Glashütte/Sachsen, 4. Juli 2007 – Das 1869 gegründete Traditionsunternehmen Mühle-
Glashütte GmbH Nautische Instrumente & Feinmechanik hat am 4. Juli 2007 einen
Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Nach einem
wettbewerbsrechtlichen Streit mit dem ortsansässigen Uhrenhersteller Nomos und
gescheiterten Vergleichsverhandlungen muss das Unternehmen Rückstellungen für eine
Vertragsstrafe in Höhe von 63 Millionen Euro bilden. Damit ist das inhabergeführte
Traditionsunternehmen überschuldet.
In dem Streit geht es um die Nutzung der Herkunftsbezeichnung Glashütte. Den dazu im
Jahr 2002 geschlossenen Vergleich hat Mühle akzeptiert und unmittelbar danach
Änderungsmaßnahmen eingeleitet. Mit weiteren Veredelungen konnte die
Fertigungstiefe am Standort deutlich erhöht werden. Für die gegnerische Partei sind die
Maßnahmen nicht ausreichend gewesen und so kam es 2006 zu einer erneuten Klage
gegen die Mühle-Glashütte GmbH. Für die Unternehmensleitung, insbesondere für den
aus Glashütte stammenden Inhaber, war dies ein Schock. „Die Situation fühlt sich für
mich wie eine zweite Enteignung an. Ich bin in Glashütte geboren und sehr mit dem Ort
verbunden. Wir haben zu jeder Zeit hochwertige Uhren und Instrumente hergestellt und
immer in gutem Glauben gehandelt. Sofort nach dem Vergleich haben wir alle für uns
ersichtlichen Maßnahmen ergriffen und enorm investiert“, argumentiert Senior-
Geschäftsführer Hans-Jürgen Mühle, der seit der Neugründung 1994 das
Traditionsunternehmen seiner Familie führt.
Die 38 Mitarbeiter stellen Armbanduhren, nautische Instrumente und
Schiffsuhrenanlagen her. Um auch eigene feinmechanische Teile für Uhrwerke am
Standort Glashütte fertigen zu können, hat Mühle durch Gründung der Gurofa GmbH
gemeinsam mit der Schweizer Sellita Watch Co. S.A. im Jahre 2006 einen weiteren
Meilenstein gesetzt.
Gestritten wird über die Frage der Wertschöpfung. Wenn eine Uhr die
Herkunftsbezeichnung Glashütte tragen darf, müssen mindestens 50 Prozent der
Wertschöpfungsarbeiten am Uhrwerk in Glashütte entstanden sein. Danach hat auch
Mühle-Glashütte gehandelt, jedoch auf Vollkostenbasis gerechnet. Gefordert war eine
Teilkostenrechnung mit den reinen Herstellungskosten, wonach Mühle-Glashütte bei
den Uhren des Streitfalls unter der 50-Prozent-Marke liegt. Für Mühle-Glashütte wird ein
Wertschöpfungs-Paradoxon aus dieser Regelung, weil man stets hochwertige (und
damit teure) Rohwerke aus der Schweiz eingekauft hat. Die bittere Lehre daraus: Hätte
man die gleichen Veredelungen an minderwertigeren Werken vorgenommen, wäre die
Herkunftsbezeichnung Glashütte korrekt gewesen. Die Regelung schützt vor Billiguhren
aus Glashütte so leider nicht.
Der Eintritt in das Insolvenzverfahren soll allerdings keineswegs das Ende des
Glashütter Uhrenherstellers sein, sondern die Befreiung aus einer Zwangslage. Die
Zukunft von Nautische Instrumente Mühle-Glashütte gibt Hans-Jürgen Mühle nun in die
Hände seines Sohnes Thilo. Der junge Unternehmer will mit dem Insolvenzverfahren die
Phase der Frustration, Verunsicherung und Ungewissheit beenden. Thilo Mühle will das
Werk seines Vaters (seines Groß- und Urgroßvaters) erhalten und das Unternehmen in
eine erfolgreiche Zukunft führen. „Ein Herkunfts-Streit nutzt niemandem in Glashütte.
Doch ich gebe nicht auf und glaube an die Zukunft von Qualität aus Glashütte. Und vor
allem an unsere Zukunft.“ Thilo Mühle hofft auf ein Insolvenzplanverfahren, bei dem er
seine Ziele verwirklichen und vor allem Arbeitsplätze am Standort erhalten und neue
schaffen kann. Das Amtsgericht Dresden hat Herrn Rechtsanwalt Helgi Heumann zum
vorläufigen Insolvenzverwalter bestimmt. Nach erstem Bekunden wird Herr Heumann
alle Kraft daransetzen, das Traditionsunternehmen zu erhalten und den Betrieb
fortzuführen.