Im Brätling-Forum bin ich über eine offizielle Beschreibung im Prospekt gestolpert, in dem behauptet wird, daß das Gehäuse aus Stahl und Carbon hergestellt ist. Dies kann mal grundsätzlich möglich sein, indem Stahl nitriert oder beschichtet wird, hierzu müssen die Kollegen aus der Metall-Fraktion was schreiben.
Tatsache ist jedoch, daß das Gehäuse der Uhr keinesfalls eine Verbindung von Stahl und Carbon im dem Sinn sein kann, wie wir alle Carbon kennen.
Hier kurz die Entstehung von Carbonfasern: Es ist ein Erdöl-Derivat, aus dem über verschiedene Prozesse banal gesagt Fäden, "Rovings" gewonnen werden- diese werden entweder zu stoffartigen Geweben verwoben oder in einer Richtung mit anderen Fäden "verheftet" (unidirektional)- die Anwendung diktiert die jeweilige Faser. Carbon ist in manchen Bereichen vielfach fester als Stahl bei extremer Leichtigkeit, in anderen Bereichen allerdings fast gar nicht belastbar.
Verarbeitet wird Carbon mit einer sogenannten Matrix, dem Harz- dies kann entweder im Gewebe eingebracht sein und bei Druck und Hitze unter Vakuum aushärten (Prepregs im Autoklaven) oder manuell (flüssig) eingebracht werden- Festigkeitswerte sind fast identisch, im Autoklaven unter bis zu 15 Bar Druck ergibt sich eine höhere Verdichtung und eine homogenere Struktur=> Das Bauteil ist belastbarer...
Hier das Ausgangsmaterial:
Carbongewebe in der Grammatierung 160 Gramm / m²
Dieses und 200 Gramm-Gewebe wird dort verwendet, wo Carbon zur Optik verwendet wird, alle anderen Grammatierungen sind zu fein oder zu grob fürs Auge.
Hier etwas "verzogen", damit schon nicht mehr einsetzbar als Decklage (nur einmal den Finger aufgelegt...)
Hybridgewebe (mit Kevlar) wird zur Vibrationsbewältigung oder als Schleifschutz eingesetzt:
Dieses Gewebe ist mit einer normalen Schere nicht zu schneiden, es rutscht raus...
Grundlage eines guten Bauteils ist eine möglichst präzise Form. Bei normalen Bauteilen reicht eine Kunststoff-Form, bei hohen Stückzahlen oder hoher geforderter Präzision greift man auf Alu-Formen oder erodierte Stahlformen zurück. Je mehr Arbeit man in eine Form steckt, umso besser ist das Ergebnis, jeder Fehler rächt sich hier. Frei nach Martin Luther King: "Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz!"
Hier geht es konkret um die Umbaumaßnahme eines Motorrades auf die neue Optik nach der Modellpflege.
Die seitlichen Flügel der Lampenmaske sind bereits erstellt hinsichtlich Form (grün) und Rohling (schwarz), die Formen haben Heizleitungen zum Heizen mit 80° warmem Wasser.
Die Negativ-form der Lampenmaske wird mit Oberflächenharz bestrichen:
...jedes Teil einzeln:
Dann wird nach einer exakten Ablüft-Zeit, Zeitfenster max. 30 Miinuten, die erste Decklage auf das noch klebrige Harz aufgebracht- hier gibt es nur einen Versuch, das wars...:
Auch hier gilt wie im richtigen Leben: Wer weiß wie es geht, kann es noch lange nicht...
Einschnitte verhindern ein Verziehen der Fasern:
Alle Teile sind belegt:
Die Form wird langsam mit Paßverschraubungen und Schrauben zusammengesetzt:
Fast fertig....immer dran denken: Die nicht sichtbare Seite ist später die Außenseite....
Ganz zusammengesetzt...
Und da die eine Lage nicht reicht, werden natürlich noch weitere Lagen hinten aufgebracht, ggfs wird auch mit Kevlar ® verstärkt. Dort, wo Verklebungen passieren müssen (hier:Scheinwerferhalter) wird Abreißgewebe (das milchige Zeug) eingebracht, das wird nach dem Härten rausgerissen, da es sich nicht verbindet und hinterläßt eine Oberfläche auf der ohne Nacharbeit geklebt werden kann:
Dann kommt das ganze in den kleinen Ofen (2,4x1 Meter/ 180°)
oder den großen, je nach Anwendungsbereich...( 3x 2 x 2 Meter/ 400°)
Nach ca. 3 Stunden wird entformt...erste Sichtprobe:
Der Beschnitt des Bauteils erfolgt mit Druckluftwerkzeugen, da Carbon-Fasern leitend sind und unter vollem Atemschutz, da angeblich cancerogen...
Nach weiteren 3 Stunden Anpassen und Einkleben der Befestigungen ist das Bauteil am Motorrad- voila!!!! Das war ein Prototyp, in der Serie beschneiden wir mit Fräse oder Wasserstrahl, da lohnt sich die Programmierung und die Fertigung der Aufnahme...
Da Bauteil ist ca. 400 Gramm leichter als das Serienteil aus Plastik, wobei das Carbon hier nur aus optischen Gründen eingesetzt wird, kein struktureller Aufwand dahinter.
Zeitschiene: Formenerstellung: ca. 80-100 Mannstunden, Erstellung des Prototypen: 8 Mannstunden...
Und denkt dran: Carbon ist, sofern nicht lackiert immer schwarz, es gibt kein Silber-Carbon, dies ist billiges Glasgewebe mit Aluminium bedampft (sehr beliebt als Marketing-Gag bei verschiedenen Autoherstellern)
Es gibt kein "geschmiedetes" Carbon- Marketing-Gag bei AP...
und "Carbon-Fiber reinforced" (Carbon-Faser verstärkt) bedeutet oftmals nur das Vorhandensein EINER einzigen Carbon-Faser im ganzen Bauteil (beliebt bei einem bekannten Porsche-Tuner aus der Stuttgarter Gegend)