Mein Besuch der Morioka Seiko Instruments Inc.

  • Vorweg: leider konnte ich keine Fotos machen!
    Am 7. Februar d.J. konnte ich mich während einer Dienstreise nach Nagoya auf den Weg in den Norden der Insel Honshu, nach Morioka, machen. Ich hatte bereits vor meiner Abreise aus Deutschland bei Seiko Morioka angefragt ob eine Besichtigung des Shizukuishi Watch Studio möglich sei. Nach einiger Zeit bekam ich auch eine sehr freundliche Antwort mit der Bestätigung für meinen Wunschtermin. Eine Führung sei von 13 - 14:30 möglich.
    Nach gut 4:30 Std. Bahnfahrt, immerhin oneway eine Strecke von rd. 910 km, erreichte der Tohoku-Shinkansen das noch verschneite Morioka und nach weiteren 20 Min. mit dem Taxi kam ich schließlich in Shizukuishi-cho, dem Standort der Morioka Seiko Instruments Inc, an. Da sich meine japanischen Sprachkenntnisse auf einem Minimumniveau bewegen hatte ich mir vorsorglich vom Hotelconcierge in Nagoya einen Zettel auf japanisch schreiben lassen, mit der Bitte an den Taxifahrer, er möge mich doch bitte m 15 Uhr wieder abholen. Da es hier keinerlei öffentliche Verkehrsmittel gibt unverzichtbar. Dies wurde mir vom Fahrer auch gleich mit einem korrekten "hai!" bestätigt.
    Gleich vorweg: fotografieren ist hier leider Laien untersagt. Lediglich bei einem offfiziellem Fototermin ist dies möglich. Den hatte ich als Einzelbesucher natürlich nicht.
    Gleich im Eingangsbereich des 2stöckigen Gebäudes wurde ich auf einem Großbildschirm namentlich Willkommen geheißen.
    Nachdem mir eine junge Dame die Tür öffnete und mich hinein bat, bat sie mich auch gleich, wie sollte es auch in Japan anders sein, meine Straßenschuhe gegen ein paar Besucherschuhe auszutauschen.
    Danach begleitete sie mich in einen kleinen Konferenzraum und entschuldige sich, daß mein "Guide" leider noch nicht da sei. Es war von mir auch sehr unhöflich ca. 15 Min. zu früh zu erscheinen.
    Auf dem Tisch im Raum lag an einem Platz akkurat ein Umschlag der Firma mit einer Infobroschüre, ein Glas und eine Flasche Mineralwasser. Genau gegenüber, wie mit dem Zirkel abgemessen, ebenfalls ein Wasser und einige Unterlagen.
    Kurz danach traf auch schon mein englisch spechender Begleiter, Herr Atsushi Asanuma, ein und begrüßte mich mit den deutschen Worten "Guten Tag" und entschuldigte sich, daß dies auch schon das Ende seiner Deutschkenntnisse sei. Er entschuldigte sich nochmals, (Entschuldigen gehört zum Alltag in Japan und zum guten Ton) daß er leider kein absoluter Fachmann für mechanische Uhren sei, sondern mehr für die auch hier produzierten Quarzwerke zuständig sei.
    Zunächst zeigte er mir einen Film über die gesamte Anlage und den hier hergestellten Produkten, nicht nur die Toplinien Seikos, nämlich Grand Seiko und Seiko Credor, werden hier produziert, sondern in erster Linie höherwertige Quarzwerke für den Export, überwiegend nach China, welche dort in Fremdmarken verbaut werden.
    Danach began der Rundgang. Zunächst im Erdgeschoß an Konstruktionsbüros vorbei in den ersten Stock, wo sich u.a. das Herz- und Paradestück, daß Shizukuishi Watch Studio befindet.
    Zur Innenseite des eingeglasten Studios befindet sich eine Art Besuchertribüne mit einer langen Ledercouch, auf der ich erstmal Platz nehmen sollte um mir einen weiteren Film, speziell über Grand Seiko und Seiko Credor, anzuschauen.
    Anschließend konnte ich in Ruhe der Creme de la Creme der japanischen Uhrmacher etwas bei der Arbeit zuschauen.
    Obwohl mit einigem Abstand hinter Glas, selbst davor stehend, traute ich mich kaum zu atmen, geschweige denn Herrn Asanuma Fragen zu stellen. Ein wahrer Ort der Ruhe und Konzentration.
    Er erklärte mir das die gesamte Montage bis zur Endkontrolle unter Reinluftraum-Bedingungen geschieht, um eine bestmögliche Qualität zu erhalten. Alle Personen die dort arbeiten sehen in ihren langen weißen Kitteln und einer weißen Kopfhaube aus wie eine Mischung aus Köchen oder OP-Ärzten. Es fiel mir auch auf, daß alle Angestellten und die Geschäftsführung eine einheitliche Uniform tragen.
    Im Bereich um das Studio herum hängen verschiedene Karten mit den Fotos und Leistungen der einzelnen Uhrmacher. Die höchste Qualifikationsstufe ist mit dem deuschen Wort "Meister" beschrieben.
    Anschließend gingen wir an großen Hallen vorbei, wo eigentlich fast alle Bestandteile einer mechanischen Uhr hergestellt werden. Von der kleinsten Schraube bis hin zur Grundplatine wird hier voll integriert alles produziert. Und was nicht von hier kommt, wird von anderen Seiko Standorten in Japan angeliefert. Vor den Maschinen befinden sich jeweils Schilder mit einzelnen Fotos der Produktionsabschnitte der entsrechenden Einzelteile. Es werden übrigens auch die sogenannten "Tokioter Streifen" der Brücken und Kloben maschinell vollautomatisch gefräst. Darum sind diese Verzierungen auch etwas tiefer als bei westlichen Luxusuhren. Und es hält die Preise noch einigermaßen im Rahmen.
    Wie Herr Asanuma betonte, konzentriere man sich hauptsächlich auf die perfekte Funktion der Einzelteile, weniger um die Ästhetik.
    Trotzdem werden für eine Seiko Credor oder Grand Seiko z.b. alle Kehlungen der Zahnräder poliert.
    Der grundlegende Unterschied zur westlichen Luxusuhrmacherei ist eine geradezu tiefe philosophische Leidenschaft zur absolut technisch machbaren, auf die Spitze getriebene Perfektion, wie z.B. der Reinluftraum.
    Eben japanisch, die Konzentration auf das Wesentliche, was dann in der Erscheinung einer Grand Seiko z.B. eher im Understatement zu verstehen ist. Und auf die Ganggenauigkeit.
    Nun musste mir natürlich Herr Asanuma auch noch sein Lieblingsort der Firma zeigen, die Quarzwerkproduktion.
    Hier werden die geradezu am Fließband "gebacken". Ohne eine Menschenhand. Und das ca. 10 Mio.(!!) mal im Monat!
    Im Gegensatz dazu nur ca. 20000 Grand Seiko und Seiko Credor im Jahr.
    Tief beeindruckt verließen wir nach ca. 1:30 die Produktionsetage und begaben uns in den Vorraum des Gebäudes mit einer Weltkarte und den darauf verzeichneten globalen Seiko Standorten. Da darf auch die Servicestation in Willich nicht fehlen. Nach Auskunft von Herrn Asanuma übrigens eine der besten Servicestationen für mechanische Seiko Uhren weltweit. Fast so gut wie die in Japan, meinte er schmunzelnd.
    Im Vorraum befindet sich auch ein kleiner Verkaufsstand für ausschließlich nur hier erhältliche Grand Seiko und Seiko Credor, strengst limitiert auf manchmal nur 5 Stück, auf deren Werksbrücke eine Gravur mit dem Japanischen Schriftzug für "Shizukuishi Watch Studio" angebracht ist. Hier eine Uhr zu kaufen wäre sicher absolut exklusiv, aber mal eben ein paar tausend Euro hatte ich dann doch nicht dabei.
    Nach einem netten abschließendem Gespräch mit Herrn Asanuma und einer Tasse grünem Tee wurde ich sehr freundlich verabschiedet,
    denn man läßt hier in Japan niemand warten. Nicht einmal das bestellte Taxi, was um exakt 15 Uhr wieder vor der Tür stand.
    Alles in allem ein Tagesausflug der sich sehr gelohnt hat.
    Jetzt ist mir bewußt, daß eine Grand Seiko eigentlich noch viel teurer verkauft werden könnte.


    P.S. Es gibt im Internet einen auch sehr interessanten Bericht incl. Fotos in englischer Sprache. Einfach mal googlen!

  • so stellt man sich das ja immer vor .....schoen das du das persönlich bestätigen kannst ,und uns teilhaben lässt .
    Toll !! und toll ,das es dann auch einer macht ! :gut:
    danke hans !?

  • Sehr schön! vielen Dank für's Mitnehmen. Schade, dass Du keine Bilder machen durftest.

    Tja, leider war das nicht :( möglich. Bestimmt aber freundlich wurde mir das verwehrt.
    Es gibt aber noch einen sehr interessanten, viel detailierteren Bericht auf einer amerikanischen Website mit vielen Fotos.
    Bitte einfach mal googlen unter Visit to Shizukuishi Watch Studio

  • Hans,


    vielen Dank, dass Du uns an diesem Erlebnis hast teilhaben lassen. Ich freue mich immer über solche Berichte, insofern klasse, dass Du Dir die Mühe gemacht hast, Deine Eindrücke niederzuschreiben.


    Sehe ich das richtig, 910km one-way, nur um die Seiko Manufaktur zu besuchen? Du bist ja noch verrückter als ich! Ansonsten sind 10 Mio Quartzwerke im Monat ebenso eine beeindruckende Zahl. Bei den ca. 20.000 Grand Seikos und Credors, weisst Du zufällig auch, wie da das Verhältnis ist? Ich bin gespannt, ob Seiko die Produktion der GS zukünftig nach oben fährt, nachdem sie nun ja auch verstärkt in Europa angeboten werden (wahrscheinlich eher marginal).


    Beste Grüße


    Jan

  • Tja, da war ich wirklich verrückt! Saß länger in den Zügen (obwohl das in Japan ein reines Vergnügen ist) als meine Zeit in Morioka.
    Aber was soll´s, das war eine einmalige Gelegenheit.
    Die Ratio zwischen Seiko Credor und Grand Seiko kann ich nicht genau beziffern. Aber nach meinen Schätzungen dürften es wohl nur ca. 5000 Credor im Jahr sein.
    Ich glaube auch nicht, daß Seiko die Produktion der Grand Seiko hochfahren wird. Das Hauptverkausgebiet ist immer noch Japan und einige andere Länder Asiens, darunter als größter Markt dort Singapur (kein Wunder, dort leben die meisten US-Dollar Millionäre der Welt).
    Das Angebot in Europa ist wohl eher als ein Test zu sehen.
    Denn letztendlich muß ja auch mal jede Grand Seiko zur Revision. Und auch dort sind die Kapazitäten beschränkt und die Seiko-Standards so hoch, daß dies ausschließlich in Tokio durchgeführt wird.
    Bin mal gespannt wie lange bald eine von mir da unterwegs sein wird.

  • Ja danke, sehr interessant - überhaupt ein interessantes Thema: Seiko und Luxusuhren. Ich frage mich, ob die für dieses Segment nicht besser eine eigene Marke gegeründet hätten. Analog zu Toyotas Lexus...

    Ich glaube das sind geschichtliche Gründe. Die besten Uhren aus dem Hause hießen früher schon Grand Seiko und das hat man beibehalten.
    An der Besucherecke vor dem eigentlichen Uhrenstudio befindet sich eine lange Vitrine in der verschiedenen Modelle der Grand Seiko aus den unterschiedlichen Epochen präsentiert werden. Diese wurde mir von meinem Guide mit sichtlichem Stolz gezeigt.

  • Die Japaner können es einfach.


    Vielen Dank für den Bericht!

    Das sie es können zeigen die Gangwerte meiner beiden GS. Da ist +1 - +2 Sek./Woche keine Ausnahme.
    Da ich ja nun den immensen Produktionsaufwand mit eigenen Augen sehen konnte, ziehe ich mittlerweile eine Grand Seiko jeder vergleichbaren Europäerin vor.
    Understatement in absoluter Perfektion.
    Bin froh das sich daß bei den meisten nicht rumsprechen wird.

  • Das sie es können zeigen die Gangwerte meiner beiden GS. Da ist +1 - +2 Sek./Woche keine Ausnahme.
    Da ich ja nun den immensen Produktionsaufwand mit eigenen Augen sehen konnte, ziehe ich mittlerweile eine Grand Seiko jeder vergleichbaren Europäerin vor.
    Understatement in absoluter Perfektion.
    Bin froh das sich daß bei den meisten nicht rumsprechen wird.


    Meine drei kleinen Seikos finde ich schon klasse - die großen sind Kunstwerke. Nochmals vielen Dank!

  • Ich besitz ebenfalls auch "kleine" Seikos. Eine Ananta mit dem Kaliber 6R21 und eine normale 3-Zeigeruhr mit dem Kaliber 6R15. Selbst diese laufen erstaunlich genau. Im Durchschnitt +1 Sek./Tag.
    Die kleinen find ich auch klasse. Trage die auch öfter als die "Großen".
    Wie war das noch mit der weggelaufenen Frau und dem Kratzer an der neuen Uhr? :)

  • Die Ananta wäre für mein Handgelenk wohl ein bißchen zu groß. Aber natürlich Hut ab vor der Ganggenauigkeit. Die normale 3-Zeigeruhr mit dem Kaliber 6R15 könnte eine SARB021, 023 oder 025 sein, vielleicht aber auch eine ganz andere. Das Werk scheint häufiger verbaut worden zu sein und gilt als zuverlässig, präzise, ganggenau oder mit einem Wort: Spitze! Wäre schön, wenn Du bei Gelegenheit ein, zwei Bilder zeigen könntest.