Ungewöhnliche Uhr und aussergewöhnliches Werk
Es gibt Uhren, bei denen loht es sich, wenn man mal sich nicht nur vom optischen Eindruck
leiten lässt, sondern sich etwas tiefer gehend mit der Technologie in der Uhr beschäftigt.
Gerade die (optisch) ungewöhnlichen Uhren haben es oft technologisch in sich.
Und exakt so verhält es sich auch mit der Bugatti Type 370 von Parmigiani. Auf den ersten Blick
eine höchst gewöhnungsbedürftige Uhr! Ist sie doch so anders als alles, was man sonst so
am Markt findet. Ähnlich verhält es sich mit Schwester, der Bugatti Super Sport, wie Ihr an den
Reaktionen der Leser auf die Vorstellung dieser Uhr in diesem Forum hier erkennen könnt.
Aber wie schon erwähnt, es lohnt der Blick hinter die Kulissen und das Unterdrücken der oft
reflexartigen Reaktion "...ih, was ist das denn da...?!"
Die Bugatti Type 370 ist ein technologisches Meisterwerk welches es in jeder Hinsicht in
sich hat!
Dieser Artikel wird sich in zwei Abschnitte gliedern. Im ersten Abschnitt werde ich Euch etwas
über das Uhrwerk, das Kaliber PF 370, berichten. Ihr findet es auch in unserer Übersicht der
Parmigiani kaliber hier.
In dieser ungewöhnlichen Uhr versieht ein aussergewöhnliches Uhrwerk seinen Dienst.
Das liegt nicht nur an den 10 Tagen Gangreserve, welche dieses Werk aufweist. Es sind die
kleine aber feinen Details, welche dieses Werk besonders machen und die in hervorragender
Art und Weise zeigen, welche Kompetenzen und Fähigkeiten bei Parmigiani zu finden sind.
Und diese findet Ihr in jeder Uhr aus diesem Hause verwirklicht. Die Qualität steht an allererster
Stelle!
Konstruiert und gebaut wird das Kaliber PF 370 bei Parmigiani selber. In den Tochterfirmen
werden alle Komponenten hergestellt, das aufwändige Gehäuse z.B., welches ich im zweiten
Teil dieses Artikels vorstellen werde, z.B. bei der Tochter Les Artisans Boitiers.
Das Uhrwerk liegt quer, also horizontal in diesem Gehäuse und es weist fünf ebenso
horizontale Ebenen auf.
Auf den folgenden Bildern seht Ihr die CAD-Zeichnungen des Werkes:
Und auf die im letzten Bild, in der Explosionszeichnung dargestellten Einzelteile gehe ich jetzt
etwas näher ein:
Erstmals in der Geschichte der Uhrmacherei birgt die Armbanduhr Bugatti Type 370 ein Werk,
das auf fünf Werkplatten verteilt ist, die über Zwischenstücke miteinander verbunden sind.
Wie bei einem Schnitt quer zur Achse ermöglicht diese Anordnung das Beobachten der
Bewegungen des Werkes und seiner Getriebe sowie seiner außergewöhnlichen technischen
Details. Der visuelle Zugang zum Herz des Werkes ist neu und einmalig.
Das war bisher nur in der virtuellen Welt möglich. Das Konzept der Bugatti Typ 370 hat sich
der Herausforderung gestellt und damit eine neue Dimension eröffnet.
Alle Bestandteile und Werkplatten sind in den Werkstätten der Manufaktur Parmigiani
Fleurier entworfen, hergestellt, verziert, montiert und eingeschalt worden.
Die folgenden speziellen mechanischen Konstruktionen sind von der Automobilwelt inspiriert:
Scheibenkupplung mit Spiralfeder:
Gewöhnlich können die Zeiger am Zifferblatt über die Einstell-Friktionsfeder verstellt werden.
Diese Funktion wird in der Regel vom Stundenrad oder Minutenrohr durch einfachen Eingriff
auf einer Achse übernommen. Bei der Bugatti Typ 370 ist es ein Spiralfedermechanismus,
der auf eine Scheibe (Scheibenkupplung) drückt und das Einstellen der Zeit auf einer
komplizierten und sehr schwierig zu realisierenden Achse gestattet.
Kardane:
Unter dem Werk mit quer liegender Achse besorgen Kardane die Verbindung zwischen der
externen (Zeiteinstellung oder Aufziehen) und der internen Funktion. Da das Werk der Bugatti
Typ 370 auf Silent Blocs montiert ist, ist eine feste Achse nicht möglich.
Die Kardane vermeiden eine starre Verbindung zwischen dem Werk und der Außenseite des
Gehäuses.
Triebe mit konischer Verzahnung:
Die beiden Triebe mit konischer Verzahnung dienen zur Umlenkung der Drehbewegung der
Kronenachse auf die senkrecht dazu liegende Achse des Werkes. Konische Verzahnungen
kommen in der Uhrmacherei sehr selten vor, da sie technisch schwierig herzustellen sind und
zum Schneiden speziell geformte Werkzeuge erforderlich sind.
Diese komplizierte Ausführung ermöglicht (dank einer besseren Verteilung des
Berührungspunktes) einen bis zu 90% nutzbaren Zahneingriff und einen Wirkungsgrad, der
demjenigen der Stellrad-Funktion überlegen ist.
Differential mit konischer Verzahnung:
Für die Gangreserve-Anzeige ist von den Mikromechanik-Ingenieuren ein Differential entwickelt
worden, das die Verzahnung des Federgehäuses mit seinem Sperrrad verbindet.
Um den Eingriff des Differentials mit seinem Satellitenrad zu optimieren, mussten die Zahnform
verbessert und neue Bearbeitungsverfahren verwendet werden, die, wie alle Bestandteile des
Werkes der Bugatti Typ 370, vollständig in der Manufaktur Parmigiani Fleurier ausgearbeitet
worden sind.
Gangreserve-Anzeige über Trommel:
Die Sichtbarkeit des Werkes dank der fünf aufeinander ausgerichteten Werkplatten bietet die
Möglichkeit, mit der Ästhetik seiner Bestandteile beliebig zu spielen. Um die Querlage des
Werkes aufrechtzuerhalten und trotzdem das Ablesen der Gangreserve zu ermöglichen, zeigt
sie diese Uhr von Parmigiani Fleurier auf einer Trommel an. Um die Konstanz des
Drehmomentes der Gangreserve von 10 Tagen zu optimieren, wird ein in Serie geschaltetes
Doppelfederhaus verwendet.
Felgenförmig geschnittene Räder:
Um dem Automobil-Geist Rechnung zu tragen und um der Suche nach äußerster Raffinesse
treu zu bleiben, hat Parmigiani Fleurier jedem Detail des Werkes größte Sorgfalt gewidmet.
Zum ersten Mal wurde den Rädern des Werkes die schöne Form einer Autofelge verliehen,
um dem ursprünglichen Konzept möglichst treu zu bleiben. Inspiriert von der berühmten,
von Ettore Bugatti in den 30er Jahren erfundenen Doppelfelge, sind die beiden Räder mit an
die Ästhetik des Originals erinnernden Speichen versehen.
Hier die originalen Felgen an einem Bugatti 35 B, Baujahr 1925:
Die Felgen im Detail (als Bausatz):
Mikromuttern:
Um die Schönheit des Werkes zu perfektionieren, hat Parmigiani Fleurier für die Montage des
Motorblocks Mikromuttern anstatt Schrauben verwendet.
Aufgehängt ist das Werk im Gehäuse, ähnlich dem Motor in einem Bugatti, mittels sog.
Silent Blocs:
Und hier noch einige weitere Impressionen des kompletten Uhrwerkes:
Wenn Ihr die ganz oben gezeigten Bilder der Uhr genau betrachtet, dann werdet Ihr eine Krone
vermissen. Aufgezogen werden die zehn Tage Gangreserve dieser Uhr mittels einem speziellen
Instrumentes, welches von einem Starter bei Automobilen inspiriert ist. Dieses stiftartige
Instrument funktioniert wie folgt:
Die erste Stufe am Kopf des Instrumentes besteht aus einem Getriebe zum Untersetzen der
Umdrehungen der Klammer des «Starters». Normalerweise genügen drei oder vier
Umdrehungen, um genügend Energie zu speichern, die anschließend auf die Krone übertragen
wird. Diese Einrichtung ist mit einer Rückdrehsicherung ausgestattet. Das Einstellen und
Aufziehen des Werkes sind absolut revolutionär. Ein «Starter», ein externes Instrument, dient
zum Betätigen der beiden unter dem Gehäuse angeordneten Kronen. Sein kompliziertes und
jederzeit auskuppelbares dynamometrisches System ermöglicht die Anwendung einer konstanten
Kraft an der Aufzugkrone mit Kardan. Das Einstellen der Zeit (über eine Scheibenkupplung mit
Spiralfeder) erfolgt durch manuelle Umdrehung unter Verwendung des anderen Endes des
«Starters». Für die Entwicklung des «Starters» wurden mehr als drei Jahre aufgewendet und
seine Realisierung ist eine Weltpremiere. Das System dieses mechanischen Instrumentes
besteht, vom Spannen des «Starters» bis zur Übertragung der Energie auf die Krone, aus
5 Funktionsstufen. Die zweite Stufe besteht aus zwei parallelen Federhäusern, deren Federn
gespannt werden, wenn die Energie gespeichert wird. Ein Auskupplungssystem ermöglicht die
Kontrolle des maximalen Drehmoments. Die dritte Stufe ist ein mit den beiden Federhäusern
verbundenes Getriebe. Als vierte Stufe des «Starters» tritt ein System zur Regulierung der
Drehzahl in Aktion, das aus einer mit flüssigem Silikon gefüllten Kammer besteht, in der ein
mit der Achse verbundenes Schaufelblatt rotiert. Die letzte Stufe dient zum Auslösen und
Auskuppeln des «Starters». Ihre zentrale Achse besteht aus einem Reibkonus mit Feder.
Sobald Druck ausgeübt wird, tritt der Konus in Aktion, worauf das Drehmoment übertragen
wird. Sobald der Druck weggenommen wird, steht der Mechanismus still. Wenn beim
Andrücken an die Krone ein Widerstand festgestellt wird, löst er eine entsprechende
Sicherheitskupplung aus.
Hier der Starter im Schnitt:
und in der Anwendung:
Weiter geht´s in den nächsten Tagen dann mit dem zweiten Teil meines kleinen Berichtes
über die Parmigiani Bugatti Type 370, in der es speziell um das Gehäuse geht.
Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit!
Euer Parmigiani Moderator
Sascha