen ca. 1967 (aus dem Jahr stammt auch das Gehäuse). Da das Kal. 98 nur in sehr hochwertigen und teuren Uhren verbaut wurde, hielt sich der Bedarf in Grenzen - ganze zwei Chargen wurden gebaut, jeweils 600 Stück 1936 und 1946. Es waren halt auch nicht unbedingt die Zeiten, in denen man große Beträge für Uhren über hatte. Aus diesen beiden Bau-Chargen stammen übrigens auch die Werke für einen Teil der Ur-Portugieser (nicht alle hatten ein Kal. 98, es gab auch die Version mit Kal. 74 S.C.), die späteren Nachbauten wie die Missing Link-Portugieser oder die Jubi-Portugieser hatten bereits das Kal. 982 mit Stoßsicherung (davon wurden 1967-73 nochmal 3600 Stück produziert).
Taschenuhren mit Kal. 98 wurden nur wenige hundert Stück gebaut und gerade in den letzten Jahren sind viele der Schmelze zum Opfer gefallen - die Werke wurden dann oft für Marriages oder Fälschungen der Ur-Portugieser verwendet, was leider durchaus lohnenswert ist angesichts der Sammlerpreise von 20k und mehr für Originale.
Eine originale Taschenuhr mit dem gleichen Werk und Blatt kostet dagegen auch heute nur einen Bruchteil solcher Preise (in 18k Gold, wohl gemerkt, die Portugieser waren aus Stahl...).
Zum Abschluss nun endlich ein paar Bilder von dem guten Stück:
Gruß,
Christian