Woraus ist die 8500er-Unruh

  • Hallo,


    hier ist eine Frage, die mich schon seit dem ersten Blick aufs 8500 beschäftigt: Auf der Unruh steht "Si14". Lt. Omega ist doch aber die Spirale aus dem Material.
    An anderer Stelle (nicht bei Omega) habe ich gelesen, dass die Unruh aus Titan sei.
    Titan ist nicht schwarz. -> Unruh demnach (auch) aus Silizium?


    Hier übrigens ein interessanter Link über die Verwendung von Silizium-Verbundwerkstoffen als Maschinenelemente am Beispiel von Uhren: http://www.mepax.com/?page=app…dabfdd374c787f03fbcb9b1f2


    Gruß

  • Vielleicht hilft das Dir weiter:


    Si-14-Silizium-Unruh-Spiralfeder und vierjährige Garantiezeit

    Die neuen Co-Axial Uhrwerke – darunter die letzte Generation des Co-Axial Kalibers 8500/8501 – sind mit der OMEGA Si-14-Silizium-Spiralfeder ausgestattet: eine Entwicklung, die zur hervorragenden Resistenz gegenüber Stößen und Umwelteinflüssen und somit zur chronometrischen Leistungsstärke der Uhr beiträgt. Dank durch diese Kombination von hauseigenen Co-Axial Uhrwerken und Silizium-Spiralfeder erzielten Stabilität kann OMEGA auf jedes mit beiden Technologien ausgestattete Modell eine Garantiezeit von vier Jahren gewähren.



    LG Manni

    • Offizieller Beitrag

    ... der Unruhreif ist aus schwarz-beschichtetem Titan, die Spiralfeder (wie oben schon beschrieben) aus Silizium.


    Dass der Unruhreif beschriftet ist, ist schlicht Marketing - auf der Spirale könnte man es ja nicht lesen :lupe:


    Gruß,
    Christian

  • ... der Unruhreif ist aus schwarz-beschichtetem Titan, die Spiralfeder (wie oben schon beschrieben) aus Silizium.


    Dass der Unruhreif beschriftet ist, ist schlicht Marketing - auf der Spirale könnte man es ja nicht lesen :lupe:


    Gruß,
    Christian

    Das ist schon verständlich. Allerdings finde ich es nach wie vor etwas zweifelhaft.
    Hat es irgendeinen nennenswerten Effekt, von Glucydur auf Titan überzugehen? Leitend und antimagnetisch ist ja beides.
    E-Technik ist zwar schon eine Weile her, aber soweit ich mich recht erinnere, wird auf in einem Magnetfeld bewegte Ladungsträger eine Kraft ausgeübt, egal ob ferromagnetisch oder nicht. Und dann hätte man bei starken B-Feldern sicher auch eine Auswirkung auf die Schwingung, oder liege ich falsch?


    Wieviel A/m halten eigentlich 8500/9300-Werke aus?


    Gruß

  • Siehe der Link. Es GEHT also schon irgendwie. Da ist von SiO2 die Rede, also im Prinzip chemisch wie Quarz. Wie das elastisch sein soll, weiß ich jedoch auch nicht.
    Wie nennt man doch gleich Uhren, deren Oszillatoren Quarze sind.

  • Silizium hat einen mit Stahl vergleichbaren Elastizitätsmodul. Das macht man sich hauptsächlich in der Miromechanik für Sensoren (Drucksensoren, Beschleunigungssensoren etc. zu nutze, mittels der "Verbiegung" von Siliziummembranen oder -brücken. Die Spirale wird ja nicht "geknickt" sondern nur elastisch verformt.

  • E-Modul bezieht sich aber nur auf die 0.2%-Streckgrenze. D.h. der Bereich, wo Spannungsanstieg und Dehnung ungefär proportional ansteigen. Was über 0.2% Dehnung hinausgeht, darüber und somit auch über die Elastizität gibt der E-Modul keine Auskunft.

    Re ist der entscheidende Wert (bzw. der zugeordnete x-Wert).


    Gruß

  • Genau. Allerdings will man ja auch niemals bei der Spiralfeder über den elastischen Bereich hinausgehen. Und der geht, glaub ich, schon so bis 2.5% Dehnung ... gleichzeitig wäre da natürlich Ende (d.h. Bruch) bei Silizium, während Stahl hat noch bis 35% oder so sich plastisch verformt. :G


    Innerhalb dieses elastischen Bereichs hat Silizium gegenüber Metallen den Vorteil, dass es keinerlei Ermüdungserscheinungen mit der Anzahl der Verformungen zeigt und es keinerlei plastische Verformungsanteile gibt. Sprich: die Si-Spirale ist immer gleich wie am ersten Tag.

  • Kommt ganz drauf an, wie weit der elastische Bereich ist. Baustahl kann sicherlich mehrere Prozente. Bei Porzellan wirds mit 0.2% bestimmt schon eng.


    Stimmt, monolithische Werkstoffe ermüden nicht. Ermüdungserscheinungen treten glaub ich immer an Korngrenzen auf. Wobei Silizium in einer Feder bestimmt kein Einkristall ist.
    Wobei man bei 200-300 Mio Lastwechseln im Jahr und Lebensdauern von vielen
    Jahrzehnten kann man glaube ich auch bei herkömmlichen Spiralfedern
    nicht von Ermüdung sprechen.
    Ich weiß, dass z.B. Teile in Flugzeugen
    schon vor 1 Mio Lastwechseln ausgetausch werden. Natürlich auch, weil es
    sicherheitsrelevante Teile sind. Kann auch sein, dass sie 10 Mio
    aushalten würden, aber man möchte das eben nicht ausprobieren :)

  • Hab gerade oben nochmal dazugefügt: Silizium lässt sich theoretisch bis ¨ber 2.5% elastisch dehnen. Perfekt elastisch sozusagen. Es ermüdet deshalb nicht, weil es ein einkristalliner Werkstoff ist und es keinerlei plastische Verformungsanteile gibt (letzteres nehme ich an).


    Natürlich "leben" die herkömmlichen Spiralfedern Jahrzehnte - die Frage ist aber, ob sie auch nach 20 Jahren noch die gleiche Laufpräzision zulassen. Keine Ahnung - ich bin kein Uhrenhersteller.


    Aber ich weiss, dass im Bereich der Drucksensoren die Mikromechanischen Sensoren mit Siliziummembran die Sensoren mit Edelstahlmembran verdrängt haben. Eben deshalb, weil es keinerlei Ermüdungserscheinungen und Qualitätsänderungen gibt. Ein Siliziumsensor misst nach Jahren genauso genau, wie am ersten Tag, weil die Membran des Drucksensors exakt das gleiche mechanische Verhalten aufweist.


    Und: selbst falls praktisch eine Si-Spirale keine höhere Genauigkeit erzielen würde - sie ist in Massen einfacher und günstiger herzustellen, denke ich :G Und das ist doch schon mal was, oder? :bgdev:

  • Ob die Feder aus Silizium ist bezweifle ich, da Silizium in etwa so spröde wie Glas ist. :grb:
    Was ich mir vorstellen könnten wäre mit Si hochlegierter Stahl...



    Das ist nicht uneingeschränkt richtig.


    Unter ca. 70-80µm Dicke wird Silizium flexibel wie eine Feder. Die Brüchigkeit ist ein Problem dickerer Siliziumteile. Das ist unter anderem mit ein Grund, warum man in der Solarindustrie auf dünnere Wafer will, denn die Bruchraten könnten sinken, könnte man a) die Wafer so dünn schneiden und b) die flexiblen Wafer auch handhaben. Im Moment ist man da bei 150-180µm Dicke und da ist Silizium tatsächlich noch brüchig wie Glas (oder eigentlich viel schlimmer...)

  • ...


    Und: selbst falls praktisch eine Si-Spirale keine höhere Genauigkeit erzielen würde - sie ist in Massen einfacher und günstiger herzustellen, denke ich :G Und das ist doch schon mal was, oder? :bgdev:


    Zumindest im Fall Nivarox trifft das nicht zu. Die Si-Spirale ist signifikant teurer, Faktor 20 aufwärts.

  • ...Wobei Silizium in einer Feder bestimmt kein Einkristall ist.
    ...


    Doch, genau das.


    Die Federn werden aus einem 300mm durchmessenden Monokristallinen Siliziumwafer geätzt (Fotoätzen). Der zugehörige Ingo ist als Einkristall im Czochralski-Verfahren hergestellt.


    Falls nun noch mehr Zitate und damit wahrscheinlich Rückfragen aufkommen: Ich habe den Herstellungsprozess der Siliziumspirale mitentwickelt.

  • Verstanden.


    Silizium ist ja diamagnetisch. D.h. DOCH Einfluss durch Magnetfelder, oder?
    Außerdem haben doch alle freien Ladungsträger einen Einfluss durch Magnetfelder. Diese sind doch auch in Halbleitern vorhanden.

  • Naja, Zink, Gold, Kohlenstoff (also auch Diamant) oder auch Wasser sind auch diamagnetisch. Der menschliche Körper ist durch den hohen Wasser- und Kohlenstoffgehalt auch diamagnetisch.


    Was den Magnetismus angeht, muss man die verschiedenen Arten von Magnetismus beachten.


    Ein diamagnetischer Stoff wird von einem Magnetfeld so beeinflusst, dass sein inneres Magnetfeld proportional zur Stärke des angelegten äusseren Magnetfelds abgeschwächt wird.
    Wie sehr ein Stoff beeinflusst wird, beschreibt man mit der magnetischen Permeabilität, also der Durchlässigkeit eines Stoffs für ein Magnetfeld.
    Der ideal diamagnetische Stoff hat die Permeabilität µr=0 (das r gehört eigentlich tiefgestellt, aber das krieg ich hier nicht hin...). Das ist der sogenannte Supraleiter. Das Vakuum, also das endgültige Nichts, hat µr=1.
    Silizium ist diamagnetisch, aber mit µr=0,9999959 (also 1-4,1*10^-6). Das ist hinreichend nah am Vakuum um zu unterstellen, dass Silizium keine sich mechanisch auswirkende Reaktion auf ein Magnetfeld zeigt. Zum Vergleich, Luft ist bei µr=1,000004 (also 1+4*10^-6). Die magnetische Wirkung auf Luft ist also zwar entgegengesetzt zu der von Silizium, man könnte aber sagen, dass Silizium ungefähr so stark auf ein Magnetfeld reagiert, wie Luft.


    Der andere Weg das zu erreichen ist der, den Rolex geht mit seinem Parachrom Bleu. Das Para darin bedeutet Paramagnetismus, d.h. die Permeabilitätszahl ist größer als 1,0. Soweit mir bekannt liegt Parachrom Bleu auf dem Niveau von Aluminium bei 1,000025 (also 1+2,5*10^-5). Meiner Meinung nach ist Silizium aber zu bevorzugen, weil Parachrom Bleu einige Nachteile mit sich bringt, die in meinen Augen nicht so toll sind. Das schlägt sich auch in Schwierigkeiten mit der Parachrom Bleu Spirale nieder. Von Rolex-Uhrmachern hört man vermehrt Geschichten über sich einschleichenden Vorgang und Prellen. Bevor ich abschweife, aber weiter im Magnetismus...


    Federn aus Stahl sind ferromagnetisch. Das heißt, dass obiger Wert µr sehr viel Größer als 1,0 ist. Bei Gusseissen läge der Wert gerne in den Tausenden (!), aber auch schon mit einer Permeabilitätszahl von 3 spricht man vom Ferromagneten, wenn auch vom sehr schwachen. Bringt man einen ferromagnetischen Werkstoff in ein Magnetfeld, wird er stark angezogen und - schlimmer noch - behält auch nachdem er aus dem Magnetfeld entfernt wird, die Magnetisierung bei. Daher kommt die seit Jahrhunderten überlieferte Angst einer magnetisierten Feder, deren Federgänge zusammen"kleben" und daher ihre effektive Federlänge ändert.


    Damit das nicht passiert, benutzt man Legierungen wie Glucydur für Unruhen oder Elinvar oder Nivarox für die Spiralen. Die sind "amagnetisch". Ich packe das in Anführungszeichen, weil auch das nicht heißt, dass diese Legierungen nicht auf starke Magnetfelder reagieren würden. Diese Legierungen sind in aller Regel immer noch deutlich und nachhaltig beeinflussbar, wenn der Magnet nur stark genug ist. Diamagnetische und paramagnetische Werkstoffe hingegen nicht.


    Amagnetisch ist keine in irgendeiner Weise geschützte oder definierte Bezeichnung und heißt eigentlich nur, dass man im täglichen, normalen Gebrauch nichts befürchten muss. Wenn der Gebrauch nicht mehr normal und alltäglich ist, kann das aber anders sein.


    Auch wichtig für den Gang sind die Reaktionen auf Temperaturunterschiede.
    Dehnt sich die Spirale, ändert sich die wirksame länge der Feder und der Gang ändert sich. Dehnt sich die Unruh, ändert sich das Trägheitsmoment der Unruh und der Gang ändert sich. Temperaturunterschiede sind immer schlecht. Die Auswirkungen auf die Spirale sind meiner Erfahrung nach bedeutender.
    Nivarox, woraus man üblicherweise Spiralen macht, hat einen Ausdehnungskoeffizienten von 7,5*10^-6, Glucydur als Unruhmaterial irgendwas um 9*10^-6, wenn ich mich recht erinnere. Das ist schon ziemlich wenig, reicht aber immer noch für messbare Gangunterschiede bei verschiedenen Temperaturen.
    Silizium hat einen Ausdehnungskoeffizient von 2*10^-6 und Titan von 8,5*10^-6. Das ist in jedem Fall ein Schritt vorwärts, zumal meiner Meinung nach die Spirale den größeren Einfluss hat.


    Was Omega da materialtechnisch betreibt, ist echt aller Ehren wert und das edelste, innovativste, was man diesseits von Patek Philippe erwerben kann. Die Titanunruh ist alleine schon eine kleine Sensation, weil Titan nicht gerade einfach zu bearbeiten ist, besonders nicht in diesen Dimensionen.
    Die Silizumfeder ist absolute Königsklasse!

  • Sag ich doch :G


    Aber im Ernst: Sehr interessant!


    Du sagst, eine Si-Spiralfeder kostet in der Herstellung ungefähr das 20-fache einer Nivarox. OK. Könnte das aber auch daran liegen, dass fast alle Uhrenhersteller heutzutage Nivarox-Spiralfeder benutzen, während Si-Spiralfedern relativ neu sind und die Stückzahlen entsprechend geringer? Ich weiss nichtmal, ob überhaupt jeder Uhrenhersteller eine Si-Spiralfeder verwenden könnte, oder das Ding evtl. sogar mit Schutzrechten belegt ist ...

  • Das ist nicht uneingeschränkt richtig.


    Unter ca. 70-80µm Dicke wird Silizium flexibel wie eine Feder. Die Brüchigkeit ist ein Problem dickerer Siliziumteile. Das ist unter anderem mit ein Grund, warum man in der Solarindustrie auf dünnere Wafer will, denn die Bruchraten könnten sinken, könnte man a) die Wafer so dünn schneiden und b) die flexiblen Wafer auch handhaben. Im Moment ist man da bei 150-180µm Dicke und da ist Silizium tatsächlich noch brüchig wie Glas (oder eigentlich viel schlimmer...)


    Eben. Das wird aber schon seit 25 Jahren industriell angewendet - eben im Sensorbereich. Im Nanobereich ist Silizium sogar plastisch (!) verformbar ;) .... nur der Vollständigkeit halber.


    Das Problem ist das relativ geringe interdisziplinäre Interesse vieler Ingenieure ... :bgdev: